Lüdenscheid. Der Streit um die Umleitung des Schwerlastverkehrs in der Region Lüdenscheid droht zu eskalieren. Gibt es einen Alleingang?
Kurz nach der mit großer Erleichterung aufgenommenen Bekanntgabe des Sprengtermins für die Rahmedetalbrücke geraten die alltäglichen A-45-Probleme wieder in den Blickpunkt. Der Streit über ein Durchfahrtsverbot für den Lkw-Transitverkehr in Lüdenscheid droht zu eskalieren. Neue Zahlen aus dem Bundesverkehrsministerium verdeutlichen die Belastung.
Der Lüdenscheider Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (SPD) kündigte eine „regionale Lösung“ noch im März an. Demnach wollen Lüdenscheid und die Nachbarkommunen eine Gefahrenlage nach Paragraph 45 der Straßenverkehrsordnung erklären, um so die Sperrung für den Lkw-Transitverkehr rechtlich zu untermauern. Dieser soll dann großräumig über die Autobahnen umgeleitet werden. Das hatte Wagemeyer bereits in einem Appell mit anderen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern gefordert.
Allerdings ist für die Nachbarkommunen der Märkische Kreis zuständig. Dort warnt man vor Klagen der Wirtschaft, die fürchtet, dass nach einem Durchfahrtsverbot Unternehmen in der Region nicht mehr beliefert werden können oder an der Auslieferung ihrer eigenen Waren gehindert werden.
Komplizierte Rechtslage
Wagemeyer kündigte jetzt indirekt einen Alleingang an. „Ich möchte allen Beteiligten hiermit ausdrücklich die Hand reichen und um Hilfe bitten“, sagte er. „Sollten wir keine gemeinsame Lösung, keine große Lösung hinbekommen, werden wir alternativ die lokale Lösung ernsthaft in Erwägung ziehen. Das heißt: Wir würden den überregionalen Lkw-Transitverkehr auf der A-45-Bedarfsumleitung durch Lüdenscheid verbieten.“ Dass sich der Lkw-Verkehr dann durch andere Kommunen wälzen würde, räumte er ein. Eine Klage aus eben einer solchen Nachbargemeinde wäre in der Folge nicht ausgeschlossen.
Der rechtliche Hintergrund ist – wie so häufig – kompliziert. Denn der Lkw-Verkehr darf auf einer Bedarfsumleitung nicht ohne Weiteres einfach ausgesperrt werden. Liegen Lade- und Zielort der Fahrzeuge bis zu 75 Kilometer Luftlinie auseinander, handelt es sich um regionalen Verkehr, der eine gesperrte Straße des Durchgangsverkehrs befahren darf. Erst ab 75 Kilometer greift die Regel für den Transitverkehr; er darf die gesperrte Straße nicht befahren. Kontrollieren muss das die Polizei.
Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Florian Müller zeigt nun auf, um welche Lkw-Massen es geht. Eine Analyse des Bundesverkehrsministeriums habe ergeben, dass an einem Werktag durchschnittlich etwa 7500 mautpflichtige Lkw die A-45-Umleitungen im Raum Lüdenscheid befahren. Darunter seien allerdings nur 650, die dem Transitverkehr zuzuordnen seien. Alle anderen hätten die Region als Start oder Ziel oder fielen unter die 75-Kilometer-Regelung. Damit steht fest: Lkw-freie Umleitungen sind nach derzeitiger Rechtslage unmöglich.
Reduzierung um 650 Lkw
„Die Reduzierung um 650 Lkw am Tag ist für die Region ein erster Schritt. Zur wesentlichen Entlastung der Region brauchen wir aber ein vom Bundesverkehrsministerium mit der Wirtschaft abgestimmtes Konzept, um die Zahl der Lkw weiter wirksam zu reduzieren“, sagte Müller.
Er hat beim Verkehrsministerium auch angefragt, ob sich die Behörde vorstellen könne, über eine Veränderung der Mautgebühren einen wirtschaftlichen Anreiz für die Speditionsbranche zu setzen, damit sie großräumig Umleitungen über Autobahnen nutzt. Kann sie nicht. Begründung: nicht umsetzbar. „Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht bereit, bei der Maut über den Tellerrand zu schauen“, kritisiert Müller. „Durch wirtschaftliche Anreize könnte die Umfahrung der Region für die Spediteure deutlich interessanter werden. Hier versteckt sich der Bund hinter Vorgaben, die er selbst ändern kann.“
Verspäteter Karnevalsscherz?
Und am Ende bleibt ihm nur Sarkasmus. Denn auf seine Frage, mit welchen Projekten des Konzeptes „Südwestfalen startet durch“ das Ministerium der Krisenregion aus der Patsche helfen wolle, listet Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) unter anderem das Deutschlandticket auf. Müller: „Die Bundesregierung hat sich bislang nicht mit den Strukturkonzepten der Region beschäftigt. Das 49-Euro-Ticket als Hilfe für die Region muss ein verspäteter Karnevalsscherz sein.“
Vielleicht kann zumindest beim Thema Lkw-Verbot der Landtag einen neuen Anstoß geben. Er soll sich auf Antrag der SPD mit der Materie beschäftigen und mit dem Bund in Kontakt treten, um Rechtssicherheit zu schaffen. Die bisherige Möglichkeit einer Sperrung der Bedarfsumleitung für den Schwerlast-Transitverkehr sei „ein vergiftetes Geschenk gewesen, das nur zu einer Umverteilung des Verkehrs innerhalb der Region führen würde, aber keine tatsächliche Verbesserung mit sich bringt“, sagte der Abgeordnete Gordan Dudas. Der überregionale Schwerlastverkehr müsse rechtssicher über A1, A3 und A4 umgeleitet werden.
Ja, rechtssicher. Am Ende werden wohl Gerichte entscheiden.