Hagen. Die neuartigen Fahrzeuge erobern die Straße. Doch im Brandfall gibt es neuartige Besonderheiten – und die betreffen nicht nur die Rettungskräfte.
Beim Servicecenter von Tesla in Holzwickede hatten sie in der vergangenen Woche ungewohnten Besuch. Ein Kunde aus Menden ließ sein Leasing-Fahrzeug abladen – oder zumindest das, was davon übrig war. Aus dem schönen Tesla Model 3 hatten die Flammen ein verkohltes Gerippe gemacht. Verärgert über den mangelnden Kundenservice lud er das Wrack an Ort und Stelle ab. Ein Bild, das wirkt. Und Fragen aufwirft zu E-Autos und Feuer: Brennen elektrische Fahrzeuge wirklich häufiger? Oder nur anders? Und: Wie sind Feuerwehren in der Region für solche Besonderheiten gewappnet?
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„Das Löschen eines E-Fahrzeuges gestaltet sich unter Umständen etwas schwieriger als die Brandbekämpfung von herkömmlichen Kraftfahrzeugen“, sagt Olpes Kreisbrandmeister Christoph Lütticke. Ein Batteriebrand müsse mit viel Wasser bekämpft werden, „um die Speicherzellen herunterzukühlen. Weil die großen Batteriepakete aber bei den meisten Fahrzeugen gut geschützt im Unterboden verbaut sind, geht es für die Einsatzkräfte vor allem darum, das Löschwasser dort schnell hinzubekommen.“
Technik in der Erprobung
Wie das am effektivsten geht, dazu gibt es noch keine allgemeingültigen Regeln. „Löschtechniken befinden sich noch in der Erprobung“, sagt Lütticke und zählt die Möglichkeiten auf:
- Zum Einsatz kämen bereits Löschdecken, die so groß sind, dass ein brennendes Fahrzeug komplett damit abgedeckt werden könne.
- In der Erprobung befänden sich derzeit sogenannte Löschdorne, die von unten durch das Batteriegehäuse getrieben würden, um den Akku mit Wasser zu fluten.
- Ebenso seien sogenannte Lösch-Container im Einsatz, in die die Autos mit einer Seilwinde gezogen würden, um sie dann dort unter Wasser zu setzen.
Die Feuerwehren im Kreis Olpe können sich bislang an keinen Einsatz wegen des Brands eines E-Autos erinnern.
E-Auto-Brand: Mehr Personal, mehr Wasser, mehr Zeit nötig
Tanja Hellmann (38) fährt privat einen Tesla. Sie fühlt sich damit bestens und sicher, was kein Wunder ist, weil der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) festhält, „dass sich Elektroautos hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung nicht von Verbrennerfahrzeugen unterscheiden“. Es ist also eine Mär, dass die E-Autos regelmäßig spontan in Flammen aufgehen.
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Selten sei „bei einem Brand eines E-Autos tatsächlich der Akku betroffen. Ist das doch der Fall, gibt es einige Besonderheiten zu beachten“, sagt Tanja Hellmann, Hauptbrandmeisterin bei der Feuerwehr Dortmund. Sie ist zudem Ausbilderin an der Feuerwehrschule, E-Auto-Expertin und Buch-Autorin zum Thema. Einen Einsatz wegen eines brennenden E-Autos hat auch sie bisher nicht mitgemacht.
Große Hitze führt zu immer neuen Kurzschlüssen
„In der Regel ist zur Bekämpfung eines solchen Brandes deutlich mehr Wasser, mehr Zeit und mehr Personal nötig. Grund: Der Brand ist schwerer zu kontrollieren, da die große Hitze zu immer neuen internen Kurzschlüssen führt – was wiederum die Hitze wieder anfacht. Ein so genannter Thermal Runaway.“ Zu deutsch: thermisches Durchgehen.
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„Vieles ist gerade noch in der Entwicklung. Es wird gerade viel diskutiert zwischen Feuerwehren, Fach-Experten, Versicherern und Herstellern, welche einheitlichen technischen Standards nötig sind“, sagt Tanja Hellmann: „Aber wichtig ist: Die Feuerwehren sind mit ihrem bestehenden Material gut auf E-Auto-Brände vorbereitet.“
Hitzeresistent: Spezielle Löschdecke für 2500 Euro
Vielerorts scheint man mittlerweile gewappnet – in Anbetracht der Ereignishäufigkeit fast erstaunlich gut. Bernd Krause ist Kreisbrandmeister im Hochsauerland. Er erklärt, dass neben Löschwasser „situationsbedingt auch besondere Brandschutzdecken eingesetzt werden“ können. Auf Kreisebene wird eine solche sechs mal acht Meter große, wiederverwendbare und bis 2500 Grad hitzebeständige Decke in Meschede für die Feuerwehren vorgehalten. Anschaffungskosten: rund 2500 Euro.
Ebenso hält der Kreis einen Container (Abrollbehälter) mit Sonderlöschmitteln und einen Container für bis zu 12.000 Liter Wasser bereit. Diese dienen aber nicht nur der Brandbekämpfung von E-Autos. Im August wurden bis zu 150 Rettungskräfte bei einem kreisweiten Seminartag u.a. zum Thema E-Fahrzeuge geschult. Ein konkreter Einsatz, bei dem das Wissen hätte abgerufen werden müssen, ist ihm bisher nicht bekannt. Das Sauerland ist immerhin so groß wie das Saarland.
Feuerwehrleute bereits geschult
Die Stadt Gevelsberg hat ihre Feuerwehrkräfte bereits im Juni bei einem Tages-Seminar zum Thema geschult. Sie können, so heißt es weiter, über den Ennepe-Ruhr-Kreis ebenfalls einen Abrollbehälter anfordern. Zudem hat die Stadt eine Löschdecke für Fahrzeugbrände beschafft, die in der Regel vor allem in schwer zugänglichen Bereichen wie einer Tiefgarage zum Einsatz kommen kann. Erfahrungen mit brennenden E-Autos in der Stadt: bislang keine.
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Doch allgemeine Nachjustierungen sind wichtig. Der ADAC meldet, dass Elektro-Autos bei den Neuzulassungen im August 2022 bereits einen Anteil von 16 Prozent hatten. Tendenz: steigend. „Wir brauchen definitiv verpflichtende Schulungen zum Thema E-Auto“, sagt Tanja Hellmann, die solche Schulungen anbietet. Sie sagt, dass der Verkehrsunfallkasten der Feuerwehren für E-Autos ergänzt wurde: „Verpflichtend gehören nun isolierende Schutzhandschuhe und eine isolierende Abdeckplane dazu.“
„Wie ist das Abschlepp-Unternehmen vorbereitet?“
Aber die neuen Fragen enden nicht bei der Feuerwehr, darauf weist Olpes Kreisbrandmeister Lütticke hin: „Wie hat sich das Abschlepp-Unternehmen vorbereitet? Gibt es spezielle Lagerflächen? Wie werden die verunfallten Fahrzeuge transportiert?“ Denn auch das gelöschte E-Auto kann ein Risiko bleiben. „Zu beachten ist, dass die Lithium-Ionen-Akkus, die in den allermeisten E-Autos verbaut sind, sich auch mehrere Tage nach dem Brand wieder neu entzünden können“, sagt Expertin Tanja Hellmann: „Wir empfehlen Abschleppunternehmen, für diese Fälle sogenannte Quarantäneflächen frei zu halten: Eine Fläche im Freien mit festem Untergrund und keinem brennbaren Material in der Nähe.“