Lüdenscheid. Die A45-Talbrücke Rahmede soll noch 2022 gesprengt werden. Anwohner sind von schneller Entwicklung überrascht.
Die kaputte Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid auf der Autobahn 45 kann gesprengt werden. Das teilte Bundesverkehrsminister Volker Wissing bereits vor einigen Tagen der Deutschen Presse-Agentur mit. „Heute kam die Nachricht, dass die technischen Voraussetzungen für eine Sprengung der Talbrücke Rahmede vorliegen. Diese Chance zur Beschleunigung greifen wir für die Region auf“, sagte der FDP-Politiker. Die Nachricht löste Freude, aber auch Irritationen bei den Betroffenen aus.
Mittlerweile ist auch klar: Die marode Brücke soll noch in diesem Jahr gesprengt werden, um einem Neubau Platz zu machen. Das sagte Volker Wissing am Donnerstag in Berlin. Auch beim Neubau der Brücke will man schnell vorankommen, sagte Wissing: „Das ist ambitioniert“.
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Aktuell werden die nötigen Ausschreibungen und Gutachten für die Sprengung in die Wege geleitet, so der Bundesminister. Die neue Brücke soll sechsspurig sein.
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Wissing: „Prozesse für Neubau der Brücke schneller voranbringen“
„Damit können wir erheblich Zeit einsparen und die Prozesse für einen Neubau der Brücke schneller voranbringen“, betonte Wissing bereits vor einigen Tagen. Den betroffenen Anwohnern und Unternehmen solle damit schnellstmöglich „eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur“ zur Verfügung gestellt werden.
Die Nachricht zur Sprengung aus Berlin kam überraschend: Noch am Wochenende hatten die Chefin der Autobahn GmbH Westfalen, Elfriede Sauerwein-Braksiek, betont, es dauere noch einige Zeit, bis das Gutachten der Spezialfirma eintreffe. Tatsächlich lag es aber wohl schon vor.
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Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister der Stadt Lüdenscheid, war ebenfalls davon ausgegangen, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis klar sei, ob die Brücke gesprengt werden könne. „Ich wusste davon nichts, sondern habe es aus der Presse erfahren“, sagt Wagemeyer. „Das ist mehr als erstaunlich.“
Er klingt nicht wütend, aber höchst irritiert. In den vergangenen Tagen habe trotz intensiver Kommunikation mit der Autobahn GmbH „keine Silbe darauf hingedeutet“, dass das Ergebnis des Gutachtens vorliege und dass eine Sprengung möglich sei. „Das ist eine gute Nachricht, weil sie den Prozess enorm beschleunigt“, sagt Wagemeyer.
Bürgermeister Wagemeyer und die Anwohner von der Entwicklung überrascht
„Was mich aber noch mehr umtreibt“, sagt der Bürgermeister, „ist die Tatsache, dass auch die Anwohnerinnen und Anwohner und Geschäftstreibenden von nichts etwas wussten, als die Nachricht in den Medien auftauchte.“ Das sei alles andere als ideal. „Wenn man die Menschen bei dem Prozess des Neubaus mitnehmen möchte, dann geht das so nicht.“
Das ist die A45-Talbrücke Rahmede
Menschen wie Annette Stange. Die 56-Jährige kann vom Balkon aus direkt auf die Brücke schauen, keine 100 Meter seien das, schätzt sie. Seit 1959 gehört das Haus der Familie, da gab es noch keine Rahmedetalbrücke. Frau Stange ist überrascht, dass schon klar ist, dass die Brücke gesprengt werden könne. „Das ist ja, was mich so stört. Von offizieller Stelle hört man nichts“, sagt sie.
Spekulationen in der Nachbarschaft unter der Brücke
Es werde seit acht Wochen in der Nachbarschaft spekuliert, der eine hat dies gehört, der andere das. „Mir würde ein Flyer reichen, auf dem man einfach mal angesprochen wird“, sagt sie. Haben Sie Geduld, wir versuchen, die Situation aufzuklären, wir kommen auf Sie zu. So etwas. Bislang: nichts. Nicht einmal jetzt, wenn klar sei, dass gesprengt werde.
Nicht, dass sie Angst hätte vor der Sprengung an sich. Sie hat sich das Spektakel am vergangenen Sonntag an der Talbrücke Rinsdorf bei Siegenangeschaut, die ebenfalls binnen Sekunden dem Erdboden gleichgemacht wurde. „Die ist ordentlich und sehr gerade heruntergefallen“, sagt Annette Stange. So würde sie sich das auch in Lüdenscheid wünschen. Doch wie groß die Beeinträchtigungen dann für sie sein werden, das weiß sie überhaupt nicht.
Weitere Informationen zum Vorgehen
Bernd Löchter, Sprecher der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH, sagte dieser Zeitung, man werde jetzt in die Detailplanung der Sprengung gehen. So müsse etwa das Gelände unter der Brücke so modelliert werden, dass der Bauschutt nicht abrutsche. Zudem müssten die Gebäude in Brückennähe gesichert werden. Löchter rechnet mit einem Zeitraum von etwa sechs Monaten bis zur Zündung. Mit dem Fällen von Bäumen sei bereits gestern begonnen worden.
Alternativ zu einer Sprengung hätte die Talbrücke zuerst aufwendig von unten eingerüstet und dann Stück für Stück abgetragen werden müssen. Das hätte deutlich länger gedauert.
Erleichterung in der Region
In der Region löste die Neuigkeit aber auch Erleichterung aus. „Das ist eine sehr wichtige und sehr positive Nachricht“, sagte der Olper CDU-Bundestagsabgeordnete Florian Müller. Er hoffe, dass das Bundesverkehrsministerium nun zeitnah einen verbindlichen Zeitplan für den Neubau der Brücke vorlegen werde.
„Es freut mich sehr, dass wir hier jetzt Gewissheit haben und dass es technisch möglich ist, die Rahmede-Talbrücke an der A 45 zu sprengen“, sagte Marco Voge, Landrat des Märkischen Kreises. „Ein langwieriger Abriss kann durch die mögliche Sprengung nun vermieden werden. Das führt zu einer entscheidenden Zeitersparnis und hoffentlich dazu, dass der von der Autobahn GmbH selbst gesteckte Zeitraum von fünf Jahren eingehalten oder sogar unterboten werden kann. Jeder Monat, den die neue Brücke eher steht, ist enorm wichtig für die Region.“
Dudas: Baubeginn der neuen Brücke in einem Jahr?
„Das ist eine sehr gute Nachricht für alle Menschen in der Region, den Standort Südwestfalen und überhaupt ganz Nordrhein-Westfalen, da die A 45 zu den zentralen Magistralen des Landes gehört“, sagte NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes. Sie freue sich, dass der Bundesverkehrsminister sich persönlich zu Wort gemeldet habe. „Jetzt geht es darum, alle weiteren Chancen im Zuge des Genehmigungs- und Planungsprozesses zu nutzen und dafür zu sorgen, dass der Ersatzbau möglichst schnell steht.“ Ihr Ministerium stehe „selbstverständlich weiterhin bereit, um vor Ort mit zielgerichteten Maßnahmen die Situation der Umleitungen weiter zu verbessern“.
„Das ist die erste gute Nachricht, die wir seit Wochen zu diesem Thema hören“, sagte Gordan Dudas, SPD-Landtagsabgeordneter aus dem Märkischen Kreis. Beim Zeitplan gibt er sich zurückhaltend: „Wenn wir in einem Jahr mit dem Bau der neuen Brücke beginnen können, bin ich ein sehr zufriedener Mensch.“ Schließlich befänden sich unter der Brücke ein Fluss und eine Straße. Nun müsse man die betroffenen Anwohner eng einbinden. Dudas: „Die haben unheimlich viele Fragen.“
A45-Talbrücke seit Dezember gesperrt
Seit 2. Dezember ist die Talbrücke im Sauerland voll gesperrt - und damit zugleich eine zentrale Route von Dortmund nach Hessen und nach Bayern unterbrochen. Anwohner vor allem in Lüdenscheid sowie Unternehmen in der bundesweit bedeutenden Wirtschaftsregion Südwestfalen sind stark getroffen. NRW und der Bund hatten bereits früh angekündigt, bei dem Großprojekt an der Sauerlandlinie Tempo zu machen.
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Die Westfalen-Niederlassungsleiterin der Autobahn GmbH des Bundes, Elfriede Sauerwein-Braksiek, hatte noch vor einer Woche betont, ein spezialisiertes Ingenieurbüro untersuche weiter das Bauwerk und Umfeld. In der Frage Sprengung oder Abtragen gelte „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ - angesichts der dortigen Wohnhäuser. Als bisheriges Zeitziel hatte sie fünf Jahre für einen Neubau genannt. Seit der Vollsperrung auf der Sauerlandlinie wird weiträumig über andere Autobahnen umgeleitet. (dpa)