Wetter/Herdecke. Jetzt auch noch ein höherer Steuersatz: Wie viel mehr können die Gastronomen nehmen, ohne dass die Gäste wegbleiben? Die Angst ist groß

Ab 1. Januar zahlen Restaurants wieder den vollen Mehrwertsteuersatz für Speisen. Das wird die Preise nach oben treiben, wie eine kleine Umfrage bei Gastronomen in Wetter und Herdecke zeigt. Komplett weiter geben werden sie den Steueraufschlag von 19 Prozent statt vorübergehend 7 Prozent aber wohl nicht. Die Gastronomen stecken in einem Dilemma: Der Spielraum für Preiserhöhungen ist klein, und keiner weiß, ab welchem Punkt die Gutmütigkeit der Kundschaft ausgereizt ist. Veronika Riepe vom Zweibrücker Hof in Herdecke sagt es so: „Es hilft schließlich nichts, wenn am Ende des Tages keine Gäste mehr kommen.“

Steuersenkung hat geholfen in schwerer Zeit

Weil die Branche unter den Auflagen der Pandemie so besonders gelitten hat und dann auch noch Inflation und erhöhte Energiekosten hinzugekommen sind, war der Mehrwertsteuersatz beim Essen auf sieben Prozent herabgesetzt worden. Für die Gäste wurde das Essengehen zwar teurer, die Preiserhöhungen hatten aber einen Dämpfer. Nun steht das Ende dieser Subvention bevor, und die Teuerung schlägt voll durch. „Ein Jahr mehr Entlastung wäre gut gewesen“, sagt Josip Vucak vom Landhaus Hesse in Herdecke. Das Ende der Subventionen sei aber absehbar gewesen. In schwieriger Zeit habe die Steuerentlastung dennoch „geholfen, absolut“, so Vucak.

Die zwölf Prozent mehr an Mehrwertsteuer wird der Hausherr im Haus Hesse nicht komplett an seine Kundschaft weiter geben. Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Lage beim Einkauf etwas entspannt hat. Vucak nennt ein Beispiel: Für ein Kilo Rinderfilet hat er vor einem Jahr 48 Euro gezahlt. Vor Corona waren es 28 Euro. Derzeit legt der Gastronom 38 Euro im Großmarkt auf den Tisch. Fleisch und Fisch seien wieder bezahlbarer geworden, stellt Josip Vucak fest. Trotzdem hat auch er Mehrkosten zu verkraften.

Zwischen Mindestlohn und Bürgergeld

Bei den Firmenkunden, die bei ihm auf Geschäftskosten essen gehen, schlägt die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz nicht durch. Da bleibe es am Ende beim gleichen Netto-Preis. Aber wenn jetzt die Steuer zurückkommt, „wird es für viele Privatkunden wieder teurer“, stellt er mit Bedauern fest. Eine Hauptursache ist für ihn weniger der Steuersatz und mehr der Mindestlohn. „Die Proportionen stimmen nicht mehr“, sagt Vucak. Durch den Mindestlohn verschiebe sich im Bezahlgefüge alles nach oben. Wenn die Ungelernten mehr Geld bekommen würden, wollten die Fachkräfte auf ihrem Lohnzettel einen entsprechenden Abstand sehen.

Lars Martin vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband sieht den Druck bei der Bezahlung noch aus einer anderen Richtung. Das Bürgergeld führe dazu, dass sich so mancher frage, ob sich eine Tätigkeit in einer Restaurantküche tatsächlich lohne. Die Restaurantbetreiber haben also größere Schwierigkeiten, überhaupt Mitarbeiter zu finden, müssen diese besser als bisher bezahlen und sind unter Druck, weil sie das gleiche Essen bald mit mehr als zehn Prozent Steueraufschlag verkaufen sollen und damit die Kundschaft vielleicht an die Grenze der Zahlungswilligkeit treiben.

„Essengehen darf nicht unerschwinglich werden“

„Wir merken, dass die Sorgen in den Mitgliedsbetrieben vor der drohenden Mehrwertsteuererhöhung groß sind“, sagt Lars Martin, der für den DeHoGa-Geschäftsstellenbereich Hagen mit Wetter und Herdecke zuständig ist. Aus seiner Sicht sind Preiserhöhungen unvermeidlich. Die befürchtete Folge: „Wir rechnen mit einer weiteren Pleitewelle.“ 12.000 Gastrobetriebe bundesweit seien in akuter Gefahr. Von der Corona-Krise sei die Branche in die Inflationskrise hineingeschlittert, und nun komme der nächste Preisschock. Seine Worte für das aktuelle Dilemma: „Essen gehen ist etwas Besonderes, darf aber nicht zum unerschwinglichen Luxus werden.“

Veronika Riepe ist nicht nur auf die Einnahmen aus dem Restaurant angewiesen. Der Zweibrücker Hof ist in erster Linie ein Hotel. Aber auch hier schlägt beim Frühstückspreis künftig der erhöhte Steuersatz durch. Und auch für Tagungen oder Seminare wird sie die Preise neu machen müssen. „Feingefühl ist gefragt“, sagt sie. Zu viel mehr schreckt ab. Entschieden unaufgeregter gibt sich Stepe Babic vom Hotel-Restaurant Elbschetal in Wengern. Die 19 Prozent Mehrwertsteuer habe es schließlich vor Corona auch schon mal gegeben.