Hagen. Brennholz ist in der Region knapp und teuer geworden. Das führt zu teils skurrilen Verteilungskämpfen. Zu Besuch bei einem Brennholzhändler.
Das, was alle haben wollen, was aber derzeit kaum zu kriegen ist, hat Tobias Müller gleich zur Begrüßung dabei: Brennholz. Eine volle Gitterbox. Laubhartholz. Der ganz heiße Stoff.
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Mit dem Gabelstapler fährt er die Premiumware über den Hof des Forstbetriebs, den er mit seiner Frau Nicole Müller-Westernacher in Balve-Langenholthausen betreibt. Etwa 40 bis 50 gefüllte Boxen stehen da, zusätzlich liegen mehrere Baumstämme bereit, um gespalten zu werden. Im Ort gibt es ein Lager mit noch mehr Ware. Alles also doch nicht so schlimm mit der Brennholzknappheit? Nun ja, der Schein trügt.
„Wir kriegen mit, dass alle Brennholzhändler Schwierigkeiten haben“, sagt Tobias Müller. Und das ist noch diplomatisch formuliert. Wenn man sich in der Branche umhört, erhält man den Eindruck, an der Brennholzfront brenne es lichterloh. So sagt ein Händler, der nicht genannt werden möchte: „Die Leute sind alle bekloppt.“
Rationierung wie bei Klopapier
Ob Laubhartholz oder Fichte, ob getrocknet oder frisch geschlagen, die meisten Händler in der Region vermelden: aktuell leider ausverkauft. Mancher will sich gar nicht äußern, zu heikel, zu viel los. Andere sind gar nicht zu erreichen, haben Kontaktversuche via Telefon und Homepage unterbunden. Einer erzählt schließlich, dass er sich an die Generation seiner Großeltern und Eltern erinnert fühle, die in der Nachkriegszeit die hölzernen „Haustüren festgehalten“ haben; es soll mancherorts vermehrt zu Holzdiebstahl kommen, weshalb etwa Sägewerke ihre Holzvorräte im Wald mit GPS-Trackern zwecks Ortung sichern. All das hätte man sich vor ein paar Jahren nicht vorstellen können. Die Müllers auch nicht. Sie haben die Abgabe von Brennholz auf vier Schüttraummeter pro Kunde rationiert. „Wie bei Klopapier oder Mehl“, sagt Nicole Müller-Westernacher. Corona lässt grüßen.
Sie nehmen derzeit keine Neubestellungen an, arbeiten alte Aufträge ab. Auf dem Hof ihres Forstbetriebs geht es an diesem zweiten Samstag im Oktober vergleichsweise ruhig zu. Vorführeffekt? Nein, Herbstferien, erklärt Tobias Müller, normalerweise sei der Samstag ihr arbeitsreichster Tag. Normalerweise sei auch zwischen Mai und September tote Hose, „aber dieses Jahr“, sagt seine Frau, „ging es in einem durch“. Die Eheleute gehen äußerlich recht gelassen mit dem Run aufs Brennholz um und mit all den Blüten, die der so treibt. Sachlich erklären sie die Zusammenhänge.
Wer nicht über eine Trocknungsanlage verfügt, ist handlungsunfähig
Normalerweise wird Buchenholz, das einen besseren Brennwert als das „Anfeuerholz“ Fichte hat, im Winter geschlagen. Wenn das Laub abgefallen ist. Zuletzt wurde aber kaum Buchenholz geschlagen, vor allem, weil die Forstbetriebe mit den Aufräumarbeiten infolge der Borkenkäferplage beschäftigt waren; sprich: mit Fichten. Dieses Jahr sei nur Sturmholz geschlagen worden, sagt Tobias Müller. Das aber ist erstens zu wenig, zweitens zu feucht. Brennholz muss trocknen. Das dauert Monate. Es sei denn, es kommt in einen Trockencontainer.
Die Müllers haben zwei, Kapazität: 50 Schüttraummeter. Das ist ihr Vorteil. Drei bis vier Wochen dauere es, bis das Holz trocken genug sei. Auch wenn sie Solaranlage und Hackschnitzelheizung einsetzen, erhöht die Trocknung des feuchten Holzes die Kosten. Es könnte noch schlimmer sein, denn welcher Händler nicht über eine Trocknungsanlage verfügt, „der ist handlungsunfähig“, sagt Tobias Müller.
Er erzählt, dass der Nachschub aus den Wäldern so dürftig sei, dass man nehmen müsse, was man kriegen kann. Vorbei die Zeiten, in denen er nur gerade und bereits für den Abtransport zugeschlagene Stämme gekauft hat. „Krumm und groß“ sei das Rohmaterial, das im Wald zu bekommen sei. Anders als früher müssen die Müllers und ihre fünf Mitarbeiter daher viele Stämme erst im Wald vorschneiden, bevor sie sie abtransportieren und auf ihrem Hof zu Brennholzblöcken verarbeiten können. Der größere Aufwand führt zusammen mit den anderen Umständen zu stark gestiegenen Brennholzpreisen.
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In ihrer Lagerhalle hängt noch ein Schild aus guter alter Zeit: kostenlose Lieferung im Stadtgebiet Balve, 69 Euro pro Schüttraummeter Laubhartholz. Jetzt sind es 150 Euro. Eine Verdopplung. Klingt nach Wucher. Sorgt für Unverständnis. Deshalb haben die Müllers ein Schreiben verfasst, in dem sie den Kunden die Zusammenhänge erklären. Ob’s hilft? Abwarten. Mancher Bürger muss stur sein. Das führt zu Herbert Schmidt-Holthöfer und einem weiteren Aspekt des Brennholzengpasses.
Sägewerk konkurriert mit Brennholzhändlern
Schmidt-Holthöfer führt ein Sägewerk und einen Holzhandel. In der Reihenfolge. Was beim Sägen von Buchenstämmen übrig blieb, hat er früher als Brennholz verkauft. Weil er aber für sein Sägewerk in Finnentrop kaum noch Buchenholz bekommt, fällt auch kein Brennholz mehr ab. Und jetzt konkurrieren alle ums wenige Material. „Die Brennholzhändler“, klagt er, „kaufen alles auf.“
Mal eben auf Fichte umsteigen ist wohl nicht. Seine Kunden in der Stahl- und Verpackungsindustrie seien auf Buchenholz angewiesen, da Fichtenpaletten nicht so schwere Lasten tragen könnten. Schmidt-Holthöfer ist am Telefon anzumerken, wie sehr ihn die Situation beschäftigt. Noch mehr als über die Brennholzhändler regt er sich aber über etwas anderes auf.
„Die Leute sind mittlerweile so dreist“
„Die Leute sind mittlerweile so dreist“, sagt er. Dann erzählt er, dass „die Leute“ bei ihm anriefen, sich nach Brennholz erkundigten. Er antworte, dass er nichts habe. „Einen Tag später stehen die dann aber da und sagen: Wir haben doch auf Ihrem Hof Holz gesehen. Die meinen, sie müssten selber herkommen, obwohl ich sage, wir haben nichts“, sagt Schmidt-Holthöfer, der inzwischen kein Brennholz mehr über die Firmenseite anbietet. „Hat keinen Zweck mehr“, sagt er.
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Er überlegt, wie er sein Firmengelände besser vor unerwünschten Blicken (und Besuchern) sichern kann. Die Müllers haben es da besser, ihr Hof ist unter anderem durch einen Zaun geschützt. Bei ihnen melden sich auch Interessenten aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet. Kürzlich erreichte sie gar eine Anfrage aus den Niederlanden.
Gut möglich, dass sie bald noch von vielen anderen hören werden. Nach reiflicher Überlegung lässt sich Nicole Müller-Westernacher nämlich mit dem Satz zitieren: „Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Winter noch mal Brennholz liefern können.“