Lüdenscheid. Der Termin für die Sprengung der A45-Talbrücke Rahmede steht fest. Mit mehreren Monaten Verspätung soll das Bauwerk fallen. Was Betroffene sagen.
Lange, lange hat es gedauert, doch nun steht der Termin endlich fest: Die Talbrücke Rahmede an der Autobahn 45 bei Lüdenscheid wird am Sonntag, 7. Mai., gesprengt. Das hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing am Dienstag mitgeteilt. „Das ist eine gute Nachricht für die Region“, sagte Wissing. Der ursprüngliche Sprengtermin sei aufgrund der technischen Voraussetzungen nicht möglich gewesen. „Die Realisierung einer Neubaubrücke wird zügig vorangehen“, sagte der FDP-Politiker. Der verschobene Sprengtermin selbst habe keine Auswirkung auf die gesamte Bauzeit. Es sei derzeit allerdings unmöglich, einen Termin für die Fertigstellung der Brücke zu nennen.
453 Tage nach der Sperrung des einsturzgefährdeten Bauwerks im Dezember 2021 ist nun also klar, wann der herbeigesehnte Meilenstein in diesem Infrastrukturdesaster im Sauerland gesetzt werden kann. Seit Wochen und Monaten warteten die Anwohner, Bürger und Pendler sowie die unter der Sperrung leidende Wirtschaft Westfalens auf die Verkündung des Termins.
„Endlich einmal etwas Konkretes“, reagierte Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK), auf die Nachricht. Die Wirtschaft sei froh, überhaupt einmal einen Termin zu hören. „Das ist immerhin gut, auch wenn wir uns einen Gesamtzeitplan für den Brückenneubau wünschen würden“, erklärte Stoffels, der nach wie vor fünf Jahre minus „X“ als realistisches Ziel für den Brückenneubau nennt. Schließlich sei die Situation für Anwohner wie Firmen „eine absolute Zumutung“.
Ähnlich zurückhaltend äußerte sich auch Thomas Körnich. „Wir sind froh, dass wir endlich einen Termin haben. Aber das löst keine Glücksgefühle aus. Als Erfolg sehe ich es nicht. Ein Erfolg wäre gewesen, wenn die alte Brücke jetzt schon weggeräumt wäre“, sagte der Vertreter der Bürgerinitiative A 45 Lüdenscheid und ergänzte: „Der Sprengtermin ist nun da. Inwieweit das den Neubau der Brücke verzögert, steht auf einem anderen Blatt. Uns wurde immer gesagt, die Verzögerung bei der Sprengung hat keinen Einfluss auf den Neubau der Brücke. Das sehen wir anders.“
Da sich die ursprünglich bis Mitte Dezember vorgesehene Sprengung der Brücke um etwa ein halbes Jahr verschiebt, rechnet Körnich nun auch beim Neubau der Brücke mit einer Verzögerung von sechs Monaten. „Wir haben nicht die Hoffnung, dass da in irgendeiner Form eine Beschleunigung eintritt“, sagt er, dessen Vertrauen in die Politik in den vergangenen Monaten stark gelitten hat. „Es wurde schon viel versprochen, bisher ist aber nichts passiert. Deshalb sind wir sehr vorsichtig“, so Körnich, der von der Brückensperrung direkt betroffen ist, da sein Haus an der Bedarfsumleitung in Lüdenscheid steht.
Die Sprengung der Brücke gilt als wichtiges Symbol für den Fortschritt des gesamten Neubauprojekts. Bundesweit steht die Sauerlandlinie sinnbildlich für den schleppenden Neubau der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Eigentlich sollte die Brücke bis spätestens zum 18. Dezember des vergangenen Jahres gesprengt sein. So hatte es Minister Wissing (FDP) bereits im Juni 2022 angekündigt. Voreilig, wie sich herausstellte. Diese Planung erwies sich als zu optimistisch, da es beim Ausschreibungsverfahren des Sprengauftrags zu Schwierigkeiten kam und zudem die Verhandlungen mit den Grundstücksbesitzern an der Brücke länger dauerten als geplant. Frühjahr 2023 wurde dann avisiert – dieser Termin kann nun so gerade gehalten werden.
Umfangreiche Arbeiten unter der Brücke sind in den vergangenen Monaten vorgenommen worden: 40.000 Quadratmeter Wald mussten zunächst entlang der Brücke gerodet werden. Insgesamt 140.000 Tonnen Material wurden bewegt, um das steile, fast alpine Gelände unter der Brücke so zu modellieren, dass es als ebenes Fallbett taugt. Denn die Brücke wird – wie beispielsweise die Talbrücke Ronsdorf bei Siegen – vertikal zu Boden gebracht. Heißt: Die Pfeiler knicken weg und der Überbau landet gerade auf dem Boden.
Ein Galvanikbetrieb und ein Privathaus, die sich wenige Meter seitlich der Brücke befinden, werden durch 60 mit Sand gefüllte Seecontainer vor umherfliegenden Teilen geschützt. Die darunter liegende Hauptstraße (Altenaer Straße) wird für den Zeitraum der Sprengung und die Aufräumarbeiten gesperrt. Dies dürfte einige Wochen in Anspruch nehmen.
Zuletzt hatte es auch bei den Vorbereitungen Verzögerungen gegeben. Der Dauerregen zu Beginn des Jahres machte es den Maschinen schwer, sich auf dem seifigen Boden zu bewegen und den nötigen Fangzaun im Boden zu verankern. Zudem stellten die Autobahn GmbH fest, dass die Brückenpfeiler nicht so aufgebaut worden waren, wie es die Baupläne aussagten. „Das ganze Sprengkonzept musste überarbeitet werden“, sagte Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen, Mitte Februar im Verkehrsausschuss in Düsseldorf: „Das kostet alles Zeit.“
Die Ende der 60er Jahre gebaute und für etwa 25.000 Fahrzeuge täglich konzipierte Brücke war unter der Last des wachsenden Verkehrsaufkommens mit mehr als 60.000 Fahrzeugen am Tag marode geworden. Bei zurückliegenden Brückenprüfungen hatte sie die Note 3,0 erhalten, was nicht ausreichend bedeutet. Dennoch war sie nicht als Problemfall erkannt worden. Die Sperrung seit dem 2. Dezember 2021 beschert den Unternehmen und Pendlern einen wirtschaftlichen Schaden von täglicher einer Million Euro, wie eine Analyse im Auftrag der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen aufzeigte.