Schmallenberg/Hagen. Ist es schwieriger in der Großstadt zu unterrichten als auf dem Land? Unser Klassenbesuch in Hagen und Schmallenberg zeigt: Es gibt Unterschiede.

Der Mangel an Lehrkräften kennt kein Stadt-Land-Gefälle. Das sagt die für die Schulen in der Region zuständige Bezirksregierung. Hier wie dort gebe es Lücken. Und doch machten zuletzt vor allem Ruhrgebietsstädte mit großen Problemen – wie Duisburg und Gelsenkirchen – Schlagzeilen, weil hier die Lücken so groß waren, dass Lehrerinnen und Lehrer auch gegen deren Wunsch abgeordnet wurden. Ist der Unterricht in der Großstadt viel schwieriger als auf dem Land, wo die Welt vermeintlich noch in Ordnung ist? Einblicke in jeweils eine Unterrichtsstunde im ländlichen Schmallenberg im Sauerland (24.000 Einwohner) und in der Großstadt Hagen (189.000 Einwohner).

Auf dem Land: Die Grundschule Schmallenberg

Auf dem großen Schulhof der Grundschule Schmallenberg flitzen die Kinder von links nach rechts. Die Jungs kicken auf dem Fußballplatz, auch der Spielplatz mit seinen vielen Geräten ist gut frequentiert. Als die Schulglocke läutet, dauert es nicht lange, bis die Schüler der 3b ihre Plätze eingenommen haben.

Deutsch steht auf dem Stundenplan. Auf dem Schul-Ipad zeigt Klassenlehrerin Sabine Maahs ihren Schülern die erste Übung. „Wer kann mir sagen, was wir hier sehen?“ fragt sie in die Runde, während sie auf die Leinwand zeigt, die neben der alten, grünen Tafel angebracht ist. Mihail meldet sich. „Das ist das größte Gebäude der Welt“, sagt er. Der Zehnjährige hat den Nagel auf dem Kopf getroffen. Vor den 22 Schülern erscheint der „Burj Khalifa“, mit 638 Metern das aktuell höchste Gebäude der Welt.

Klassenlehrerin Maahs strahlt und lobt ihren Schüler. Dann folgt auch schon der Arbeitsauftrag für die kommenden 45 Minuten: In Zweiergruppen sollen die Kinder ein Gespür für die Steigerungsform Superlativ des Adjektivs bekommen. Das größte Haus, das teuerste Auto, der längste Fluss sind gesucht. Wie die Schüler das herausfinden? Ganz einfach: Mit dem Ipad.

Sabine Maahs, Lehrerin an der Grundschule Schmallenberg, im Gespräch mit einer Schülerin.
Sabine Maahs, Lehrerin an der Grundschule Schmallenberg, im Gespräch mit einer Schülerin. © Joel Klaas | Joel Klaas

Aus dem Nebenraum geht ein Kind aus der Zweiergruppe in den Nebenraum und holt sich ein Ipad ab. „Die haben wir hier zur allgemeinen Verfügung und sie werden auch total gerne genutzt“, sagt Maahs. Die Geräte stecken in dicken Schutzhüllen und sehen aus, als hätte sie Maahs gerade aus dem nächsten Computer-Laden besorgt. „Die Schüler gehen doch sehr gut damit um“, lobt sie.

15 Minuten haben die Kinder Zeit für die Bearbeitung der Aufgaben. Dann folgt die Präsentation der Ergebnisse. Der längste Fluss: Amazonas, knapp 7000 Kilometer lang. Schwerstes Lebewesen? – Der Blauwal, 150 Tonnen schwer. Jede Zweiergruppe wird von den Mitschülern für die Ergebnisse beklatscht. „Der Erfolgsmoment ist wichtig für die Kinder“, findet Maahs. Die Ipads werden zurück in den „Technik-Raum“, gebracht, die Stunde ist beendet.

In der Großstadt: Die Grundschule Hagen-Eilpe

9.45 Uhr. In der Astrid-Lindgren-Grundschule in Hagen-Eilpe läuten die Glocken zur großen Pause. Freudige Schreie tönen aus allen Ecken, der viel zu kleine Schulhof wird von den rund 200 Kindern geflutet. Die Kinder spielen Fangen, rasen von links nach rechts. Auch hier scheint es vor allem bei den Jungs eine Lieblingsbeschäftigung während der Pause zu geben: Fußball. Zwischen den vielen anderen Kindern ist ein geregeltes Spiel jedoch kaum zu erkennen. Aber egal. Hauptsache, die Jungs wissen, wo das Tor steht.

Beim Gang über den Schulhof erklärt die Lehrerin der 3b, die ihren Namen nicht öffentlich lesen möchte, welche Probleme es gibt. Bei einem Zweitklässler habe sie in der vergangenen Woche eine E-Zigarette im Rucksack gefunden. Manche Kinder sprächen nur wenig oder gar kein Deutsch. Häufig komme es vor, dass Kinder Tüten Kartoffelchips oder Gummibären mit zum Frühstück bringen würden. Vor kurzem war der Zahnarzt da. „Da wurden einige blaue Zettel verteilt“, sagt die Lehrerin. Bedeutet: Hier wurde nicht richtig gepflegt.

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Ihren Namen nicht nennen möchte die Lehrerin, weil darüber nachvollziehbar sein könnte, welche Kinder in ihrer Klasse sind. Auch Fotos dürfen in der Klasse nur gemacht werden, wenn die Kinder nicht zu erkennen sind. „Das müssen wir aus familiären Gründen so machen“, erklärt die erfahrene Lehrkraft. „Manche Elternteile dürfen ihre Kinder nicht sehen. Und auch nicht wissen, wo sich die Kinder aufhalten“, sagt sie: „Gerichtsbeschluss“.

Zurück im Klassenraum steht Sachkundeunterricht auf dem Plan. Die Lehrerin hat unterschiedliche Brotsorten mitgebracht. Ihre Schüler sollen Geschmack, Farbe und Konsistenz beurteilen. Neben Baguette und Weißbrot hat die Lehrerin auch arabisches Fladenbrot dabei. Selbst ein Brot gebacken hat nur die Mutter eines Schülers. Ein Dinkel-Vollkorn-Brot. Es schmeckt den Kindern am besten. Auf Nachfrage erklärt Ercan (Name geändert), dass er Dinkel-Vollkornbrot bisher noch nie gegessen hätte. „Schmeckt aber“, sagt er.

Viele der 24 Schüler in der Klasse haben einen Migrationshintergrund. In mehr als zehn Ländern lägen deren Wurzeln, erklärt die Lehrerin. Syrisch, rumänisch, philippinisch, mazedonisch, italienisch, polnisch wird gesprochen. „Die Sprache ist in dieser Klasse aber kein großes Problem. In der Klasse, in der ich vorher war, jedoch schon“, erklärt die Lehrkraft. Sie ist bereits die vierte Klassenlehrerin der 3b der Grundschule Hagen-Eilpe. „Die Lehrerinnen vor mir haben sich entweder versetzen lassen oder sind erkrankt“, erklärt sie.

Aktuell teilt sie sich die Stelle als Klassenlehrerin mit einer Sozialarbeiterin. Weil es einen akuten Mangel an Lehrerinnen gibt. „Wir bekommen keine Lehrkräfte. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Auch für die Kinder, die sich immer wieder an neue Lehrerinnen gewöhnen müssten“, sagt sie. Sie wolle die Kinder aber bis zum Ende des vierten Schuljahres begleiten.