Lüdenscheid. Lüdenscheid ist gebeutelt durch die gesperrte A-45-Brücke. Nun bewahrheiten sich die Befürchtungen: Eine Bahn-Brücke bleibt auch lange dicht.

Die schlimmsten Befürchtungen werden wahr: Lüdenscheid, die 70.000-Einwohner-Stadt im Märkischen Kreis, die durch die Sperrung der maroden Rahmedetalbrücke auf der Autobahn 45 schon schwer gebeutelt ist, wird nun auch für Monate komplett vom Zugverkehr abgeschnitten bleiben. Die Deutsche Bahn hat am Mittwoch bestätigt, dass die Eisenbahnbrücke in Brügge, die offensichtlich durch die Jahrhundertflut im Volmetal im Juli 2021 massiv beschädigt wurde, weiter gesperrt bleibt und somit die Stadt mit einem zweiten großen Infrastruktur-Problem konfrontiert ist.

„Umfangreiche Instandsetzungsarbeiten“ seien nötig, bevor Züge wieder das 1885 errichtete Bauwerk überfahren dürften. Ein „grober Zeitplan“ für diese Arbeiten wird für Anfang August in Aussicht gestellt. Aber schon jetzt sagt ein Bahnsprecher gegenüber unserer Redaktion: „Wir gehen von Monaten aus.“ So lange wird die Regionalbahn 25, die Lüdenscheid mit Köln verbindet, nur bis zum Ortsteil Brügge fahren. Ab oder bis dort müssen die Fahrgäste in Busse umsteigen – Schienenersatzverkehr (SEV) heißt das im Fachjargon.

Auch die andere Regionalbahn ist wegen Flutschäden gesperrt

Was die Situation neben der Sperrung der Autobahnbrücke noch verschärft: Die andere Regionalbahn, die RB 52 von Dortmund nach Lüdenscheid, endet schon seit Juli vergangen Jahres in Hagen-Rummenohl, weil die Bahnstrecke dahinter massiv durch die Flut zerstört wurde. Von da aus müssen Fahrgäste für das letzte Stück in den Bus steigen. Im Dezember, so der Bahnsprecher, würden diese Flut-Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein. Heißt aber auch: Bis dahin wird aller Voraussicht nach kein Zug mehr den Bahnhof in Lüdenscheid erreichen.

Und der Bahnsprecher hat auch für die Zeit danach keine sonderlich guten Nachrichten: Schon jetzt zeichne sich ab, dass die Brücke mittelfristig komplett neu gebaut werden müsse. Ob dann die Strecke erneut gesperrt wird oder die neue neben die alte Brücke gebaut wird? „Hierzu können wir derzeit keine Aussage machen. Die geografische Lage ist jedenfalls herausfordernd.“

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Entdeckt worden waren die Schäden bei einer geplanten Inspektion der Volme-Brücke in Brügge. Expertinnen und Experten der Bahn sowie spezialisierte Ingenieurbüros haben inzwischen herausgefunden: Ein sogenannter Strömungsabweiser, der dem Pfeiler vorgelagert ist, ist stark beschädigt. Das hat seit der Flutkatastrophe im letzten Jahr kontinuierlich dafür gesorgt, dass die Strömung direkt auf den mittleren Pfeiler drückt und ihn so schwächt. Experten prüfen derzeit mehrere technische Varianten für die Instandsetzung. Große Herausforderungen sind aber auch hier der felsige Untergrund, die Arbeiten im Wasser und die geringe Höhe des Gewölbes.

Bürgermeister mahnt die Bahn zur Eile

Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (SPD) spricht von der „nächsten Katastrophe“ für Lüdenscheid und die Region – und fordert eine schnelle Lösung des Problems. „Damit wird unsere Stadt noch stärker als ohnehin schon vom Schienenverkehr ins Rheinland und ins Ruhrgebiet abgeschnitten.“ Seine Forderung, dass die Deutsche Bahn den Schienenverkehr durch das Volmetal schnellstmöglich wieder in Gang bringen müsse, bezieht er ausdrücklich auch auf die Beseitigung der Flutschäden auf der Volmetalbahn RB 52. Denn die dauern für Wagemeyers Geschmack schon viel zu lange. „Es kann nicht sein, dass sich der Schienenersatzverkehr von Hagen und aus Lüdenscheid nach wie vor über die A 45 und die Umleitungsstrecke kämpfen muss. Wir sind hier zunehmend von der Außenwelt abgeschnitten.“

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Wagemeyer appelliert erneut an Land, Bund und Bahn, jetzt schnell zu handeln in Sachen Bahn und A 45: „Die Menschen haben es verdient, dass man ihnen nicht nur zuhört und sie ernst nimmt, sondern dass man ihnen auch eine Perspektive und einen Zeitplan mit Lösungen präsentiert, die nicht in ferner, sondern in naher Zukunft umgesetzt werden.“

Fahrgastverband: Der Ersatzverkehr schreckt ab

Aber ist der Schienenersatzverkehr mit Bussen nicht doch schon jetzt eine Alternative? Auf der Strecke von und nach Köln sind es laut Bahn 14 Minuten Fahrt von Brügge bis nach Lüdenscheid – statt sieben Minuten regulär mit dem Zug. Auf der Strecke von Dortmund sind es zwischen Hagen-Rummenohl immerhin 40 Minuten. Doch selbst die 14 Minuten seien schon ein großes Hindernis, sagt Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn: „Schienenersatzverkehr schreckt die Leute ab.“ Abgesehen von der längeren Fahrtzeit im Bus: Es sei immer eine große Unsicherheit vorhanden, ob man die Anschlusszüge wirklich erreiche. Und dass sich die Busse noch durch den A-45-Umleitungsverkehr kämpfen müssten verschärfe das Problem in Lüdenscheid. „Wir wissen von anderen Baustellen, dass bis zur Hälfte der Fahrgäste weg bleibt.“

>> INFO: Strecke reaktiviert

  • Die direkte Bahnverbindung zwischen Köln und Lüdenscheid ist erst seit Dezember 2017 wieder möglich. Damals wurde das letzte reaktivierte Teilstück der in den 1980er-Jahre stillgelegten Strecke zwischen Meinerzhagen und Lüdenscheid freigegeben.
  • Zwischen Brügge und Lüdenscheid verkehren im Schnitt werktags etwa 1000 Fahrgäste täglich.