Schmallenberg. Land der 1000 Berge? Mit Lippstadt, Lippetal und Welver werden drei Flachland-Kommunen Teil des Sauerland-Tourismus. Verwässert da etwas?

Land der tausend Berge – das ist das Synonym für das Sauerland. Doch jetzt könnte man sagen: Das Flachland hält Einzug. Denn die Kommunen Lippstadt, Lippetal, Welver und Wickede (Ruhr) sind neue Mitglieder von Sauerland Tourismus geworden. Wie kann das sein? Jürgen Fischbach, Geschäftsführer von Sauerland-Tourismus zu den Hintergründen.

Haben wir da etwas verpasst? Ist das Sauerland gewachsen?

Fischbach: Nun ja, der Kreis Soest ist ja von Beginn an schon dabei, als im Jahr 2004 der Sauerland-Tourismus gegründet wurde. Insofern ist es gar nicht so verwunderlich, dass jetzt auch vier weitere einzelne Kommunen aus dem Kreis Soest dem Sauerland-Tourismus beigetreten sind.

Jürgen Fischbach ist der Geschäftsführer von Sauerland Tourismus.
Jürgen Fischbach ist der Geschäftsführer von Sauerland Tourismus. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Aber trotzdem: Beim Sauerland denkt man an das Land der 1000 Berge. Lippstadt, Lippetal, Welver und Wickede haben viel, aber – mit Ausnahme Wickede – keine Berge. Passt das trotzdem?

Ja, aus meiner Sicht passt das sogar sehr, sehr gut. In den Anfangsjahren von Sauerland-Tourismus waren wir sicherlich sehr mit dem Sauerland-Kernthema Wandern beschäftigt. Das hat sich aber sehr weiterentwickelt. Zum Beispiel im Bereich Gesundheit bringt der Kreis Soest mit dem Bäderdreieck aus Bad Sassendorf, Bad Westernkotten und Bad Waldliesborn eine hohe Produktqualität mit – und zum Beispiel Bad Sassendorf auch wertvolle Innovationen. Und das Thema Tagestourismus wird immer stärker. Da haben Lippstadt und Soest mit ihren Innenstädten auch einiges zu bieten. Und ganz wichtig: Das Thema Radfahren und hier speziell das Touren-Radfahren wird immer wichtiger, da haben wir Potenzial.

Radfahren kann man auch im Kern-Sauerland. Oder nicht?

Natürlich. Sogar sehr gut. Im Bereich Mountainbike, aber auch natürlich mit dem Ruhrtalradweg und vielen anderen Radwegen hat sich das Sauerland hier sehr stark entwickelt. Der Kreis Soest und damit auch Lippstadt, Welver und Lippetal bringen aber durch ihre flachere Topographie eine Stärke bei Tourenfahrten mit. Die Römer-Lippe-Route führt zum Beispiel durch das Gebiet. Der Kreis Soest ist in diesem Jahr bei der Internationalen Tourismus-Messe in Berlin als Radreise-Region zertifiziert worden. Das ist schon stark. Davon können wir profitieren.

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Fürchten Sie keinen Kannibalismus-Effekt? Kämpft das Sauerland nicht um die gleichen Gäste wie die neuen Mitgliedsstädte im Kreis Soest?

Nein, wir sind fast davon überzeugt, dass sich die Teilregionen nicht ins Gehege kommen. Ganz im Gegenteil. Wir haben in unserer Strategie 2019+ definiert, dass wir noch Potenziale haben, die wir besser nutzen könnten. Diese Differenzierung hilft uns dabei, unser Potenzial auch tatsächlich zu heben.

Der Hennesee im Sauerland in einer besonderen Perspektive: Im Kern-Sauerland sind es vor allem die Berge und Seen, die ziehen.
Der Hennesee im Sauerland in einer besonderen Perspektive: Im Kern-Sauerland sind es vor allem die Berge und Seen, die ziehen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Besteht nicht trotzdem die Gefahr, dass die Marke Sauerland, die in den vergangenen Jahren so stark geworden ist, verwässert?

Nein, da verwässert gar nichts. Man muss sich nur einmal vor Augen halten, wer unsere Gäste sind. 70 Prozent der Gäste kommen aus NRW, 20 Prozent aus den Niederlanden und Belgien. Da ist die Marke Sauerland sehr verankert, und Gäste haben eine große Produktkenntnis – da steht das Warum sogar noch vor dem Wohin. Zudem ist das Sauerland ein sehr starker Binnenmarkt mit über einer Million begeisterten Markenbotschaftern. Mit den Schritten, die wir jetzt gehen wollen, versuchen wir unser Gästepotenzial zudem deutschlandweit zu erweitern.

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Gab es intern Diskussionen, ob man die „Flachland-Städte“ aufnehmen soll?

Zumindest ist die Erwartungshaltung hoch. Zum einen bei den Neumitgliedern, zum anderen aber auch im Kern-Sauerland. Die einen erwarten, dass wir jetzt wirklich liefern und die Region oberhalb des Haarstrangs touristisch weiter nach vorne bringen. Und die anderen erwarten, dass wir sie nicht vernachlässigen. Aber das schaffen wir.

Und wie weit soll das Sauerland perspektivisch noch wachsen? Auch bis ins Ruhrgebiet? Oder nach Paderborn?

Nein, wir werden uns nicht ausdehnen über den Bereich der Gründungs-Kreise hinaus. Also Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Kreis Olpe, Kreis Soest und in Hessen Landkreis Waldeck-Frankenberg. Außer Werl und Erwitte sind nun auch alle Kommunen des Kreises Soest Mitglied bei Sauerland-Tourismus.

>> INFO: Mit Siegen-Wittgenstein eng verbunden

  • Bei den anderen Sauerland-Kreisen sind alle Kommunen schon Mitglied bei Sauerland-Tourismus. Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist nicht Mitglied, aber inhaltlich gibt es Verbindungen über touristische Produkte wie den Rothaarsteig, die Wintersportarena und den Naturpark Sauerland-Rothaargebirge. „Praktisch arbeiten wir in verschiedenen Förderprojekten als Verbundpartner eng und gut zusammen“, so Jürgen Fischbach. „Vermarktet werden beide Destinationen aber weiterhin separat.“
  • In Lippstadt freut man sich über die neue Verbindung mit dem Sauerland-Tourismus. „Wir werden nicht nur von dem Wissens- und Erfahrungsaustausch profitieren, sondern vor allem ganz konkret durch die Beteiligung an Marketingkampagnen und Projekten, wie zum Beispiel zum Datenmanagement“, bekräftigt Ulrike Sindermann, Leiterin des Geschäftsbereichs Tourismus bei der KWL Kultur und Werbung Lippstadt GmbH (KWL). Bisher war Lippstadt über den Kreis Soest indirektes Mitglied im Sauerland-Tourismus e.V. und konnte die Leistungen der touristischen Dachorganisation nur eingeschränkt nutzen.