Hagen. Der frühere Drogenfahnder Klaus Habschick betreibt auch im Ruhestand weiter Aufklärungsarbeit. Was ihn antreibt und warum er sich verraten fühlt.
Der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und die Drogen wird auch an Orten geführt, die nicht unbedingt danach aussehen: Ein Einfamilienhaus in Hagen, der Rasen dahinter ist akkurat gemäht, die Gartenhütte in gutem Zustand, der Holztisch auf der Terrasse, an dem Klaus Habschick sitzt, trägt eine Schutzfolie. Der 76-Jährige blickt auf eine Karriere als Drogenfahnder bei der Hagener Polizei zurück, ehe er in die Präventionsarbeit wechselte - und nun empört ist wegen der möglichen Cannabis-Legalisierung.
Sonderkommissionen geleitet, Bücher geschrieben, Vorträge gehalten
Der Mann ist auf einer Mission, seit fast 50 Jahren schon, ein halbes Jahrhundert, und setzt diese auch im Ruhestand fort. Er hat Sonderkommissionen geleitet, Bücher geschrieben, mit der Fernuniversität Hagen sein Präventionskonzept evaluiert, Fortbildungen angeboten, an die 1000 Vorträge vor Lehrern, Eltern, Schülern, Politikern, Polizisten, Apothekern und Bundeswehrsoldaten gehalten sowie Dutzende Fachartikel veröffentlicht. Noch heute schreibt er zum Thema.
Unaufhörlich.
Beharrlich.
Verbohrt?
Was treibt einen wie ihn an? Warum sitzt er nicht in seinem Garten und genießt den Ruhestand?
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Habschick, Kriminalhauptkommissar a.D., goldene Ringe am Finger, goldene Uhr am Handgelenk, gezwirbelter Oberlippenbart, kennt das Drogenmilieu, die Sucht-Karrieren und ihre Anfänge. Er sagt Sätze wie: „Die Organisierte Kriminalität ist jeder Demokratie überlegen – sowohl personell, finanziell als auch strukturell. Dagegen haben wir keine Chance.“
Das sei selbst auf kleinster krimineller Ebene - an den Bahnhöfen in Dortmund, Hagen oder Ennepetal - zu sehen. Denn die, die die Gesetzlosen zur Strecke bringen wollten, müssten sich an Gesetze halten. Das sei per se keine Waffengleichheit. „Intensive sachliche Prävention“, sagt Habschick, „scheint mir deswegen die größere Chance, das Drogen-, Sucht- und damit verbundene Kriminalitätsproblem zu reduzieren.“
Legalisierung von Cannabis verträgt sich nicht mit Prävention und Jugendschutz
Diesen Gedanken muss man kennen, um zu verstehen, wie es ihm gerade geht, um zu wissen, wie es aus seiner Sicht um seine Mission bestellt ist. „Die aktuelle Drogenpolitik konterkariert die Prävention, ich fühle mich politisch verraten“, sagt Habschick. Er ist enttäuscht und fassungslos über das, was die Ampel-Koalition in Berlin gemeinsam mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach vorhat: die Legalisierung von Cannabis. „Ich verstehe es nicht. Lauterbach war jahrelang vehementer Gegner der Legalisierung – und jetzt setzt er sich dafür ein?“ Kurzes Durchatmen. „Eins steht fest: Die Legalisierung verträgt sich nicht mit Prävention und Jugendschutz.“
Und das nimmt Habschick persönlich.
Negativbeispiele: Niederlande, Kanada, Portugal
Er kann sich in Rage reden bei dem Thema. „Es ist beängstigend, mit welcher Skrupellosigkeit die aktuellen Politiker nationales und internationales Recht brechen, Warnungen von Pharmakologen und Medizinern missachten und die dramatischen Folgen der Legalisierung in anderen Ländern ignorieren“, sagt Habschick. Er verweist immer wieder auf die Niederlande, auf Portugal, auf Kanada. Weder seien dort Konsumenten entkriminalisiert, noch der Schwarzmarkt eliminiert und Polizei sowie Justiz entlastet worden. Einzig der finanzielle Erfolg der Produzenten, Händler und der Staaten sei mit der Legalisierung gesichert worden.
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Habschick ist „völlig unplausibel“ wieso die Gesellschaft nicht auf die Barrikaden gehe „gegen die aktuellen politischen Machenschaften“ und die zu erwartenden, negativen Folgen. Der Konsum habe in allen Ländern nachweislich erheblich zugenommen, aus Gelegenheitskiffern seien Dauerkiffer geworden und die psychiatrischen Kliniken seien - wegen des Einflusses der Droge auf das zentrale Nervensystem - voll von jenen, die durch Cannabis psychisch krank geworden seien.
Probleme im Verkehr durch mehr Cannabis-Konsumierende?
Es herrsche viel Unwissenheit bei dem Thema. Der Abbauprozess des Wirkstoffs THC verlaufe nicht wie beim Alkohol linear, sondern sehr individuell – und dauere länger. „Jeder, der nur alle 14 Tage Cannabis raucht, führt sein Kraftfahrzeug permanent unter Drogeneinfluss und kann bei Gerichten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gelten“, sagt Habschick. „Würde auch nur einer der Legalisierungsbefürworter, der zum Beispiel Dachdecker ist, einen Cannabis-Konsumenten mit aufs Dach nehmen? Oder als Busunternehmer ihm einen 120.000 Euro teuren Bus samt Reisegruppe anvertrauen?“
Aber der Bundesgesundheitsminister hat Medizin studiert. Und er hat nicht wenige Mitstreiter. Sogar die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen kann zumindest Teilen des Gesetzes etwas Gutes abgewinnen. Habschick ficht all das nicht an. Er sagt, dass er sich jeder Diskussion stelle - und bessere Argumente habe.
In der Reihe der Profiteure des Drogengeschäfts fehlt der Konsument
„Den Ampel-Politikern sei aus jahrzehntelanger persönlicher Erfahrung versichert: Der Jugendschutz, so wie aktuell wieder politisch fantasiert, hat wegen gewinnorientierter Erwachsener noch nie gegriffen, weder bei der Freiwilligen Selbstkontrolle von Gewalt- und Pornofilmen, noch bei Tabak, Alkohol und illegalen Drogen“, sagt Habschick: „In der Reihe der Profiteure des Drogengeschäfts fehlt regelmäßig: der Konsument.“
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Deswegen setzt er seine Aufklärungsarbeit fort, hält auf Anfrage Vorträge in Schulen und vor interessierten Gruppen – und schreibt Texte zum Beispiel für die „Kriminalistik“, der nach eigener Auskunft führenden Zeitschrift in dem Bereich, die ihre Leserschaft bei der Polizei und der Justiz habe sowie auch in der Hochschullandschaft wahrgenommen werde.
Schaden für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands?
„Herr Habschick hat schon öfter bei uns veröffentlicht. Er arbeitet mit viel Engagement und Herzblut an seinen Artikeln. Erst im vergangenen Jahr haben wir einen Artikel von ihm in der ,Kriminalistik‘ veröffentlicht, in dem es um die Legalisierung von Cannabis ging. Er hat zu dem Thema eine sehr pointierte Meinung, die aber von der Wissenschaft gedeckt ist. Wir rechneten wegen der Vehemenz seiner Meinung mit Gegenreaktionen, die aber ausgeblieben sind. Das spricht für ihn und seine Argumentation“, sagt Prof. Dr. Sigmund P. Martin als Mitglied der Chefredaktion.
Habschick sagt, dass er derzeit wieder „an einer umfangreichen Publikation zur Frage, ob die aktuelle klientelorientierte Drogenpolitik der Ampelregierung nicht einen Schaden für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands darstellt“ arbeite. Zeit, die er auch im Garten verbringen könnte, mit seiner Frau Hanna zum Beispiel. Aber sie und die drei Söhne kennen ihn nur so: beseelt von seiner Aufgabe. „Es ist seine Lebensaufgabe geworden“, sagt sie. Er nickt dazu. „Wenn ich nur einen daran hindere, süchtig zu werden, dann hat sich alles gelohnt.“