Lüdenscheid. Ersan Acar wohnt in Lüdenscheid unter der maroden Talbrücke Rahmede. Dass sie gesprengt wird, erfuhr er aus der Presse. Wie es nun weitergeht.
Sein Handy verriet ihm, was er gern persönlich erfahren hätte. Als Ersan Acer nach der Arbeit am Montag sein Mobiltelefon in Betrieb nahm, da sprang ihm die Schlagzeile schon entgegen: Die Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid kann gesprengt werden. Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister im fernen Berlin, war mit dieser Information nach vorn geprescht und hatte Fakten geschaffen. Das beschleunigt den nötig gewordenen Neubau der Rahmedetalbrücke entlang der Autobahn 45, die wegen Einsturzgefahr seit Dezember gesperrt ist. Doch direkt unter dem Bauwerk steht genau ein Wohnhaus. In diesem lebt Ersan Acar mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, zehn und acht Jahre alt.
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Seit 2010 wohnt Familie Acar unterhalb der Rahmedetalbrücke
„Ich war schockiert“, sagt der 31-Jährige, „dass ich diese Information aus der Presse erhalten habe. Wir sind die, die das am meisten betrifft. Wir sind die einzigen, die hier weg müssen.“ Er weiß das schon eine ganze Weile, denn die Autobahn GmbH ist frühzeitig auf ihn und seine Familie zugekommen mit der Botschaft, dass sie dort wegziehen müssten. Doch in dem ersten Gespräch, sagt er, sei die Rede davon gewesen, dass das alles noch seine Zeit habe. „Mir war wichtig, dass wir nicht von heute auf morgen hier weg müssen.“ Seit 2010 wohnt die Familie unter Deutschlands mittlerweile bekanntester Brücke. Der Nachname ist in den Parkplatz gepflastert, den Garten habe er für die Kinder umgebaut, Erdmassen bewegt, Leitungen verlegt.
+++ Sprengung möglich: Wie andere Anwohner reagieren +++
Nun kommt sehr schnell und wie aus dem Nichts für Acar Bewegung in die Sache. Es gibt Stimmen, die gehen von einer Sprengung noch in diesem Jahr aus. Dann muss Acar mit seiner Familie schon weg sein. Und wohin?
Das ist die A45-Talbrücke Rahmede
Autobahn GmbH meldet sich schnell, aber doch zu spät
Eine Dame von der Autobahn GmbH habe ihn angerufen, kurz nachdem er es erfahren hatte. Sie habe sich entschuldigt für die unglückliche Kommunikation und zeitnah ein persönliches Gespräch in Aussicht gestellt. In dem wird es auch um Geld gehen müssen. „Wo finde ich denn ein Haus in der Größe mit dem Garten zu einem vergleichbaren Preis“, fragt Acar. „Ich hoffe nur, dass das alles ein glückliches Ende nimmt und wir eine gute Lösung für alle finden. Wir wollen ja nicht hier weg, sondern wir werden mehr oder weniger gezwungen.“ Er versteht nicht, wie man ihm nicht Bescheid sagen konnte. „Um Fledermäuse und Falken wird sich doch auch rechtzeitig gekümmert.“
+++ Wo sind die Fahrzeuge, die sonst auf der Brücke fahren +++
Acar ist aber durchaus in guter Gesellschaft, wenn es darum geht, nicht vorab informiert worden zu sein. Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister der Stadt Lüdenscheid, war davon ausgegangen, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis klar sei, ob die marode Brücke gesprengt werden könne. „Ich wusste davon nichts, sondern habe es aus der Presse erfahren“, sagt er. „Das ist mehr als erstaunlich.“ Er klingt nicht wütend, aber höchst irritiert.
Auch Bürgermeister Wagemeyer wusste von nichts
In den vergangenen Tage habe trotz intensiver Kommunikation mit der Autobahn GmbH „keine Silbe darauf hingedeutet“, dass das Ergebnis des Gutachtens vorliege und dass eine Sprengung möglich sei. „Das ist eine gute Nachricht, weil sie den Prozess enorm beschleunigt“, sagt Wagemeyer über den Neubau der Brücke, die seit Dezember wegen Einsturzgefahr gesperrt ist. Wagemeyer aber treibt vor allem ein anderer Gedanke um, nämlich „die Tatsache, dass auch die Anwohnerinnen und Anwohner von nichts etwas wussten, als die Nachricht in den Medien auftauchte.“ Das sei alles andere als ideal. „Wenn man die Menschen bei dem Prozess des Neubaus mitnehmen möchte, dann geht das so nicht.“