Hagen. Die Westfalia Werkzeugcompany soll möglichst schnell den Besitzer wechseln. Wie weit die Verhandlungen mit den Interessenten sind.

Für so manchen Kunden ist der Werkzeughandel Westfalia Kult, für Experten sogar ein Goldstück der Branche. Und dennoch wurde für das Hagener Traditionsunternehmen im Oktober ein Antrag auf Insolvenz gestellt. Wie es weitergeht ist noch offen, immerhin gibt es aber mehrere Kaufinteressenten. Das bestätigte die mit der Insolvenzverwaltung beauftragte Kanzlei Görg.

Die aktuellen Verhandlungen mit den Kaufinteressenten sind weit fortgeschritten. Aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen.“
Dr. Mike Westkamp - Fachanwalt für Insolvenzrecht

In den vergangenen Tagen seien die Angebote der potenziellen Käufer geprüft worden, heißt es aus der Kanzlei. „Die aktuellen Verhandlungen mit den Kaufinteressenten sind weit fortgeschritten“, erklärte Rechtsanwalt Dr. Mike Westkamp, der für eine der Gesellschaften zuständig ist, für die ein Insolvenzantrag gestellt wurde. Es lägen demnach mehrere Angebote für eine Übernahme des Geschäftsbetriebs sowie für die Übernahme einzelner Vermögenswerte vor. Ob der Käufer auch den stationären Fachmarkt in Hagen mit rund 20 Beschäftigten übernehmen wird, war am Mittwoch noch höchst ungewiss.

Perspektive für Beschäftigte im Fachmarkt gering

Lediglich einer der Bieter strebe auch die Übernahme des Westfalia-Marktes in Hagen an, heißt es vonseiten der Insolvenzverwalter. Am Donnerstag brachte die Belegschaftsversammlung für die Beschäftigten des Fachmarktes dann bittere Klarheit. Das Angebot des Investors, der sich den Fachmarkt als „Flagshipstore“ vorstellen könnte, wurde nach Inforamtionen dieser Zeitung als unzureichend zurückgewiesen. Wenn kein Wunder geschieht, gibt es also für die Westfalia-Beschäftigten im stationären Handel keine Perspektive.

Mindestens bei einem Bieter würde ein Verkauf vorbehaltlich einer kartellrechtlichen Prüfung passieren. Dies dürfte bedeuten, dass es sich um einen Investor beziehungsweise ein Unternehmen handelt, das bereits im E-Commerce-Geschäft mindestens teilweise im gleichen Segment wie Westfalia tätig ist.

Lediglich ein Interessent für den Fachmarkt

Das Hauptaugenmerk der Bieter könnte also nicht gleichermaßen an dem mit viel Kompetenz geführten Fachmarkt in Hagen liegen, in dem auch in dieser bedrückenden Lage noch 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Engagement bei der Sache sind.

Das Objekt der Begierde dürfte vielmehr der über Jahrzehnte gewachsene, als vergleichsweise treu geltende Kundenstamm sein. Außerdem die über exakt einhundert Jahre aufgebaute, starke Marke Westfalia, unter deren Label auch „eigene“ Werkzeuge und Maschinen verkauft werden.

Umsatzsprung auf 120 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2020/2021

Die Marke Westfalia steht für gute Qualität und traditionellen Versandhandel, im Wesentlichen über Bestellung aus dem Katalog. Ein Anachronismus, den sich das Unternehmen leistet, der durchaus kostspielig sein dürfte.

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Nach Informationen dieser Zeitung wurde der Westfalia-Katalog monatlich in einer Auflage von mehreren hunderttausend Stück gedruckt und an den bekannten Kundenstamm versendet. Die stark gesunkene Resonanz führte der amtierende Geschäftsführer Markus Weber als Grund für die Beantragung der Insolvenz an. Dabei hatte Westfalia zu Pandemiezeiten im Geschäftsjahr 2020/21 noch einen Umsatzsprung von 110 auf 120 Millionen Euro hingelegt.

Schnäppchen auf „westfalia.de“ als Jubiläumsangebote deklariert

Während der Onlineversandhandel bis auf kleinere Dellen in den vergangenen Jahren kontinuierlich wächst, konnte sich Westfalia diesen Trend offenbar nicht zunutze machen. Die Geschäfte auf der Internetplattform „Westfalia.de“, wo derzeit mit dem Hinweis auf das Firmenjubiläum reichlich Produkte zu Schnäppchenpreisen angeboten werden, um vielleicht noch einmal den alten Gesellschaftern die Kasse zu füllen, blieben aus Sicht der Inhaberfamilien offenbar zu bescheiden.

Belegschaftsversammlungen am Donnerstag vor Weihnachten

Sie ließen die Reißleine ziehen. Betroffen sind nun im Einkauf und der Logistik rund 220 Beschäftigte im Hagener Industriegebiet Lennetal. Mit den Mitarbeitern im Fachmarkt schauen also rund 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien in den letzten Tagen des laufenden Jahres darauf, was aus Westfalia wird. Sie sollen am Donnerstag darüber informiert werden, wie es für sie und mit der Traditionsmarke im kommenden Jahr weitergeht.

Nach Informationen dieser Zeitung ist ein Bieter eine bekannte und auf Multichannel, also den Vertrieb sowohl im stationären als auch im Internethandel spezialisierte, Investorengruppe aus Düsseldorf. Ein weiteres Gebot stammt offenbar von Investoren aus dem norddeutschen Raum. Mindestens einen dritten Interessenten dürfte es noch geben.

Bundesagentur für Arbeit entscheidet als Gläubiger über Jobs mit

Geboten wird auf den Warenbestand und die Rechte an der Marke. Darum geht es beim vom Insolvenzverwalter beschriebenen „Asset Deal“, also einem Verkauf des Geschäftsbetriebs und einiger Vermögenswerte, der im Januar möglichst rasch in eine neu zu gründende Gesellschaft überführt werden soll. Ein Insolvenzplan sei dann unnötig. Allerdings müssen die Gläubiger dem Geschäft zustimmen. Dazu gehört als großer Gläubiger in jedem Fall die Bundesagentur für Arbeit, über die der Belegschaft für die Monate Oktober bis Dezember Insolvenzgeld gezahlt wurde. „Dabei steht für die Bundesagentur für Arbeit vor allem der (dauerhafte) Erhalt der Arbeitsplätze im Vordergrund“, erklärt eine Sprecherin. Weitere Gläubiger dürften die bisherigen Gesellschafter sein, denen die Westfalia-Immobilien gehören.

Noch sei die Entscheidung nicht gefallen. „Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen“, versicherte Insolvenzverwalter Dr. Mike Westkamp am Mittwoch gegenüber der Westfalenpost noch einmal. Spätestens zu Beginn des neuen Jahres werde es Klarheit geben.