Hagen. Nach der Jahrhundertflut: Mehr als 330 Millionen Euro sind für Privatleute bewilligt. Wer sonst profitiert und warum noch viel Geld übrig ist.

Beim ersten Blick auf die Zahlen könnte man sagen: Der Wiederaufbau nach der verheerenden Flutkatastrophe im vergangenen Sommer stockt. Denn von dem 12,3 Milliarden Euro umfassenden Wiederaufbaufonds, den Land und Bund bereitstellen, sind bislang gerade einmal eine halbe Milliarde Euro an betroffene Kommunen, Privatleute, Institution oder Vereine ausgezahlt worden. Doch Ina Scharrenbach (CDU), die zuständige NRW-Ministerin für Kommunales, sieht das anders: Es funktioniere immer besser und schneller, den Menschen tatsächlich zu helfen.

Und die Ministerin, die sich immer wieder Kritik anhören musste wegen zu viel Bürokratie, will das ein halbes Jahr nach dem Startschuss des Antragsverfahrens auch mit konkreten Beispielen belegen. Etwa der TSV Rot Weiß Wenholthausen in Eslohe. Die Flut hatte dort den Kunstrasenplatz völlig zerstört. Jetzt fließen aus dem Wiederaufbaufonds exakt 616.925 Euro ins Sauerland. Oder in Menden: 819.159 Euro bekommt der Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte Menschen (VKM), dessen Wohnheim überschwemmt wurde. 45,5 Millionen Euro sind so bereits in die nicht-kommunale Infrastruktur geflossen, die von Vereinen oder Krankenhäusern betrieben wird.

338 Millionen Euro an Privatleute ausgezahlt

Noch viel größer ist der Batzen Geld, der an Privatleute fließt: 338,3 Millionen Euro an Wiederaufbauhilfe sind hier bereits bewilligt für Hausrat und Gebäudeschäden. Die größten Summen fließen in die Eifel und ins Rheinland, wo die Flut am heftigsten gewütet hat. Aber auch in Hagen haben 478 Privatleute einen Antrag auf Hilfe gestellt, 96 Prozent sind schon bearbeitet und fast 10,3 Millionen Euro bewilligt. Seit Weihnachten hat sich die Summe mehr als verdoppelt.

Ministerin Ina Scharrenbach beim Ortstermin am zerstörten Kunstrasenplatz in Wenholthausen bei Eslohe.
Ministerin Ina Scharrenbach beim Ortstermin am zerstörten Kunstrasenplatz in Wenholthausen bei Eslohe. © Unbekannt | Kortmann

Ina Scharrenbach, die selbst in den vergangenen Monaten oft in den Flutgebieten unterwegs war – auch in Eslohe, Menden und Hagen – nimmt für sich in Anspruch, dass ihr Haus das Verfahren immer weiter entbürokratisiert habe. „Wir lernen aus den bisherigen Erfahrungen mit dem System“, so die CDU-Politikerin. So müssten zwischen dem ersten und zweiten Abschlag keine Zwischenrechnungen mehr vorgelegt werden, sondern nur eine formlose Auflistung, wofür das Geld verwendet worden sei. Und auch Baukostensteigerungen in der überhitzten Handwerker-Branche könnten unbürokratisch berücksichtigt werden: „Wir prüfen gerade noch, ab welcher Schwelle wir genauer schauen“, sagt Ina Scharrenbach. „Weil wir auch von Fällen wissen, in denen Firmen versuchen, die Flutopfer übers Ohr zu hauen.“

Viele Kommunen haben noch keinen Wiederaufbauplan verabschiedet

Doch der größte Teil des 12,3 Milliarden schweren Wiederaufbaufonds dürfte am Ende wohl in die Kommunen fließen zur Wiederherstellung der Infrastruktur. Hier hakt es noch: Rund 200 Kommunen waren laut der Ministerin von der Flut betroffen, doch gerade einmal vier Wiederaufbaupläne sind bislang genehmigt. Der Antrag der massiv betroffenen Stadt Altena, die mehr als 100 Millionen Euro bewilligt bekommt, und des Märkischen Kreises mit 4,7 Millionen Euro.

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Doch auch hier sagt die Ministerin: „Ich bin da schon ein bisschen beruhigter als noch im Dezember oder Januar.“ 24 weitere kommunale Wiederaufpläne, die von den Stadträten und Kreistagen beschlossen werden müssen, seien gerade in der Vor-Prüfung. Und die hätten schon ein Gesamtvolumen von rund 1,1 Milliarden Euro. Und dann fehlen noch weitere 170 Kommunen, auch solche, die schwerst betroffen waren: Bis zum Sommer kommenden Jahres haben sie noch Zeit für die Verabschiedung der Pläne – so wie auch Privatleute bis dahin noch Anträge stellen können.

Die Stadt Hagen gehört zu den Kommunen, deren Wiederaufbaupläne derzeit vorgeprüft werden: „Der Schaden an der städtischen Infrastruktur dürfte über 75 Millionen liegen“, rechnet Stadtsprecher Michael Kaub vor. Unter anderem müssen neue Brücken gebaut werden und das völlig abgesoffene „Zweit-Rechenzentrum“ des Rathauses soll neu errichtet werden.

Infos und Antragstellung unter land.nrw/wiederaufbauhilfe

>> HINTERGRUND: Hilfen an Privatleute in den Kommunen der Region

  • Altena: 156 Anträge, 97 % bearbeitet, 2.713.249,11 € bewilligt
  • Arnsberg: 1 Anträge, 100 % bearbeitet, 10.300,86 € bewilligt
  • Bad Münstereifel: 591 Anträge, 95 % bearbeitet, 20.143.711,37 € bewilligt
  • Balve: 12 Anträge, 92 % bearbeitet, 161.154,02 € bewilligt
  • Breckerfeld: 4 Anträge, 100% bearbeitet, 90.906,40 € bewilligt
  • Dortmund: 76 Anträge, 99% bearbeitet, 1.250.559,01 € bewilligt
  • Eschweiler: 1.040 Anträge, 97% bearbeitet, 23.411.786,00 € bewilligt
  • Ennepetal: 16 Anträge, 88% bearbeitet, 303.192,93 € bewilligt
  • Erftstadt: 643 Anträge, 94% bearbeitet, 19.215.103,43 € bewilligt
  • Eslohe: 8 Anträge, 100% bearbeitet, 192.576,78 € bewilligt
  • Euskirchen: 1.589 Anträge, 98% bearbeitet, 41.707.855,38 € bewilligt
  • Finnentrop: 2 Anträge, 100% bearbeitet, 48.013,18 € bewilligt
  • Freudenberg: 2 Anträge, 100% bearbeitet, 29.000,00 € bewilligt
  • Fröndenberg: 10 Anträge, 100% bearbeitet, 138.798,49 € bewilligt
  • Gevelsberg: 19 Anträge, 100% bearbeitet, 456.715,53 € bewilligt
  • Hagen: 478 Anträge, 96% bearbeitet, 10.292.469,43 € bewilligt
  • Halver: 7 Anträge, 100% bearbeitet, 186.011,98 € bewilligt
  • Hattingen: 77 Anträge, 78% bearbeitet, 1.284.069,91 € bewilligt
  • Hemer: 30 Anträge, 83% bearbeitet, 746.795,63 € bewilligt
  • Herdecke: 15 Anträge, 100% bearbeitet, 389.137,75 € bewilligt
  • Herscheid: 2 Anträge, 100% bearbeitet, 28.155,36 € bewilligt
  • Iserlohn: 7 Anträge, 71% bearbeitet, 126.817,97 € bewilligt
  • Kall: 242 Anträge, 98% bearbeitet, 9.390.131,07 € bewilligt
  • Kierspe: 7 Anträge, 100% bearbeitet, 153.065,08 € bewilligt
  • Lüdenscheid: 35 Anträge, 94% bearbeitet, 1.023.855,13 € bewilligt
  • Meinerzhagen: 2 Anträge, 100% bearbeitet, 154.768,90 € bewilligt
  • Menden: 30 Anträge, 97% bearbeitet, 685.658,76 € bewilligt
  • Nachrodt-Wiblingwerde: 2 Anträge, 100% bearbeitet, 12.422,70 € bewilligt
  • Rheinbach: 844 Anträge, 97% bearbeitet, 19.793.807,73 € bewilligt
  • Schalksmühle: 7 Anträge, 86% bearbeitet, 100.691,26 € bewilligt
  • Schleiden: 529 Anträge, 97% bearbeitet, 19.295.555,22 € bewilligt
  • Schmallenberg: 4 Anträge, 75% bearbeitet, 60.314,82 € bewilligt
  • Schwelm: 5 Anträge, 40% bearbeitet, 90.592,20 € bewilligt
  • Schwerte: 2 Anträge, 100% bearbeitet, 110.085,17 € bewilligt
  • Stolberg: 652 Anträge, 95% bearbeitet, 16.585.493,73 € bewilligt
  • Sundern: 28 Anträge, 96% bearbeitet, 698.760,96 € bewilligt
  • Swisttal: 709 Anträge, 97% bearbeitet, 27.281.504,90 € bewilligt
  • Unna: 3 Anträge, 67% bearbeitet, 22.907,86 € bewilligt
  • Weilerswist: 315 Anträge, 95% bearbeitet, 12.379.115,40 € bewilligt
  • Werdohl: 18 Anträge, 89% bearbeitet, 331.443,97 € bewilligt
  • Wetter: 6 Anträge, 100% bearbeitet, 213.438,09 € bewilligt
  • Winterberg: 1 Antrag ,100% bearbeitet, 37.747,02 € bewilligt
  • Wuppertal: 77 Anträge, 77% bearbeitet, 2.247.372,72 € bewilligt
  • Zülpich: 206 Anträge, 98% bearbeitet, 6.189.836,37 € bewilligt

- Quelle: Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen

- Hinweis: Liste enthält Kommunen aus Südwestfalen und besonders betroffene Kommunen, speziell aus Eifel und Rheinland