Hagen. Martin Sterl und sein Team hoffen, dass der Westfalia-Fachmarkt gerettet wird. Was der Insolvenzverwalter sagt. Und wie geht es im Januar weiter?
Die Kugeln für den Tannenbaum glänzen um die Wette, und der Weihnachtsmann aus Holz grinst unter seinem Rauschebart. Weihnachtsstimmung auf dem „Schnapp zu“-Adventsmarkt bei Westfalia? Nur bedingt, denn die meisten Kunden wissen, wie es um Westfalia in Hagen steht. Nämlich gar nicht gut. Das 100 Jahre alte Unternehmen ist insolvent. Insgesamt sind 250 Mitarbeiter betroffen.
Einige Mitarbeiter haben bereits gekündigt
Martin Sterl schüttelt den Kopf: „So traurig hab‘ ich Weihnachten noch nie erlebt. Die Insolvenz begleitet das Weihnachtsfest. Wir wissen doch alle nicht, ob und wie es weitergeht“, sagt der Marktleiter des Westfalia-Fachmarktes an der Pettenkoferstraße 27 mit ernster Stimme. Mit „wir“ spielt der 61-Jährige auf seine 19 verbliebenen Mitarbeiter und sich selbst an.
Bevor die Insolvenz des Unternehmens im Oktober bekannt wurde, bestand Sterls Team aus 25 Köpfen, „doch einige haben mittlerweile gekündigt und sich einen sicheren Arbeitsplatz gesucht“.
Glaskugellesen macht alle verrückt
Am heutigen Donnerstag, 21. Dezember, findet im Fachmarkt eine Arbeitnehmerversammlung statt, später auch eine im Westfalia-Logistikzentrum im Lennetal. „Wir hoffen, dass der Insolvenzverwalter uns über den Stand der Verhandlungen aufklären und sagen wird, wie es ab Januar weitergeht“, so Martin Sterl, „das Glaskugellesen macht uns doch alle verrückt“.
Für die Monate Oktober, November und Dezember haben sämtliche Westfalia-Mitarbeiter Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit erhalten, „doch wie geht es im Januar weiter? Wer kommt dann für die Gehälter auf?“, fragt der Marktleiter kopfschüttelnd.
Zur Erinnerung: Im Oktober wurde für Westfalia - im Fachmarkt sind derzeit 19 Mitarbeiter beschäftigt, im Logistikzentrum an der Bandstahlstraße 140, in der Verwaltung 80 und in der Qualitätssicherung 10 - Insolvenz angemeldet. Geschäftsführer Markus Weber begründete die Insolvenz u.a. mit der zunehmenden Kaufzurückhaltung und den stetig steigenden Lebenshaltungskosten.
Fortführung des Unternehmens im Visier
Zu vorläufigen Insolvenzverwaltern wurden Dr. Mike Westkamp und Dr. Jan Janßen von der Kanzlei Görg in Hagen bestellt. Christian Schulze, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Kollege von Westkamp und Janßen, unterstreicht auf Nachfrage unserer Zeitung, dass die Fortführung des Unternehmens sowie die Rettung der Arbeitsplätze das oberste Ziel der Insolvenzverwalter sei. „Es gibt Interessenten für Gesamt-Westfalia und isoliert für den Fachmarkt. Die Gespräche laufen noch“, so Schulze.
Kündigungsfristen einhalten
Und wie beurteilt der Sanierungsexperte die Situation des Fachmarktes? „Am 2. Januar werden die Türen definitiv nicht abgeschlossen. Die Mitarbeiter dürfen gar nicht von jetzt auf gleich auf die Straße gesetzt werden, schließlich gibt es Kündigungsfristen.“ Ihre Gehälter müssten gegebenenfalls für einige Zeit aus der Insolvenzmasse bezahlt werden. Außerdem, fährt Christian Schulze fort, hätte die im Markt vorhandene Ware einen gewissen Wert, „ein regulärer Abverkauf wäre allemal besser als ein Restposten-Verkauf“.
Schnäppchenjäger und Leichenfledderer
Aber zurück zu Martin Sterl, der mit aufmerksamem Blick durch die Gänge seines Fachmarktes geht und schaut, dass die Sortimentslücken nicht zu groß werden. „Seit Ende Oktober bekommen wir keine Ware von Fremdlieferanten mehr, aber das können wir nicht ändern“. Viele Kunden und vor allem ältere Stammkunden stünden zu ihm und seinem Team, „natürlich gibt es auch Schnäppchenjäger und Leichenfledderer, aber das hält sich bei uns in Grenzen“.
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Mädchen für alles und Spielertrainer
In Grenzen verhält sich verständlicherweise auch die Stimmung bei den Mitarbeitern, die nicht wissen, ob sie im kommenden Jahr noch einen Job haben. „Ich bin gefordert, die Leute bei der Stange zu halten und die Lücken zu stopfen. Ich kümmere mich derzeit um die Pausenablösung und den Wareneingang, bin Mädchen für alles und Spielertrainer“.
30.000 Reaktionen auf Facebook
Darauf, dass viele Kunden dem Markt-Team die Daumen drücken, dass es weitergeht, ist Martin Sterl schon ein wenig stolz. „Auf meinen Facebook-Post, mit dem ich mich Ende Oktober an unsere Kunden gewandt und deutlich gemacht habe, dass der Verkauf weiterläuft, hab‘ ich 30.000 Reaktionen bekommen, das hat mich fast umgehauen“.
Stammkunde bietet 10.000 Euro für die Rettung des Marktes an
Und ein Stammkunde hätte für die Rettung des Fachmarktes gern 10.000 Euro zur Verfügung gestellt, praktisch als Anschub-Spende, „natürlich konnte ich das Angebot nicht annehmen und hab‘ gesagt, entweder klappt es auf anderem Weg oder nicht“, so Martin Sterl. Und weiter: „Ich hoffe jetzt einfach ganz fest, dass einer der Interessenten - ein Investor stammt aus dem Rheinland, ein anderer aus Norddeutschland - uns rettet.“