Lüdenscheid. Nur wenige Kilometer von der gesperrten A-45-Rahmedetalbrücke will die Bahn zeigen, wie schnell sie bauen kann. Warum das Hoffnung macht.
Tobias Hauschild betont die Worte ganz ausdrücklich, noch bevor er seine eigentlich Botschaft verkündet: „Wir haben einen ambitionierten Zeitplan, aber der hat auch Risiken“, sagt der für den Großraum Hagen zuständige Netzleiter der Deutschen Bahn. „Ich sage das, weil sich später ja viele nicht mehr an so etwas erinnern wollen.“ Seine Botschaft lässt aber trotz der Risiken aufhorchen: In einem Jahr soll die komplett neue Bahn-Brücke über den Fluss Volme im Lüdenscheider Stadtteil Brügge fertig sein.
Pünktlich zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 sollen dann wieder Züge Richtung Dortmund/Hagen, Richtung Köln und Richtung Lüdenscheid über diese Brücke fahren. Bis zu 70 täglich – und damit den jetzigen Zustand beenden, an dem Busse sich als Schienenersatzverkehr täglich durch den Stau quälen. Erstaunlich ist der Zeitplan, weil die Bahn selbst sagt, dass sie für eine Brücke dieser Größe normalerweise drei bis fünf Jahre für Planung und Bau bräuchte.
Besonderes Interesse weckt das Ganze, weil die Brücke nur einige Kilometer weit weg von jener Brücke steht, die deutschlandweit für Schlagzeilen sorgt: die marode Autobahnbrücke Rahmedetal, die gesprengt und neu gebaut werden muss. Und für die immer wieder gefordert wird, dass man Planung und Bau radikal beschleunigen müsse.
Drei Schläge für das Volmetal in den letzten beiden Jahren
Die verkehrliche Bedeutung der Rahmedetalbrücke hat die Bahnbrücke in Lüdenscheid-Brügge bei weitem nicht. Zwei Regionalbahnen, die RB 25 und die 52, fahren hier eingleisig, nicht elektrifiziert und verbinden den Märkischen Kreis mit Ruhrgebiet und Rheinland. Güterverkehr gibt es nicht viel. Aber man muss in das Volmetal schauen, um zu sehen, wie viel Symbolkraft die Brücke entwickelt hat.
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Rückblick: Das Volmetal, das sich von Meinerzhagen bis Hagen zieht, wird gleich dreimal hart getroffen. Zunächst durch die Jahrhundertflut im Juli 2021. In dem engen Tal, das wie eine Mischung aus Sauerland und Ruhrgebiet erscheint, in dem Fabriken und Wohnhäuser ganz nah der Bundesstraße liegen, werden viele Gebäude, Brücken und die Bahnstrecke zerstört. Von Dortmund aus fahren Züge auch heute nur noch bis Hagen-Rummenohl. Nicht einmal ein halbes Jahr später, am 2. Dezember 2021, der zweite Schock: Die Rahmedetalbrücke wird gesperrt – und damit schieben sich Massen von Lkw als Umleitungsverkehr durch das Volmetal. Und wiederum ein halbes Jahr später, im Juli 2022, wird die Bahnbrücke in Brügge gesperrt. Eine Spätfolge der Flut. Ein Strömungsabweiser war so beschädigt worden, dass er den Mittelpfeiler der 1885 erbauten Brücke nicht mehr ausreichend geschützt hatte.
Vor diesem Hintergrund wirkt der angekündigte schnelle Bau der Bahnbrücke wie ein Hoffnungsschimmer, auch wenn er die Verkehrsprobleme bei weitem nicht lösen wird. Eigentlich , so Tobias Hauschild von der Bahn, habe man die Variante gar nicht favorisiert. Zu lang erschienen Planungs- und Genehmigungsdauer: „Aber jetzt haben wir mit den Behörden geklärt, dass wir das vereinfachte Recht anwenden können, weil es sich eins zu eins um einen Ersatzbau zur Beseitigung der Flutfolgen handelt.“
Ungewöhnlich kurze Bauzeit
Bis Ende März/Anfang April will die Bahn den Auftrag vergeben haben, dann wird über den Sommer weiter im Detail geplant. Die eigentliche Bauphase ist dann für Laien erstaunlich kurz: Im September, Oktober und November soll die 137 Jahre alte Brücke abgerissen und sollen die neuen Widerlager gebaut werden. Auf die kommen dann Stahlbetonfertigbauteile, die es ermöglichen, dass auf den Mittelpfeiler in der Volme verzichtet werden kann und der ganze Bau hochwassersicherer wird. Ein hoher einstelliger Millionenbetrag soll investiert werden. Das Verfahren ist in der speziellen Form für die Bahn neu. Und es soll Zeit sparen.
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Vergleiche mit der Rahemdetalbrücke will man bei der Bahn nicht ziehen: Mit 26 Metern sei die Bahn in Brügge ja viel kleiner als die viermal so lange und viel, viel höhere und breitere A-45-Brücke. Aber bei dem ambitionierten Neubau ist die Bahn schon unter Beobachtung: „Wir sehen ein sehr hohes Interesse der Politik an der Bahninfrastruktur in dieser Region“, sagt Tobias Hauschild. „Das kannte ich so nicht in der Vergangenheit.“ Und dass ein so ambitionierter Zeitplan nicht immer einzuhalten ist, muss der Bahn-Experte auch eingestehen: Jetzt sollte eigentlich ein Stützdamm im benachbarten Schalksmühle fertig sein – ebenfalls ein Flutschaden. Aber es hat Problem gegeben, neuer Zielpunkt: Sommer 2023.