Berlin/Lüdenscheid. Verkehrsminister Wissing will 4000 Brücken in Deutschland sanieren. Wie sich der Fall der A 45-Brücke aus dem Sauerland nicht wiederholen soll.

Der kaputten A 45 bei Lüdenscheid bringt das, was Volker Wissing am Donnerstag vorstellte, wahrscheinlich nicht mehr so viel. Da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Das räumte der Bundesverkehrsminister nach seinem „Brückengipfel“ auf Anfrage dieser Zeitung freimütig ein. Aber mit seinem neuen Maßnahmenpaket zur Brückensanierung verfolgt der FDP-Politiker auch einen anderen Ansatz: Er wolle verhindern, sagte er, dass sich der Fall Sauerlandlinie, also langjährige Autobahnsperrungen, irgendwo in Deutschland wiederholen könnte.

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Mehr Geld vom Bund wird versprochen

Und das ist eine Herkulesaufgabe. Bundesweit müssen bis zum Jahr 2030 rund 4000 Brücken saniert werden. Das habe eine Bilanz seines Ministeriums ergeben. Um viele dieser Bauwerke auf Autobahnen und Bundesstraßen sei es „alles andere als gut bestellt“, sagte Wissing. Deshalb sollen die Bundesmittel für diesen Bereich von 2026 an auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden – also eine Milliarde Euro mehr als heute.

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Warum erst 2026? Weil es eines Planungsvorlaufes bedürfe, damit das Geld abfließen könne. Die Zahl der sanierten Brücken pro Jahr will Wissing mal eben von 200 auf 400 verdoppeln.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will mehr Energei in den Brückenneubau leben.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will mehr Energei in den Brückenneubau leben. © dpa | ndreas Arnold

Am Geld, das hört man dieser Tage oft, werde die Lösung des Problems nicht scheitern. Aber es gibt zahlreiche andere Stolpersteine. Beispielsweise fehlen schlicht die Fachkräfte, die neue Brücken planen und sie dann auch bauen. Es gibt Umweltverbände, die ihre Interessen gewahrt sehen wollen. Und dann dauern Genehmigungs- und Planungsverfahren zu lange. Wissing präsentierte nach dem Brückengipfel, an dem unter anderem Vertreter von Bauwirtschaft und Verwaltung teilnahmen, einen Neun-Punkte-Plan. Vorgesehen ist etwa, der Bürokratie Beine zu machen, unter anderem unter Zuhilfenahme der Digitalisierung. Ausschreibungs- und Vergabeverfahren sollen gestrafft und Anreize für kürzere Bauzeiten geschaffen werden.

Das Verkehrsministerium will die Sanierungsprojekte nun priorisieren, denn, so Wissing: „Alles gleichzeitig geht nicht.“ Erstes Kriterium: das Schadensbild. Dafür soll der Traglastindex als entscheidende Größe herangezogen werden. Also: Was kann die Brücke noch aushalten? Zweites Kriterium: die Bedeutung der Autobahn für das gesamtdeutsche Straßennetz. Was zur Folge hat, dass in Nordrhein-Westfalen ziemlich viele Brücken erneuert werden müssen, weil sehr viele Transitstrecken durch dieses Bundesland führen – und weil dort viele Jahre lang viel zu wenig Geld in die Verkehrsinfrastruktur investiert wurde. Wissing hütete sich davor, mit dem Finger auf andere Politiker zu zeigen. Klar ist aber, dass der Sanierungsstau außer in NRW auch in Hessen, Bremen und in West-Berlin besonders groß ist.

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Bei den wirklich großen Hindernissen bewegte sich der Minister im Ungefähren. Eine Initiative soll den Fachkräftemangel beheben; das wäre nun tatsächlich nicht der erste Vorstoß in diese Richtung. Und die Frage, wie denn genau die Digitalisierung die Prozesse beschleunigen soll, konnte nicht ausreichend konkret beantwortet werden.

Kritik kommt aus der CDU

Florian Müller, CDU-Abgeordneter aus dem Kreis Olpe und Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestags, hätte es dann gerne etwas genauer: „Es ist gut, dass alle Beteiligten miteinander sprechen“, sagte er dieser Zeitung. „Entscheidend ist aber der konkrete Nutzen für die Infrastruktur in Deutschland, insbesondere beim beschleunigten Neubau der Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid. Wie der aussehen soll, ist heute offen geblieben.“

Immerhin: Die Umweltverbände BUND und Nabu, ebenfalls beim Brückengipfel dabei, hätten sich „sehr konstruktiv eingebracht“, sagte Wissing. Der BUND jagte allerdings schon während der Pressekonferenz eine Mitteilung raus, in der er deutlich machte: „Der Ersatzneubau von maroden Brücke bedingt immer auch Eingriffe in das Ökosystem vor Ort. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist das Werkzeug der Wahl, um effektiv und systematisch zu erreichen, dass die unvermeidlichen Schäden an der Natur minimiert und konsequent repariert werden“, wird BUND-Chef Olaf Brandt zitiert. „Verzögerungen sind dadurch nicht zu erwarten, da sie parallel zu den ersten Planungen durchgeführt werden können. Im Gegenteil: Beteiligung ermöglicht die Einbeziehung der Erfahrung vor Ort und konsequentes Handeln für nachhaltigen Verkehrswegeerhalt. In Zeiten des Artensterbens darf der Naturschutz nicht unter die Räder geraten.“

Übrigens: Dass viele Lkw zu schwer sind, ist dem Minister ebenfalls ein Dorn im Auge. Er will in Zukunft die Achslasten mehr und besser kontrollieren lassen. Aber auch das kommt für die A 45 zu spät.