Lüdenscheid. Am 7. Mai soll die marode Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid gesprengt werden. Nun gibt es Befürchtungen, dass Wanderfalken dort Eier legen könnten.

Könnte ein Wanderfalken-Pärchen die Sprengung der Rahmedetalbrücke am 7. Mai in Lüdenscheid platzen lassen? Diese Befürchtung macht seit einigen Tagen die Runde im Märkischen Kreis, zuletzt wieder bei einem Treffen der Wirtschaftsinitiative Nordkreis.

Um die Antwort vorwegzunehmen: Nein, könnte es nicht.

Tatsache ist: Brückenbauwerke sind herrliche Biotope für Wanderfalken; ihre Nester sind dort relativ sicher vor natürlichen Feinden, und die Eltern behalten in luftiger Höhe die Übersicht. Auch an der A-45-Talbrücke Rahmede sind Wanderfalken gesichtet worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, sagt der Märkische Kreis, dass die Vögel dort Eier abgelegt haben. Das sei am 20. März festgestellt worden. Fotos oder andere Beweise gibt es nicht: Das Nest nicht einsehbar. Schlüpfen könnten die Tiere in der Zeit von Anfang bis Mitte April.

In enger Abstimmung zwischen Unterer Naturschutzbehörde und Fachornithologen sei daher entschieden worden, die „eigentlich vorgesehenen Maßnahmen zur Vergrämung einzustellen und einen eventuellen Bruterfolg abzuwarten“.

Wanderfalken-Kühen sollen umgesiedelt werden

Der Wanderfalke gehört hierzulande zu den besonders geschützten Vogelarten. Es ist verboten, ihn zu töten. Sollten die Küken in Lüdenscheid vor dem 7. Mai das Licht der Welt erblicken, werden Vogelexperten und Autobahn GmbH sie fachmännisch umsiedeln. „Die Wanderfalken werden die Sprengung der Brücke am 7. Mai nicht verzögern“, sagte Alfred Raab, Experte beim Naturschutzbund Siegen-Wittgenstein, dieser Zeitung. Er beobachtet die Situation der Vögel an der Talbrücke seit ihrer Sperrung sehr intensiv.

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„Eine Ausnahme vom Tötungsverbot wird es nicht geben. Kein Tier soll getötet werden. Allenfalls könnte es eine Ausnahme vom Verbot, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu fangen, geben“, teilte der Märkische Kreis auf Anfrage dieser Zeitung mit. Die Autobahn GmbH könne ihre Arbeiten im Rahmen der ihr bekannten Auflagen also ungehindert fortsetzen.

Für die umzusiedelnden Jungvögel würden geeignete Ersatznester gesucht, die Tiere gefangen und anschließend dort hingebracht, so der Kreis weiter. „Die Jungen werden im Rahmen der Umsiedlung zu den ,Adoptiveltern’ gebracht. Somit sind die Nahrungsaufnahme und später die ,Flugstunden’ gesichert.“

Kein Sonderzug zur A 45 nach Berlin

Indes will die Region weiter Druck machen für einen schnellen Bau der neuen Brücke: Sogar die Idee eines „Sonderzugs nach Berlin“ stand im Raum: Am 19. April wollte Südwestfalen bei einem Parlamentarischen Abend in der Hauptstadt auf die schwierige Situation der Region nach der Sperrung der maroden A-45-Brücke hinweisen. Zudem sollten dort konstruktive Vorschläge diskutiert werden, mit denen die Durststrecke bis zur Fertigstellung des neuen Bauwerks überbrückt werden könnte.

Zahlreiche Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen hatten bei einer internen Abfrage Interesse an einer Teilnahme am „Brückenpakt“ bekundet. Das bewerteten die Organisatoren der Lenkungsgruppe Südwestfalen als Beweis für die Geschlossenheit der Region. Sogar Hendrik Wüst, Ministerpräsident von NRW, wollte zum Parlamentarischen Abend kommen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und weitere angefragte Bundesminister haben allerdings keine Zeit, was auch auf den relativ kurzfristig angesetzten Termin zurückgeführt werden kann. Und deswegen fällt die Aktion jetzt erst einmal aus.

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Die Südwestfalen-Agentur, die das gemeinsame Vorgehen der Region zur A 45 über die Lenkungsgruppe koordiniert, will nun prüfen, ob am 7. Mai oder zu einem späteren Zeitpunkt die Lage der Region thematisiert und für die Anliegen des Brückenpakt A 45 genutzt werden kann. Volker Wissing hat für sein Kommen am Tag der Sprengung ja bereits zugesagt. Ob Ministerpräsident Wüst dann auch nach Lüdenscheid fahren wird, steht nach Angaben der Staatskanzlei noch nicht fest. Mit seiner Teilnahme am 19. April habe er jedenfalls sein Interesse an der Situation in Südwestfalen zum Ausdruck bringen wollen, heißt es aus seinem Umfeld

>> HINTERGRUND: Opposition setzt Untersuchungsausschuss durch

  • Der NRW-Landtag hat einen Untersuchungsausschuss zur Vollsperrung der maroden A-45-Talbrücke Rahmede eingesetzt. Für den Antrag der Oppositionsfraktionen SPD und FDP stimmte auch die AfD. Die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen enthielten sich.
  • Der Ausschuss „Brückendesaster und Infrastrukturstau“ soll sich auch insgesamt mit der NRW-Brückeninfrastruktur befassen und mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung und der Ministerien aufarbeiten. Konkret geht es der Opposition um die Rolle des früheren Verkehrsministers und heutigen Regierungschefs Wüst.
  • Zum Streit kam es über den Untersuchungszeitraum des U-Ausschusses. Dieser beginnt laut Antrag von SPD und FDP im Sommer 2017 mit dem Amtsantritt des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet und dessen Kabinett, in dem Wüst Verkehrsminister wurde.
  • CDU und Grüne machten geltend, dass die Schäden an der Rahmede-Brücke bereits aus früheren Jahren datierten und forderten in einem Änderungsantrag, den Untersuchungszeitraum im Jahr 2011 beginnen zu lassen. Sie scheiterten mit ihrem Antrag, weil sie dafür auch die Stimmen von SPD und FDP gebraucht hätten. dpa