Lüdenscheid. Die A 45-Sperrung trifft die Menschen in der Region hart. Ohne Unterstützung, sagen sie, drohe ihnen der Sargnagel. Wie die Politik helfen will.

Die Hilferufe ereilen den Lüdenscheider Bürgermeister fast täglich. „Bei mir melden sich Bürger, die seit Wochen nicht mehr richtig schlafen können, weil ihr Haus an einer Umleitungsstrecke liegt“, sagt Sebastian Wagemeyer. „Die Menschen sind am Limit.“ Viele Unternehmen auch. „Vor allem kleine Gewerbetreibende stehen vor dem Ende ihrer Existenz“, warnt der SPD-Politiker. Marco Voge (CDU), Landrat des Märkischen Kreises, ergänzt: „Wir brauchen dringend Unterstützung. Sonst ist das der Sargnagel für eine ganze Region.“

Es fallen drastische Worte

Mit „das“ meint Voge die Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid. Sie dauert schon acht Wochen – und noch mehrere Jahre. Eine Infrastruktur-Katastrophe. Bei der Pressekonferenz im Anschluss an das zweite Spitzentreffen rund um die Sauerlandlinie und die marode Talbrücke Rahmede fallen viele drastische Wörter. Wagemeyer erzählt zum Beispiel von Anwohnern, deren Vorgärten von Lkw umgepflügt werden, weil die Fahrer die Umleitungsempfehlungen ignorieren und sich dann aus dem Staub machen. Auf dem Schaden bleiben die Eigentümer sitzen.

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Vielversprechende Gespräche mit Anwohnern

Gleich zwei NRW-Minister hören zu: Ina Brandes (CDU, Verkehr) und Andreas Pinkwart (FDP, Wirtschaft).

Dabei gibt es gar nicht viele Neuigkeiten zu verkünden. Elfriede Sauerwein-Braksiek, Chefin der Autobahn GmbH Westfalen, wiederholt, dass ihre Behörde „mit Hochdruck“ am Neubau der Brücke arbeite. Die Gespräche mit Anwohnern, die Grundstücke für den Bau der neuen Brücke zur Verfügung stellen müssen, seien bisher vielversprechend abgelaufen, die ersten ökologischen Ausgleichsmaßnahmen an den Start gegangen. Sogar Gehölz habe man schon geschnitten, um Platz zu schaffen.

Umweltverträglichkeitsprüfung soll wegfallen

Die Autobahn-Managerin verleiht erneut ihrer Hoffnung Ausdruck, den Neubau ohne aufwendiges, also zeitraubendes Planfeststellungsverfahren sowie ohne Umweltverträglichkeitsprüfung vorantreiben zu können. Auch dafür sieht sie positive Signale. Ob die alte Brücke gesprengt werden kann oder mühselig zurückgebaut werden muss, steht allerdings noch nicht fest. Das Gutachten der Spezialfirma ist noch nicht da.

Pinkwart kündigt schnelle Hilfen an

Alle machen Tempo, sagen sie jedenfalls. Auch NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes. Am Donnerstag stehe ein Gespräch mit der Deutschen Bahn an, um zu beraten, wie mehr Güter auf der Schiene transportiert werden können, kündigt sie an. „Wir tun zudem alles, um die Umleitungsstrecken zu entlasten“, betont die Politikerin. So sollen etwa die Brücken an der Bundesstraße 54 so verändert werden, dass Lkw unter ihnen herfahren können. Das Thema Lärmschutz sei ebenfalls in Arbeit.

Bei diesem Punkt, genauer gesagt, bei dessen Finanzierung, will auch der Bund helfen. Was er aber noch nicht darf, weil Land- und Kreisstraßen nicht sein Geschäft sind. „Das wollen wir rechtlich ändern“, kündigt Andreas Pinkwart an.

Warten auf ein Förderprogramm

Rechtlich gibt es noch eine Menge zu ändern. So existiert zum Beispiel noch kein Förderprogramm, das den von der Sperrung betroffenen Unternehmen in der Region langfristig unter die Arme greifen könnte. „Dafür gibt es beihilferechtlich keinen Rahmen. Das ist Neuland“, sagt Pinkwart, der übrigens beim Spitzentreffen gar nicht selbst dabei war, sondern nur bei der anschließenden Pressekonferenz.

Es hagelt Absichtserklärungen. Der Wirtschaftsminister verspricht in einem ausgedehnten Monolog Betrieben, die wegen der A 45 akut in eine Notlage geraten, Unterstützung, beispielsweise über die Kfw-Bank. Er meint Kredite, keine Zuschüsse, also nicht das, was die Firmen erwarten. „Wir sind in der Lage, schnell zu helfen, damit niemand existenziell betroffen ist“, sagt Pinkwart.

Hat Berlin die Tragweite erkannt?

Ralf Geruschkat, dem Hauptgeschäftsführer der SIHK, geht das alles viel zu sehr nach Schema F. „Mit jedem Tag Sperrung verlieren die Unternehmen Umsatz“, sagt er auf Anfrage dieser Zeitung. „Die Region stecke in einer Sackgasse.“ Wenn der Neubau nicht schneller als üblich gelinge, „werden viele Unternehmen nicht überleben. Wie man das juristisch und praktisch löst, müssen die Verantwortlichen klären.“ Und die sitzen in Berlin. Teilnehmer der Runde beklagen anschließend, dass in der Hauptstadt die Tragweite des Problems wohl nicht nicht angekommen sei.

Sind zwei Jahre Bauzeit unrealistisch?

Einer Planungs- und Bauzeit von maximal zwei Jahren redet während der Spitzen-PK niemand mehr so recht das Wort. Es scheint, als habe sich die realistische Einschätzung der Autobahn-Chefin Sauerwein-Braksiek durchgesetzt. Sie geht von fünf Jahren aus.

Gleichwohl wollen sich die Experten auf Initiative der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer am Freitag anhören, wie denn der Neubau der eingestürzten Brücke in Genua innerhalb von nur zwei Jahren über die Bühne gehen konnte. Wer weiß: Vielleicht kann man sich bei den Italienern die ein oder andere Scheibe abschneiden.