Hagen. Die Stadt Hagen weiß kaum noch, all die schulpflichtigen Kinder unterzubringen. Jetzt wird in der Selbecke ein neuer Schulstandort eröffnet.
Die Zahl der Schüler in Hagen steigt und steigt. Zum neuen Schuljahr, das nach den Sommerferien beginnt, rechnet die Stadt mit mindestens 1800 Erstklässlern. 1768 Anmeldungen liegen bereits vor, bis zu 80 dürften noch hinzukommen, schätzt Horst Hermann, im Rathaus verantwortlich für die Schulentwicklungsplanung.
Um all die Kinder und Jugendlichen unterzubringen, wird das Gebäude der ehemaligen August-Hermann-Francke-Förderschule an der Selbecker Straße wieder in Betrieb genommen. Dort sollen in vier Klassen bis zu 90 Kinder aus der Ukraine und anderen Zuwandererfamilien unterrichtet werden. „Es handelt sich vornehmlich um Kinder, für die an den bestehenden Schulen kein Platz mehr vorhanden ist“, so Hermann.
Dritter Standort der Astrid-Lindgren-Schule
Organisatorisch soll die neue Schule an die Grundschule Astrid-Lindgren angebunden werden, zu der bereits zwei Standorte (in Eilpe und in Delstern) gehören. Besonderes Augenmerk soll auf die Vermittlung der deutschen Sprache gelegt werden. Die Klassenräume seien in einem annehmbaren Zustand, betonte Hermann: „Wir schicken die Kinder dort nicht in eine Bruchbude.“ Zudem ist geplant, das Gebäude in absehbarer Zukunft zu sanieren.
Nach wie vor ist Hagen das Ziel von zahlreichen Flüchtlingen, unter denen sich viele schulpflichtige Kinder befinden. Durch den Krieg in der Ukraine hat sich die Lage zugespitzt. Allein in den ersten fünfeinhalb Monaten dieses Jahres sind 200 Grundschüler (davon 130 aus der Ukraine), 300 Schüler der Sekundarstufen I und II (200 aus der Ukraine) sowie 100 Berufsschüler (64 aus der Ukraine) neu nach Hagen gekommen.
Längst nicht alle konnten bereits eingeschult werden, viele stehen noch auf Wartelisten für das kommende Schuljahr. „Vor wenigen Monaten konnte niemand mit einer solchen Situation rechnen“, so Hermann: „Uns steht kein unbegrenzter Schulraum zur Verfügung.“
Bau neuer Schulen kommt nicht voran
Die dringend erforderliche Realisierung von Neu- und Anbauten ist ins Stocken geraten. Der geplante Neubau einer Grundschule auf dem Terra 1 titulierten Gelände an der Minervastraße in Wehringhausen kann voraussichtlich erst 2025 eröffnet werden, der Bau der Goldbergschule in Oberhagen und die Erweiterung der Grundschule Henry van de Velde an der Blücherstraße können frühestens 2026 vollendet werden. „Bei den geplanten Investitionsobjekten gibt es zeitliche Verzögerungen, die die Situation weiter verschärfen werden“, sagte Hermann.
Die Planungsgrundlage von maximal 25 Kindern pro Klasse werde dadurch konterkariert, so Hermann. Auch Nicole Pfefferer (Grüne), Vorsitzende des Schulausschusses, zeigte sich entsetzt: „Wir steuern auf ein Desaster zu. Ich habe schlaflose Nächte, das sage ich ganz ehrlich.“
Durch die explosionsartig gestiegenen Preise am Bau geraten zudem die Kostenkalkulationen der Stadt durcheinander. „Wir haben als Auftraggeber keine Marktmacht mehr und sind angewiesen auf die Preise, die die Baufirmen uns diktieren“, nahm Volker Bald, Chef des städtischen Amtes für Gebäudewirtschaft (GWH), kein Blatt vor den Mund. Dass die bürokratischen Planungsprozesse so lange dauerten, habe mit dem deutschen Baurecht zu tun: „Das muss eingehalten werden, ansonsten verstoßen wir gegen Recht und Gesetz.“