Hamm. Wie lange dauert der Neubau der maroden A-45-Brücke? Die Chefin der Autobahn GmbH Westfalen, Elfriede Sauerwein-Braksiek, fordert mehr Vertrauen.
Elfriede Sauerwein-Braksiek, Leiterin der Westfalen-Niederlassung der Autobahn GmbH, ist Bauingenieurin. Druck definiert sie zuerst physikalisch. Wie sie mit politischem Druck umgeht und wie es jetzt mit dem Neubau der maroden A-45-Brücke bei Lüdenscheid weitergeht, darüber haben wir mit der 62-Jährigen gesprochen.
Das Wichtigste zuerst: Wann rollt der Verkehr über die A 45 wieder?
Ich bleibe bei meiner optimistischen Einschätzung: in fünf Jahren. Dann hätten wir den Brückenneubau in einer Rekordzeit geschafft.
Wenn das optimistisch ist, was ist realistisch?
Normalerweise dauern vergleichbare Neubauplanungen acht bis zehn Jahre. Wenn wir deutlich schneller sein wollen, müssen wir also viele Dinge parallel erledigen.
Dann wären zwölf oder mehr Jahre pessimistisch?
Ja, und aus meiner Sicht auch zu schwarzgemalt. Wir sprechen über einen Ersatzneubau. Wir kennen also die Betroffenheit der Anwohner und von Flora und Fauna.
Dicke Brocken müssen weggeräumt werden
Wer oder was könnte Ihnen die dicksten Steine in den Weg legen?
Das wären in erster Linie Eigentümer, die nicht bereit sind, ihre Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Die Menge des erforderlichen Grunderwerbs hängt unter anderem davon ab, wie wir bauen. Wenn wir einen Überbau neben die vorhandene Brücke setzen müssen, weil wir das alte Bauwerk nicht sprengen können, müssen wir anders planen. Zudem müssen wir sehr aufwendige Baustraßen anlegen; schließlich befinden wir uns in einem sehr steilen, alpinen Gelände. Jeder Pfeiler muss über eine eigene Baustraße erschlossen werden.
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Maßgeblich für das Planungstempo ist, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist oder nicht.
Richtig. Wir haben die Abstimmungen mit Landschaftsbehörden und Naturschutzverbänden gerade begonnen. Darin klären wir, wie stark die Ökologie betroffen ist. Sollte das Ergebnis sein, dass die Eingriffe nicht erheblich sind, können wir auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten.
Gibt es schon erste Erkenntnisse?
Wir haben in einem Pfeiler der Brücke geschützte Fledermäuse entdeckt; zudem brüten dort Wanderfalken. Wir prüfen jetzt, wie wir die Tiere umsetzen können, die Fledermäuse beispielsweise in umliegende Höhlen. Ob uns das bremst, lässt sich noch nicht sagen.
Mit Umweltverträglichkeitsprüfung wird das volle Programm nötig
Und wenn die UVP nötig wird?
Dann müssen wir das volle Programm der Planfeststellung abfahren, also eine komplette Planung aufsetzen, das Gelände kartieren, den Eingriff in die Wasserökologie klären, den Lärmschutz regeln, alles für die Öffentlichkeit offenlegen, Einwendungen bearbeiten und Klagen in Kauf nehmen. Dann sind wir bei den genannten zehn Jahren.
Welche Rolle spielt die Frage, ob die Brücke vier- oder sechsspurig gebaut wird?
Das ist eine juristische Diskussion. Wenn wir uns im Rahmen der Straßenunterhaltung oder reinen Erhaltung bewegen, dann ist das Projekt nicht UVP-pflichtig. Wenn wir aber über einen Neubau oder wesentliche Änderungen sprechen, dann muss zuvor geprüft werden, ob ein Planfeststellungsverfahren erforderlich ist. Meine Auffassung ist: Die Talbrücke Rahmede ist eine fünfstreifige Autobahn, die zuletzt nur mit vier Streifen unter Verkehr war. Wir bauen sie jetzt etwas stärker und etwas breiter, aber sie bleibt ein reiner Ersatzneubau. Wir nehmen sie so unter Verkehr wie sie ursprünglich planfestgestellt wurde. Aber es geht um rechtliche Fragen, die ich nicht zu entscheiden habe.
Können Sie die alte Brücke sprengen?
Das wissen wir noch nicht. Der Kontakt mit der Spezialfirma, die auch die Talbrücke Rinsdorf sprengen wird, steht. Leider hatte sie bis zum 10. Januar Betriebsferien. Wir haben sie aber überzeugt, dass es sich um einen Notfall handelt und wir schnell Ergebnisse brauchen. Ob eine Sprengung möglich ist, muss sehr gut geprüft werden, denn dort stehen ja Gebäude. Deshalb kann die Prüfung durchaus mehrere Monate dauern; aber wir hoffen, vorher zumindest eine Tendenz zu bekommen.
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Und wenn die Sprengung unmöglich ist?
Dann müssen wir eine Brücke unter der Brücke bauen, um sie Stück für Stück abzutragen. Dafür benötigen wir eine Baugrunderkundung, umfangreiche statische Berechnungen und eine europaweite Ausschreibung. Das kann zwei Jahre dauern. Deshalb würden wir gleichzeitig die neue Brücke auf Behelfspfeilern errichten und sie dann einschieben.
Wer trägt die Verantwortung dafür, dass die Sanierung der Brücke im Jahr 2017 verschoben wurde?
Diese Brücke hat eine lange Geschichte, sie war von Anfang an ein Sorgenkind, weil schon bei Abnahme Defizite festgestellt wurden. Das Bauwerk musste in den vergangenen Jahren immer wieder teilweise saniert werden. An der Entscheidung, die Brücke abzulasten, also weniger Verkehr zuzulassen, um eine längere Nutzungsdauer zu erzielen und sie aus der Priorisierung nehmen zu können, waren am Ende viele Fachleute beteiligt. Aus heutiger Sicht war das eine Fehleinschätzung.
Händeringend neues Personal gesucht
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat Sie angewiesen, „alle möglichen Ressourcen und Mittel“ zur Verfügung zu stellen, um das Projekt zu beschleunigen. Deutschland, also auch die Autobahn GmbH, leidet unter dem Facharbeitermangel. Wo bekommen Sie die Ressourcen her?
Wir priorisieren unsere Aufgaben neu. Das heißt: Andere Projekte müssen warten. Selbstverständlich suchen wir händeringend neues Personal, allerdings ist der Markt ziemlich leer gefegt. Allein im vergangenen Jahr haben wir in Westfalen 200 neue Leute eingestellt. An ein solches Projekt sollten Sie aber auch nicht ausschließlich Berufseinsteiger setzen. Wir kooperieren deshalb verstärkt mit externen Ingenieurbüros und schichten intern Personal um. Ich kann Ihnen versichern: Wir arbeiten mit Hochdruck an der Talbrücke Rahmede. Viele Kollegen engagieren sich über die Regelarbeitszeit hinaus, auch an Wochenenden. Der Druck, der auf meinen Mitarbeitern lastet, ist enorm.
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Und der Druck, der auf Ihnen lastet? Politik und Wirtschaft fordern eine Realisierung des Neubaus in zwei Jahren.
Mein Anspruch ist es, die Brücke so schnell wie möglich unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeiten hinzustellen. Ich habe immer gesagt, dass ich zwei Jahre für nicht realistisch halte. Wenn aber eine Baufirma nachweisen kann, dass sie das schafft, bin ich sofort dabei. Wir versuchen mit unserem Fachwissen und guter Kommunikation zu erklären, warum wir die Zeitschiene so sehen. Nichts ist schlimmer als etwas zu versprechen, das man nicht einhalten kann, oder unrealistische Forderungen aufzustellen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wir tun alles, um so schnell wie möglich fertig zu werden. Dafür brauchen wir Vertrauen und Unterstützung von allen Beteiligten beim Bund, beim Land und der Region.