Hagen. Der Hagener Solocellist Yan Vaigot ist Solist im dritten Sinfoniekonzert der Philharmoniker. Er brilliert mit Schostakowitsch.
Gleich dem Wetter in stürmischen Zeiten hat das Philharmonische Orchester Hagen sein Publikum im dritten Sinfoniekonzert durch wechselhafte Gemütslagen geführt, um es schließlich mit Beethovens versöhnlich stimmender „Pastorale“ im Ohr und im Gemüt in den kalten Abend zu entlassen.
Einmal mehr hat der Hagener GMD Joseph Trafton mit seinen Musikern die Weiten musikalischer Meisterwerke kongenial ausgeleuchtet, die vor allem eines verbindet: die Hinwendung ihrer Schöpfer zur Musikkunst vor dem Hintergrund politischer Umbrüche und düsterer Aussichten. Dass ausgerechnet in Zeiten größter Umwälzungen solch‘ unvergängliche Werke entstanden sind, mag auch für uns Gegenwärtige Quelle des Trostes und der Zuversicht sein.
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So schuf der Auftakt des Konzertabends mit der „Symphonie classique“ des jungen Sergei Prokofjew die solide Basis für einen spannenden Konzertabend, der einlud, für eine gute Weile in die Welt der Musik abzutauchen. Sichtlich gut gelaunt, betonte Trafton das Spiel zwischen klassischer Musiksprache und moderner Rhythmik, ließ sein Orchester die Freude an dem 1918 in Petrograd uraufgeführten Werk ausleben und so etwas Wiener Atmosphäre an die Volme holen - bis die gute Laune förmlich übersprang.
Dass im Mittelpunkt des Abends das erste Cellokonzert des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch stand, ist durchaus programmatisch. Doch jenseits aller politischen Bedeutungen, die Schostakowitschs Musik beigemessen wird, bot dieses großartige Werk dem ersten Cellisten des Hagener Orchesters eine perfekte Bühne für seinen Soloauftritt und dem Ensemble einmal mehr die Gelegenheit zu zeigen, zu welch furiosen und faszinierenden musikalischen Reisen es fähig ist. Hochkonzentriert wagt sich Yan Vaigot an eine der anspruchsvollsten Kompositionen und erwies sich als glänzender Interpret – nicht nur er kam bei dem Spiel außer Atem!
Gleich der erste Satz gelingt dem 38-jährigen Franzosen so intensiv und wuchtig, fast wütend, als wolle er doch erzählen von den bitteren Erfahrungen des Komponisten im stalinistischen Regime der Verfolgung und Unterdrückung. In Vaigots Spiel wird die gewaltige Kraft dieses Werkes fast körperlich spürbar; sie entfaltet eine packende Intensität, der sich das Publikum nicht entziehen kann.
In tiefer Trauer stimmen die Streicher die Dissonanz des zweiten Satzes an, die Klage bricht aus dem Cello heraus, findet im Orchester ihren Widerhall, bis die Celesta (Taepyeong Kwak) das Weinen überhöht und unerträglich schön macht. In der Cadenza wird Vaigots große Virtuosität hörbar zwischen rasanten Tempi und melodischen Linien, bevor er übergangslos in den letzten Satz hineinspielt. Sympathisch wie der Musiker gerät die Zugabe: Vaigot nutzt Tschaikowskys Valses Sentimentale Op. 51/6 für einen Auftritt mit seinen vier Kollegen – zur Freude des Publikums fünf Cellisten unter sich.
Beethovens Intention folgend, nach der seine 6. Sinfonie „mehr Ausdruck als Malerei“ sein solle, setzte das Orchester anschließend der Natur ein klangvolles Denkmal: Heiter gelingt die „Ankunft auf dem Lande“, genussvoll gelassen die „Szene am Bach“, holprigen Schrittes kommen Hörner und Fagott mit den „Landleuten“ daher und laden lustvoll zum Tanz mit allen Registern, bevor energisch und gewaltig (brillante Bläsergruppe) sich das Unwetter nähert: Pauke und Posaune grollen und krachen, Streicher peitschen stürmisch voran. Die Ruhe nach dem Sturm wird zum Dankgebet im Einklang mit der Natur. Die beiden Schlussakkorde sind verklungen, andächtige Stille in der Stadthalle – bevor der Applaus einsetzt, darf das Dankgebet der Hirten im letzten Satz der Pastorale vollends aufsteigen und den Raum erfüllen.