Hochsauerlandkreis/Brilon. Wird Kiffen nun doch nicht legalisiert? Das Bundesverfassungsgericht ist gegen den Plan der Ampelkoalition. Was sagt eine Sucht-Expertin dazu?
Das Verbot von Cannabis bleibt bestehen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht in einem aktuellen Beschluss keinen Anlass, seine Rechtsprechung in Sachen Cannabis aus den 90er Jahren zu ändern. Dabei ist es doch ein Vorhaben der Ampelkoalition, Kiffen zu legalisieren. Das sagt die Sucht-Expertin Sabine Becker der Caritas Brilon dazu.
Die Bundesregierung hat vor Kurzem einen Plan zur Entkriminalisierung von Cannabis vorgelegt. Wie beurteilen Sie in der Suchtberatung die Pläne?
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Kinder und Jugendliche schützen
Wir sehen die Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis eher kritisch. Es muss sich um eine wirkungsvolle Prävention und um ausreichende Behandlungsmöglichkeiten für Suchterkrankungen gekümmert werden. Bei der Legalisierung des Cannabiskonsums bei Erwachsenen darf der effektive Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht vergessen werden.
Haben Sie häufig mit Marihuana-Suchterkrankten zu tun?
Gespräche mit Konsumenten von Cannabis finden in unserer Suchtberatungsstelle regelmäßig statt. Aber dies bedeutet nicht, dass alle Personen auch direkt eine Abhängigkeit entwickelt haben und die Kriterien von Suchtmittelabhängigkeit erfüllen. Im letzten Jahr haben wir 82 Klienten beraten, die ausschließlich wegen des Cannabiskonsums Gespräche bei uns wahrgenommen haben. Die Anzahl der Beratungsgespräche sind immer individuell. Es waren 59 männliche und 23 weibliche Klienten. Allerdings suchen auch Menschen Kontakt zu uns, die neben Alkohol oder Amphetamine auch zusätzlich Cannabis konsumieren.
Welche Schritte bringen einen weg vom schädlichen Konsum?
Der erste Schritt ist auf jeden Fall, dass man selbst über den eigenen Konsum nachdenkt. Abstand zur Droge und daher auch Abstand zur „Szene“ ist sehr ratsam. Mit Freunden, Familie oder auch uns als Beratungsstelle offen über den Konsum sprechen. Wir als Berater bieten anonyme Beratung an und wir unterliegen der Schweigepflicht.
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Handelt es sich bei Marihuana Ihrer Meinung nach um eine Einstiegsdroge? Sind Alkohol und Nikotin Einstiegsdrogen?
Ich würde Cannabis nicht als Einstiegsdroge sehen. Die meisten Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, haben schon Erfahrungen mit Nikotin oder Alkohol gemacht. Der Unterschied beim Erwerb von Cannabis ist einfach der, dass der „Dealer“ oft auch andere Drogen beschaffen könnte. Daher könnte man Cannabis gegebenenfalls als Einstieg in die illegale Drogenszene bezeichnen.
Wie funktioniert der Jugendschutz beim Thema Cannabis derzeit?
Die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige ist eine Straftat und wird von den Strafverfolgungsbehörden entsprechend verfolgt. Dennoch gelangen Jugendliche an Cannabis sowie an hochprozentigen Alkohol. Es ist aus unserer Sicht nicht einfach, den Jugendschutz zu gewährleisten und auch zu kontrollieren. Wir als Beratungsstelle werden von Seiten der Schulen, der Jugendhilfe, der Jugendgerichtshilfe, der Gerichte oder des Jugendamtes als Unterstützung und als präventive Maßnahme teilweise mit ins Boot geholt, wenn Jugendliche mit Cannabis aufgefallen sind. Dies kann der eigene Konsum, aber auch die Weitergabe von Cannabis sein. Als Auflagen werden diese Jugendlichen teilweise zu uns geschickt, damit sie uns als Anlaufstelle kennenlernen und wir mit ihnen Gespräche führen. In diesen sprechen wir mit den Jugendlichen über den Konsum, die Funktion des Suchtmittels und die Gefahren von Drogen. Wir möchten einen Zugang zu den jungen Menschen bekommen und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger agieren, sondern mit den Kids über ihre Konsummotive, ihre möglichen Probleme und Sorgen ins Gespräch kommen.
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Eine Prognose
Würde die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung Jugendschutz und Prävention vereinfachen oder eher nicht?
Die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung würde meiner Meinung nach für Jugendliche nicht viel verändern. Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis sollen für Minderjährige weiterhin verboten bleiben. Der Bereich der Prävention müsste ausgebaut werden, dies ist bisher noch nicht geschehen. Jugendliche, die Cannabis konsumieren, werden die Droge weiterhin über einen „Dealer“ erwerben. Die Gefahr, dass Cannabis weiterhin über den Schwarzmarkt erworben wird, ist sehr hoch. Diese Cannabisprodukte werden nicht kontrolliert, sind meistens sehr hochpotent (sehr hoher THC-Gehalt), die für Jugendliche daher noch ein größeres Risiko darstellen und die Beimengungen von Streckmitteln sind nicht ausgeschlossen. Es wird kaum kontrolliert werden können, welche Cannabisprodukte auf dem Schwarzmarkt oder in den möglichen Cannabis-Clubs erworben wurden. Dieser legale Erwerb wäre ja auch nur für Erwachsene ab 18 Jahren möglich. Daher ist Aufklärung so wichtig! Wo ist der Unterschied zwischen „Straßencannabis“ und Cannabisprodukten aus den möglichen offiziellen Shops.
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Wie verbreitet ist der Marihuana-Konsum im HSK - im Gegensatz zu anderen Regionen?
Wenn man diese Fragen jungen Erwachsenen stellt, die sich in der Szene aufhalten, höre ich oft: „ALLE Jugendlichen in Brilon, Olsberg, Marsberg usw. konsumieren doch.“ Dies hängt natürlich immer mit der eigenen Betrachtung des Jugendlichen und deren Lebenssituation zusammen. Es ist schon auch wichtig aufzuzeigen, dass es viele Menschen gibt, die keine Drogen konsumieren! Fakt ist dennoch, es gibt Drogen im HSK und nur ein sehr geringer Teil von Konsumenten sucht sich Hilfe und finden den Weg frühzeitig in das Hilfesystem.
Welche anderen Drogen werden hier im Hochsauerlandkreis konsumiert?
Die meisten Beratungen sind mit Konsumenten von Alkohol, gefolgt von Amphetamine und Ecstasy. Opioide und Kokain werden ebenfalls konsumiert. Es findet häufig auch ein Mischkonsum statt. Eine Droge wird eingesetzt, um lange wach zu bleiben, wenn man dann aber doch schlafen will raucht man Cannabis. Dieser Mischkonsum belastet die Psyche und den Körper doppelt so stark.
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Welche Fragen hinsichtlich der geplanten Legalisierung sind aus Ihrer Sicht weiterhin offen?
Das Thema „Fahrtüchtigkeit“ – welche Richtwerte im Urin oder Blut wird es geben. Wie sieht es beim Konsum von THC aus, ist das Fahren eines Autos noch rechtlich möglich? Wird es Grenzwerte wie beim Alkohol geben? In dem Eckpapier steht: „Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.“ Natürlich ist da eine wichtige Frage, wie solche Programme vom Land finanziert werden sollen. Werden zusätzliche Stellen geschaffen?