Sundern. Jessika Heinemann und Normann Wilbat arbeiten viel – trotzdem droht der soziale Abstieg. Über schlaflose Nächte und Sorgen um die drei Kinder.

Im Eingangsbereich liegen noch Bohrmaschinen und Werkzeuge herum, im Wohnzimmer stapeln sich die Umzugskartons. Wohnlich ist es im neuen zu Hause von Jessika Heinemann, Normann Wilbat und ihren drei Kindern noch lange nicht. Vor rund anderthalb Jahren kauft das Paar ein Einfamilienhaus in Sundern-Hachen. Für 130.000 Euro. Was folgt, ist eine schier endlose Reihe von Hiobsbotschaften. Nach monatelanger Arbeit wird der Traum vom Einzug ins Eigenheim am kommenden Wochenende endlich wahr. Sorgenfrei blickt das Paar trotzdem nicht in die Zukunft.

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Das Haus von Jessika Heinemann und Normann Wilbat in Sundern-Hachen.
Das Haus von Jessika Heinemann und Normann Wilbat in Sundern-Hachen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Bevor das Paar ins Haus einzieht, macht es sich jedoch schon Gedanken über einen möglichen Auszug. „Wir haben schreckliche Angst vor der Zukunft. Wir wissen nicht, ob wir das Haus halten können, wenn die Energiekosten wirklich so hoch werden“, sagt Jessika Heinemann. Zahllose schlaflose Nächte hat das Paar laut der 40-Jährigen in diesem Jahr bereits hinter sich. „Wir sparen, wo wir können. Beim Einkauf, beim Benzin. Trotzdem bleibt die Sorge groß vor dem, was kommt.“

Hohe Nachfrage bei Beratung

Wie Familie Heinemann/Wilbat geht es momentan vielen jungen Familien. Sorgen vor Verschuldung treibt die Menschen um – das weiß vor allem Elke Frings ganz genau. Sie ist Beraterin beim „Netzwerk Schuldnerberatung“, das für Teile Südwestfalens verantwortlich ist. „Die Sorge der Leute ist in der täglichen Arbeit zu spüren“, sagt sie. Es würden nicht unbedingt mehr Personen, die professionelle Beratung in Anspruch nehmen, sondern „vor allem einfach andere Leute als noch vor ein paar Jahren“, sagt Frings.

„Es sind häufig auch arbeitende Menschen, die unverschuldet in Not geraten. Das ist nicht nur der Arbeitslose, sondern kann auch der Bänker sein, bei dessen Bank eine Stelle gestrichen wurde und er jetzt 2.000 Euro weniger im Monat verdient. Der Querschnitt ist groß“, erklärt die Schuldnerberaterin.

Arbeitslosigkeit häufigster Grund

Häufigster Grund für Überschuldung ist laut statistischem Bundesamt vor allem Arbeitslosigkeit, gefolgt von Trennung/Scheidung vom Partner und den Faktoren Krankheit, Sucht und Unfall. Über 574.000 Personen nahmen im Jahr 2021 laut Statistik des Bundesamtes eine Schuldnerberatung in Anspruch. Wie viele es in diesem Jahr sein werden, kann auch Elke Frings nicht abschätzen, jedoch hat sie die Sorge, dass es angesichts der Preisexplosionen immer mehr sein werden.

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Zurück in Sundern. 130.000 Euro hatten Jessika Heinemann und Normann Wilbat im Mai 2020 für ihr Eigenheim gezahlt. „Damals gingen die Immobilienpreise total durch die Decke. Im Prinzip haben wir überteuert gekauft“, erzählt Wilbat. Durch seine handwerklichen Fähigkeiten wollte der gelernte Heizungsinstallateur die Kosten für die Sanierung des über 120 Jahre alten Hauses in Grenzen halten. Dann kamen das neue Dach und der Hausschwamm hinzu. „Auch da habe ich viel selbst gemacht. Nach der Arbeit bin ich in den letzten 16 Monaten immer noch zum Haus gefahren und habe teilweise bis nachts weiter gearbeitet“, erzählt er.

Kinder sollen viel Platz haben

Für den Hauskauf hatte sich das Paar entschieden, weil sie den drei gemeinsamen Kindern „etwas hinterlassen wollen“, wie Heinemann sagt. „Es gibt für alle genug Platz und wir haben einen kleinen Garten. Das ist für die Kinder einfach schöner, als in einer Mietwohnung zu wohnen“, ist die 40-Jährige überzeugt.

Hätte sie gewusst, was nach dem Kauf des Hauses auf sie zukommen würde, hätte sie aus heutiger Sicht noch einmal darüber nachgedacht, wie sie sagt. „Es gab oft Situationen, in denen ich einfach nicht mehr konnte und alles hinschmeißen wollte. Irgendwann kommt ein Punkt, an dem man einfach nicht mehr weiter machen will“, sagt sie.

Ständige Anspannung

Neben der Beziehung mussten auch die Kinder unter der ständigen Anspannung durch die finanzielle Belastung und den Stress leiden. „Wir haben immer versucht, den Stress von den Kindern fern zu halten. Aber die spüren natürlich auch teilweise, dass irgendetwas nicht stimmt“, blickt Heinemann zurück.

Am kommenden Wochenende soll nun das vorläufige Happy End folgen, wenn die Familie nach langer, harter Arbeit in ihr Eigenheim einzieht. Ob es auch perspektivisch ein Happy End wird, hängt auch davon ab, wie sehr die Preise für Energie und Lebensmittel steigen. „Wir hoffen einfach darauf, dass es nicht so schlimm wird“, so Heinemann. Ihr ist klar: „Mehr können wir sowieso nicht tun. Und für mehr haben wir auch keine Kraft mehr.“