Hagen. Das Hagener Osthaus-Museum steht wegen Kooperationen mit einer Galerie im Verdacht mangelnder Transparenz. Was das Haus dazu sagt.

Das Hagener Osthaus-Museum steht in der Kritik, als steuerfinanziertes Haus zum Durchlauferhitzer für den kommerziellen Kunstmarkt zu werden. Das Monopol-Magazin hinterfragt in einem Bericht, ob Museumsdirektor Dr. Tayfun Belgin in seiner Ausstellungs-Praxis nicht eine zu große Nähe zu der Düsseldorfer Kunstgalerie Geuer & Geuer zeigt. Einerseits würden Künstler durch die Kooperation institutionelle Ausstellungen erhalten, die sonst im klassischen Museumsbetrieb keine Rolle spielten. Andererseits würde die Ausstellung in einem renommierten Museum den Marktpreisen dieser von der kommerziellen Düsseldorfer Galerie vertretenen Künstler helfen.

Tayfun Belgin weist im Gespräch mit unserer Redaktion die Vorwürfe mangelnder Transparenz zurück. „Ich habe seit 2009 gut 130 Ausstellungen gemacht. Bei sechs Projekten habe ich mit Geuer-Künstlern gearbeitet, nur bei zwei Künstlern davon gab es einen direkten Kontakt, Leon Löwentraut und 2017 Yvonne van Acht.“ Löwentraut prozessiert inzwischen mit Geuer, und Yvonne van Acht hat den Galeristen geheiratet. „Diese Ausstellung würde ich heute nicht mehr machen, weil sie Geuers Frau ist“, sagt Belgin.

Sylvester Stallones Bilder sind nicht im Preis gestiegen, weil er im Osthaus-Museum ausgestellt hat.
Dr. Tayfun Belgin, Museumsdirektor in Hagen

Ohne Netzwerke läuft nichts

Die Diskussion spiegelt die Verflechtungen und komplexen Beziehungen in der Kunstszene. Auf der einen Seite stehen die Museen als mit Steuergeldern finanzierte Orte des Forschens, des Bewahrens und des Sammelns. Auf der anderen Seite gibt es den kommerziellen Kunstmarkt. Eine Schnittstelle bilden die Kunstmessen als Begegnungsorte. Schließlich haben die Sammler Verbindung zu beiden Sparten, da sie im Kunstmarkt Werke ankaufen und verkaufen und diese den Museen für Ausstellungen zur Verfügung stellen oder sogar als Dauerleihgaben oder Schenkungen vermachen. Persönliche Kontakte sind überlebenswichtig. „Ich habe mit Herrn Geuer angefangen zu arbeiten, da war ich noch Leiter des Museums am Ostwall in Dortmund“, verweist Tayfun Belgin auf solche Netzwerke. „Wir haben für St. Petersburg eine Immendorff-Ausstellung gemacht. Die Galerie Geuer hat im Portfolio reihenweise Leute, mit denen ich nichts zu tun haben möchte und er vertritt Künstler, die ich sehr schätze und aus anderen Begegnungen kenne.“

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Die Ausstellungen mit den Künstlern, die auch von Geuer & Geuer vertreten würden, seien über andere Kanäle zustande gekommen, Dieter Nuhr zum Beispiel über die Brost-Stiftung, und Niclas Castello habe er 2022 auf der Art Cologne kennengelernt. Der Künstler habe die Ausstellung ursprünglich mit einer Berliner Galerie geplant. An der Schau mit Werken von Niclas Castello hatte sich die kritische Berichterstattung entzündet. „Ich finde es fatal, wenn man dann eine unsaubere Beziehung herstellt. Wenn eine Galerie schreibt: In Kooperation mit dem Museum XY, dann ist es halt so, und wenn eine Galerie begleitend eine Verkaufsausstellung anbietet, das kann ich ja nicht verhindern.“

Kein Ankaufs-Etat

Das Thema wirft auch ein erhellendes Licht auf die Art und Weise, wie das Osthaus-Museum von der Stadt Hagen behandelt wird. Einen Ankaufs-Etat gibt es nicht. Es ist nicht erlaubt, große Ausstellungsprojekte anzusparen, indem man Jahresetats zusammenlegt. „Für die Zukunft müsste es doch möglich sein, dass man überjährige Gelder ansammeln kann. Und es müsste auch möglich sein, dass wir einen eigenen Ankaufsetat bekommen“, hofft Belgin.

Mangels Ankaufsetat ist Belgin auf Schenkungen angewiesen. Doch die Sammler tun sich schwer, ihre Schätze vertrauensvoll an das Osthaus-Museum zu geben. Das hängt mit dem Verkauf des „Seestücks“ von Gerhard Richter durch die Stadt Hagen zusammen. Die Arbeit wurde 1998 bei Sotheby‘s in London mit 4,3 Millionen Mark als damals eines der teuersten Richter-Motive überhaupt versteigert. Der damalige Hagener Museumsdirektor hatte den Wert im niedrigen sechsstelligen Bereich veranschlagt.

Die Sammler sind irritiert

Das Gemälde war dem Osthaus-Museum durch den Freundeskreis des Museums vermacht worden, dem inzwischen aufgelösten Stifterverband. Die Stifter wurden vor dem Verkauf nicht informiert. Das Geld ist längst den Weg alles Irdischen gegangen. „Von diesen 4,3 Millionen hätte man seinerzeit eine Stiftung anlegen müssen“, klagt Belgin. „Damals gab es noch hohe Zinsen. Dann hätten wir jetzt einen Ankaufsetat. Außerdem: Zwei Sammler haben mir gesagt: Wenn die Stadt Bilder verkauft, die geschenkt waren: Was soll ich Ihnen denn noch geben?“

Der Förderverein „Freunde des Osthaus-Museums Hagen“ stärkt dem Museumsdirektor den Rücken. „In dem Artikel wird nicht ernsthaft diskutiert, warum Museen überhaupt mit kommerziellen Galerien zusammenarbeiten. Aus meiner Kenntnis arbeiten in Deutschland viele Museen mit Galerien zusammen“, sagt Vorsitzende Christiane Bergfelder. „Dr. Belgin hat für den Standort Hagen, für sein Museum sehr viel erreicht. Durch seine internationalen Kontakte hat er dem Osthaus-Museum sehr gut gedient und herausragende Ausstellungen realisiert.“

Die Galerie muss vorstrecken

Die erfolgreiche Hundertwasser-Ausstellung von 2015 hatte über 60.000 Besucher. Möglich wurde sie nur, indem der Leihgeber „Die Galerie“ aus Frankfurt 300.000 Euro vorstreckte, dazu gab es einen Ratsbeschluss. „Bei der Anselm Kiefer-Ausstellung 2013 betrugen die Transportkosten 30.000 Euro. Die hat mir die leihgebende Galerie aus Köln bezahlt. Aber Kiefer ist dadurch nicht berühmter geworden“, bilanziert Belgin.

„Ausstellungsprogramme sind keine demokratisch getroffenen Entscheidungen, sondern immer auch Abbild von persönlichen Vorlieben und Relevanzvorstellungen der Museumsdirektoren und -direktorinnen. Umso wichtiger wäre es also, jeden Anschein von „Marktklüngel“ zu vermeiden, denn eine Währung von Museen ist auch Glaubwürdigkeit. Und umso seltsamer kann es wirken, wenn ein Kurator offenbar einen auffälligen Teil seiner Sonderausstellungen (exklusiv oder nicht) aus dem Portfolio eines Galeristen bespielt“, schreibt Redakteurin Saskia Trebing im Monopol Magazin. Belgin entgegnet: „Ich habe immer alles offengelegt.“

Richter-Bild heute unbezahlbar

Der Museumsdirektor geht im März 2024 in den Ruhestand. Er ist in Hagen auch Leiter des Fachbereichs Kultur. Seine Arbeit beschreibt er eher desillusioniert. „Das Museum hatte, als ich anfing, keinen guten Ruf wegen des Richter-Verkaufs. Was die angebliche Aufwertung von Galeriekünstlern durch Ausstellungen angeht: Ich glaube nicht, dass Hagen etwas bewirkt auf dem Kunstmarkt. Wir lieben diese Stadt und unser Museum, aber Sylvester Stallones Bilder sind nicht im Preis gestiegen, weil er im Osthaus-Museum ausgestellt hat. Wir sind keine Hauptstadt, wir sind eine Stadt jenseits der Metropolen. “ Stolz ist Tayfun Belgin darauf, dass er die berühmte Sammlung von Expressionisten seines Museums jahrelang auf Tournee durch Europa geschickt hat. „So haben viele Leute das Museum und die Stadt wahrgenommen. Die Hagener Expressionisten hatten im Leopold-Museum Wien 100.000 Besucher. Das war mein schönstes Erlebnis.“

Das Seestück von Richter wäre heute mehr als das Zwanzigfache der 4,3 Millionen Euro wert. Kein Museum kann sich ein solches Kunstwerk mehr leisten. Und Tayfun Belgin plant seine große Abschiedsausstellung im März mit Werken von Gottfried Helnwein. „Das sind rund 80 Arbeiten, die kommen direkt aus der Albertina in Wien.“ Auf der Homepage von Geuer&Geuer ist zu lesen: „Als deutschlandweite Exklusiv-Galerie von Gottfried Helnwein finden Sie bei uns regelmäßig neue Werke des Künstlers in unserem Programm.“