Hagen. Das an der Fernuni mit einer Milchglasscheibe verhängte Bild von Hans Slavos sorgt weiter für Diskussionen. Das zeigen Zuschriften.
Ein Bild sorgt für Diskussionen. Sowohl das Bild an sich als auch der Umgang mit ihm. Es geht um die „Die Kaffeepflückerinnen“, ein Glasbild des Hagener Künstlers Hans Slavos (1900-1969). Es wird derzeit an der Fernuni Hagen gezeigt - allerdings hängt teilweise eine mattierte Scheibe davor. Die beiden schwarzen Protagonistinnen, davon eine halbnackt, sind so aus der Ferne nicht zu sehen. Wird der Betrachter damit bevormundet? Ist in ein Kunstwerk eingegriffen worden, gar Zensur geübt worden? Oder ist es vielmehr ein postkolonialer Lernort, wie die Fernuni sagt, ein Ort, der dazu beitragen soll, sich mit dem Bild auseinanderzusetzen?
Uns haben viele Zuschriften zu dem Thema erreicht, die teilweise schon veröffentlicht wurden. Hier nun noch einmal eine Reihe weiterer Leserbriefe, die die große Bandbreite der Diskussion zeigen.
„Mit Blick auf die bislang recht einseitige Debatte zu den Glasfenstern ist es mir wichtig, den Unterschied zwischen einer stimmungsmachenden Scheindebatte und einer echten Auseinandersetzung mit Fragen (post-)kolonialer Gewalt zu betonen. Kein Kunstwerk wurde beschädigt, keins zensiert. Alle sind eingeladen, die demokratische Debatte mitzugestalten: Wie kann man sich mit einem Werk auseinandersetzen, das nicht nur einen kolonialen Entstehungskontext hat, sondern koloniale Machtasymmetrien und Gewaltverhältnisse idealisiert? Wie lässt es sich an einem Lernort inszenieren? Dass Bilder kaum für sich stehen, wissen alle, die schon einmal in einem Museum waren, denn Ausstellungen sind immer auch kuratiert. Und das macht Sinn, denn auch nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Problem der ‚Rede- und Kunstfreiheit‘, der ‚Zensur‘ sowie auch mit Museen hat es meines Wissens noch nie ein Bild gegeben, das von selbst gesprochen hätte. Welch ein Glück! Denn man stelle sich vor, ein Bild würde ungeachtet neuer Erkenntnisse und unabhängig vom gesellschaftspolitischen Kontext immer wieder dasselbe erzählen. Dann würden wir (weißen Menschen ohne Migrationsgeschichte) noch immer ganz gemütlich bei einer Tasse Kaffee sitzend auf vermeintlich „wundervolle“ Darstellungen jener Menschen blicken, die in Wahrheit unter kolonial-rassistischen Bedingungen für den Wohlstand und die Konsumgüter der Kolonialmächte schuften mussten. Nun ist es aber so, dass der Lernort zu postkolonialer Geschichte an der FernUni einen solchen Blick zu brechen weiß. Indem er uns zur Bewegung auffordert und uns mit den Fenstern interagieren lässt. Gehen wir nah heran, entzieht sich das Bild. Gehen wir weiter weg, kommt es uns scheinbar nah. Was bedeutet das? Wollen wir unseren Blick nicht ‚trüben‘, müssen wir körperlich aktiv werden und unsere (Seh-)Gewohnheiten hinterfragen: Hüfte nach links oder nach rechts und auch den Kopf zur Seite. Unbequem. (Denk-)Bewegung! Es sich angesichts der Ästhetisierung kolonialer Gewaltverhältnisse auch weiterhin bequem zu machen, geht selbstverständlich (leider) noch immer. Nur eben nicht an einem Lernort, denn Bildung ist im Stehen oder gar Sitzen nicht zu haben.“
Jennifer Eickelmann, Juniorprofessorin an der FernUni in Hagen
„Die Fern-Uni verhindert den Fernblick - zugegeben, nur ein Wortspiel! Aber die ‚Begründungen‘ der drei FernUni-Granden im Interview zeigen m. E. erschreckend den total verkopften und ‚zerforschten‘ Erklärungsansatz für dieses wunderschöne Situationsbild, dessen einzige Motivation in einem Auftrag von u.a. Kaffee-Händler Hussel gelegen hat. Völlig ohne jede koloniale Absicht! Leider hängt es offensichtlich in der falschen Institution bzw. im falschen Gebäude.“
Eberhard Gutsche, Hagen
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„Die Artikel und Kommentare, die in der Westfalenpost rund um die derzeitige Präsentation der Slavos-Fenster an der FernUniversität in Hagen zu lesen waren, haben uns sehr geärgert. Sie zeugen von einer geradezu aggressiven Haltung gegenüber den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zu denen wir beide gehören. Das Kaffeepflückerinnen-Glasbild wird in der jetzigen Erscheinung keinesfalls beschädigt – man möge sich vor Ort selbst einen Eindruck verschaffen. Die eigentliche Absicht der satinierten Glasscheibe und einer erläuternden Texttafel wurde bislang wohl bewusst ignoriert: Die beiden (!) Glasbilder von Hans Slavos sind so nämlich zu einem Lernort geworden, passend zu ihrem neuen Standort. Gerade durch die jetzt verfremdete Sicht auf die Buntglasfenster wird dazu eingeladen, über bis heute gängige „exotische“ Vorstellungen nachzudenken oder aber sich über die allzu gern verdrängten Ungerechtigkeiten im Welthandel auszutauschen. Es ist wirklich bedauerlich, dass diese Aspekte völlig ausgeblendet werden und stattdessen schrill von „Denkverboten“ und „Kunstzensur“ die Rede ist. Eine solche Polemik schießt über jedes Maß und Ziel hinaus und ist einem ernsthaften Austausch über drängende Themen abträglich, die in der Stadtgesellschaft gewiss in all ihrer Vielschichtigkeit behandelt werden können. Wir sehen das Slavos-Fenster, das nicht nur ein Kunstwerk, sondern auch ein historisches Objekt ist, als einen möglichen Ausgangspunkt einer Stadtgeschichte, die Themen wie Migration und Rassismuserfahrung einbezieht. In der bisherigen Debatte vermissen wir vor allem zweierlei: Sachlichkeit und Produktivität.“
Dr. Fabian Fechner, Barbara Schneider, Arbeitskreis Hagen postkolonial
„Wenn sich Mitarbeiter der Fernuni über dort installierte Kunstwerke aufregen und ihrer Forderung von der Führung der Fernuniversität unterstützt wird, sollte man doch dort einfache Fenster installieren und die Kunst völlig aus dem Gebäude entfernen. Egal, von welchem Künstler sie sind. Das jetzige Vorgehen ist jedem Künstler gegenüber ein Affront von Kunstbanausen. Dann sollen Sie ohne Kunst leben. Ich finde, jede Art von Kunst wertet auch eine Behörde wie die Fernuniversität auf. Oder wollen die Angestellten der Fernuni inklusive Führungsetage vielleicht ihre eigenen Kunstwerke zur Schau stellen. Viel Lärm um nichts,die Zeit sollte besser in produktive Arbeit investiert werden.“
Dr. Dieter Wolf
„Ich bin den Verantwortlichen der Fernuni Hagen unendlich dankbar dafür, dass sie mich davor beschützen, falls ich einmal durch die Flure der Uni streife, an meiner Seele Schaden zu nehmen und noch mehr dafür, dass sie mir die Anstrengung ersparen, mich selbst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Bild rassistische oder sexistische Aspekte hat. Man kann nur hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht, damit wir es uns weiterhin mühelos und mit reinem Gewissen in unserer politisch korrekten Blase gemütlich machen können.“
Arvid Hilker, Schwelm