Lüdenscheid. Im Märkischen Kreis gab es zuletzt drei große Waldbrände. Ortstermin auf einer Fläche, die nach Apokalypse aussieht – und riecht.
Als Erstes ist da dieser Geruch. Ruß, Qualm – wie ein kalter Kamin. Unübersehbar, woher das kommt: Blau schimmerndes Schwarz ist auf den Baumstümpfen geblieben, auf dem trockenen Boden, der unter jedem Schritt auseinanderstiebt, und den Astteilen, die sich noch nach oben recken, aber nur aussehen wie Skulpturen der Apokalypse. Vielleicht sind sie das auch. „Das hier“, sagt Jörn Hevendehl und breitet einen Arm zur Seite aus, „das hier ist unser Eisberg. Man muss nicht in die Arktis oder auf den Gletscher, um den Klimawandel zu sehen. Er ist hier, direkt vor unserer Haustür in Südwestfalen.“
40 Hektar Wald brannten in Lüdenscheid
Hevendehl gehört zum Landesbetrieb Wald und Holz und ist seit 2018 Forstamtsleiter im Märkischen Sauerland, dem Gebiet in Südwestfalen, in dem es in den vergangenen vier Wochen mehrere große Waldbrände gab: Erst Plettenberg, dann Altena und vor wenigen Tagen erst hinter der Hagener Stadtgrenze zwischen Schalksmühle und Lüdenscheid. 40.000 Quadratmeter Privatwald standen dort in Flammen, vier Mal das Fußballstadion des BVB – inklusive Tribünen. Schwarz, fast alles schwarz. Die Farbe der Trauer hat sich auf das gelegt, was leben, wachsen und blühen soll.
Stunde null.
Wie geht es ab dann weiter?
Die Flammen wüteten vor allem auf Brachflächen, wo der Borkenkäfer schon war und die Bäume längst gefällt werden mussten. Verkohlte Stümpfe. Aber das Feuer fraß sich auch die gesunden Bäume hoch. Lärchen und Douglasien – letztes Jahr erst gepflanzt – zerbröseln zu schwarzem Staub. Mehrere Dutzend Eichen und Fichten stehen noch auf dem Hang, nur wie lang? „Er hier“, sagt Hevendehl und tätschelt eine Eiche, deren Rinde bis auf halber Höhe schwarz ist, „wird es nicht schaffen.“ Ein, zwei Jahre vielleicht noch, dann werden sich Pilze ansiedeln und den langsamen Tod des Baums bedeuten. „Ein Siechtum“, sagt Hevendehl.
Keine zitternden Hände vor der Operation
Der Forstamtsleiter hat einen besonnenen Blick auf die Dinge. „Emotionen verstellen den Weg der Klarheit“, sagt Hevendehl. „Das ist wie beim Arzt. Wenn der vor der Operation mit zittrigen Händen dasteht, erweckt das auch nicht gerade großes Vertrauen, dass alles gut wird.“ Wird denn alles gut? Im Kleinen lautet die Antwort: ja. Im Großen und Ganzen weiß das keiner.
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Hevendehl beugt sich hinab zum Boden und schabt mit dem Zeigefinger eine Bodenprobe heraus, drückt sie am Daumen fest, rollt sie immer wieder hin und her. Sandiger, steiniger Lehmboden unter Asche und Staub. Der Regen wird die feinen Anteile der Asche in den Boden spülen, wo sie sich sammeln und Gutes bewirken. „In drei Jahren ist hier alles wieder grün“, sagt er und legt die Hand auf Höhe der Gürtellinie seitlich an den Körper: so hoch grün. „Die Asche ist wie Dünger, ideal für den kommenden Wald.“
Frage: Wie sieht der Wald der Zukunft aus und was muss er können?
Die Frage ist nur, wie der aussehen soll, was er können sollte, wenn er starkem Wind widerstehen können soll, aber auch der zunehmenden Hitze und den sich mehrenden Dürreperioden. „Als Forstwissenschaftler denkt man in langen Zeiträumen. Wir fragen uns: Welche Leistungen soll der Wald in den nächsten 100 Jahren liefern“, sagt Hevendehl. Das betroffene Gebiet in Lüdenscheid ist Privatwald. Was dort geschieht, entscheiden allein die Besitzer, aber der Landesbetrieb gibt - wenn gewünscht – Hilfestellung bei Fragen der Wiederaufforstung. Oft entscheide man sich dafür, die Hälfte der Fläche aktiv aufzuforsten, am besten mit unterschiedlichen Baumarten. Und den Rest der Natur zu überlassen.
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Der Förster zeigt auf eine Ansammlung von Birken auf der anderen Seite des Volmetals. Diese geben ihre Samen im September ab, und sie seien hochgradig flugfähig. Hinzu kämen die unbeschadet gebliebenen Lärchen, deren Samen ebenfalls 50, 60, 70 Meter weit fliegen könnten, und die Eichen, Buchen und Fichten, die da noch einigermaßen unversehrt aus dem Feuer hervorgegangen sind, gezeichnet aber von der Hitze. Was löst dieser Anblick aus? „Ich komme damit klar, weil ich weiß, dass neuer Wald wachsen wird. Womit ich nicht klarkomme, sind die weggeworfenen Zigaretten. Sie sind der Hauptgrund, warum Wälder brennen.“ Er liest mit der Hand zwei trockene Stummel von einem Waldweg auf.
War es eine weggeworfene Zigarettenkippe?
Im Fall Lüdenscheid deutet alles auf eine achtlos aus dem Autofenster geworfene Kippe als Auslöser hin. Ein Zeuge will so etwas gesehen haben. Zum Brandbild passt das: Von der Bundesstraße 54 aus breiteten sich die Flammen den steilen Hang hinauf aus. Mehr als 400 Feuerwehrleute waren mehrere Tage im Einsatz, um die Flammen zu bekämpfen: bei fast tropischer Hitze, mit schwerer Ausrüstung, in alpinem Gelände. Zwei Feuerwehrleute kollabierten bei der Arbeit.
„Waldbrände sind für uns ein recht neues Phänomen. Die gab es früher nur sehr selten“, sagt Hevendehl. Mittlerweile aber seien sie „eine echte Gefahr für Menschen und Tiere – und letztlich für die innere Sicherheit“. Er meint das mit Blick auf die Feuerwehrleute, die ihre Kräfte und womöglich Gesundheit dort einsetzen müssten, wo sie doch vielleicht gleichzeitig oder kurze Zeit später an anderer Stelle gebraucht werden könnten. Und alles nur aus Leichtsinn.
Der Wald als Standortfaktor für ein lebenswertes Leben
Hevendehl wühlt das auf. Er würde sich wünschen, dass Waldbesucher einander freundlich daran erinnerten, dass Rauchverbot gelte im Wald – auch auf Waldwegen. Dass sich manche Waldbesucher achtsamer verhalten würden, weil der Wald ein Klimakraftwerk sei, das für Kühle sorge, das Regenwasser halte und reinige. „Mir wäre wichtig, dass den Menschen klarer wird: Wald ist ein Standortfaktor für ein lebenswertes Leben.“ Gerade wenn Hitze und Dürre zur Normalität zu werden scheinen.
<<< HINTERGRUND >>>
Das Regionalforstamt Märkisches Sauerland ist eines von 15 Regionalforstämtern von Wald und Holz NRW. Mit 56.000 Hektar bedecken die Wälder 52 Prozent des Forstamtsbereiches. Dieser ist mit der Kreisgrenze des Märkischen Kreises identisch. 46.000 Hektar stehen im Eigentum von rund 5.000 Personen. 13 Städte und Gemeinden besitzen zusammen 4.500 Hektar.