Lüdenscheid. Kann sie gesprengt werden oder muss sie abgerissen werden? Während noch über die gesperrte Brücke Rahmede diskutiert wird, schafft Google Fakten.
Das Netz schafft Fakten, zumindest virtuelle: Während in der realen Welt noch geprüft und diskutiert wird, ob die marode A-45-Brücke Rahmede in Lüdenscheid gesprengt werden kann oder doch aufwendig Stück für Stück abgerissen werden muss, ist sie bei der weltweit führenden Internet-Suchmaschine Google schon verschwunden. Beim Kartendienst Google Maps klafft dort eine Lücke, wo eigentlich die Rahmedetalbrücke noch steht, von der seit zehn Tagen klar ist: Nie wieder wird ein Fahrzeug im normalen Verkehr über sie fahren, sie muss abgerissen und neu gebaut werden.
Bis dahin wird jahrelang eine Lücke in der Sauerlandlinie – eine der wichtigsten Autobahnen Deutschlands – klaffen. Dass die Brücke jetzt schon bei Google fehlt, ist kein Wunder: Das NRW-Verkehrsministerium hatte die Anbieter von Navigationssystem darum gebeten, die Brücke aus dem Kartenmaterial zu entfernen, um so Umleitungsrouten sichtbar zu machen.
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Ob die eigentlich so wichtige Nord-Süd-Verbindung zwischen dem Rhein-Main-Gebiet und Südwestfalen/Ruhrgebiet auch „offline“ noch mehr vom Netz genommen wird, ist noch nicht klar. Die NRW-Chefin der staatseigenen Autobahn GmbH, Elfriede Sauerwein-Braksiek, hatte jüngst im NRW-Verkehrsausschuss angekündigt, dass schon ab vergangener Woche an mehreren Autobahnkreuzen die A 45 nicht mehr als Fernverbindung zwischen Dortmund und Frankfurt hätte ausgeschildert werden sollen. Der Verkehr soll schon früher auf Ausweichstrecken umgeleitet werden. Noch ist der Schritt aber nicht umgesetzt: „Die Abstimmungen dazu auch mit den benachbarten Niederlassungen laufen“, so Susanne Schlenga, Sprecherin der Autobahn GmbH in NRW.
Spiegel: Zahl der sanierungsbedürftigen Brücken verdoppelt
Ihre Kollegen der Autobahn-Zentrale in Berlin zeigen sich bei einem anderen Punkt zugeknöpfter. „Wir kommentieren den Spiegel-Artikel nicht“, lautet die Reaktion auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins. In dem wird von einem internen Papier der Autobahn GmbH berichtet, demzufolge die Autobahnbrücken in Deutschland in einem noch schlechteren Zustand sind als bisher bekannt. Die Sauerlandlinie wäre somit erst der Anfang. Es sei absehbar, dass viele vor 1985 gebaute Brücken mittelfristig erneuert werden müssten. Die Autobahn GmbH habe die bundesweit 28.000 Brücken unter die Lupe genommen und komme zu einem ernüchternden Ergebnis: „Nach ersten Berechnungen ist von mindestens einer Verdoppelung von derzeit etwa 200 auf etwa 400 Autobahnbrücken pro Jahr auszugehen“, heißt es in dem Spiegel-Bericht.
Ob diese Prognosen tatsächlich Bestand haben, ist noch offen. Nach Informationen dieser Zeitung ist der Bericht bislang nur ein Zwischenstand. Man arbeitet in Berlin noch an der Endfassung, die dann das sein soll, was Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vergangene Woche bei der Fragestunde im Bundestag beim Thema „Marode A-45-Brücke in Lüdenscheid“ angekündigt hatte: Dass der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) an einer umfassenden Bestandsaufnahme der Verkehrsinfrastruktur arbeite. Besonders im Fokus: die Autobahnbrücken.
Erstmals in mehr als 70 Jahren Übersicht für ganz Deutschland
Auch wenn noch gerechnet wird: Die Tendenz des Spiegel-Artikels stimmt. Das wird unserer Redaktion aus informierten Kreisen bestätigt. Demnach werden tatsächlich weitaus mehr Brücken als dringend sanierungsbedürftig eingestuft als bislang bekannt. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Zustand der Brücken in den vergangenen Jahren tatsächlich noch einmal dramatisch verschlechtert hat. Es liegt wohl vielmehr an der neuen Organisationsform.
Bis Anfang vergangenen Jahres lag die Zuständigkeit für die Autobahnen bei den Ländern – obwohl sie Bundesautobahnen heißen. Dann wurde die Autobahn GmbH gegründet mit entsprechenden Niederlassungen in den Ländern. Die müssen nun nach einheitlichen Kriterien den Zustand der Brücken bewerten und nach Berlin melden für den auch vom Kanzler gewünschten umfassenden Infrastruktur-Bericht. „Das wird dadurch erstmals in mehr als 70 Jahren Autobahn wirklich vergleichbar“, so ein Insider.
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Die Autobahn GmbH macht offensichtlich auch Druck, die Planungsschritte zu vereinfachen und zu verkürzen. Dafür müsse nicht nur mehr Geld vom Bund zur Verfügung gestellt werden, sondern es müsse auch eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen werden, um die Baumaßnahmen zu beschleunigen. Das hat zuletzt auch Kanzler Scholz noch einmal im Bundestag angekündigt. Man brauche die Bestandsaufnahme, um Prioritäten zu setzen. Die Planer der Autobahn GmbH schauen dabei offensichtlich nach Dänemark, wo es gelungen sei, Planungsverfahren zu verringern.
Autobahn GmbH hat bereits mit Anliegern in Lüdenscheid gesprochen
Für die marode und gesperrte A-45-Brücke sind bislang keine Gesetzesänderungen vorgesehen. Das Bundesverkehrsministerium hatte zuletzt an den Verkehrsausschuss geschrieben, dass man bei der Rahmedetalbrücke die bestehenden Gesetze anwenden wolle. Aber auch auf deren Basis ist die NRW-Niederlassung schon tätig: „Die Autobahn GmbH hat bereits unmittelbar nach der Sperrung im Dezember Gespräche mit anliegenden Grundstücksbesitzern geführt, um den Neubau voranzutreiben“, so deren Sprecherin Susanne Schlenga. „Es müssen Grundstücke für Baugrunduntersuchungen oder Baustraßen genutzt werden, also haben wir den Kontakt zu den Anliegern geknüpft.“
Nach Informationen unserer Zeitung wird es Ende Januar/Anfang Februar auch zu einem neuerlichen Gipfeltreffen zwischen Bund, Land und Autobahn GmbH in Lüdenscheid kommen, an dem dann auch wieder NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) teilnehmen will, die Ende vergangener Woche mit einem Zehn-Punkte-Programm Forderungen an den Bund formuliert hatte.
Ähnliche A-45-Brücke Brücke wird im Februar gesprengt
Wie schnell dann tatsächlich die Realität Google Maps angeglichen wird und die alte Rahmedetalbrücke verschwunden ist, muss sich zeigen. „Derzeit werden die Voraussetzungen mit entsprechenden Experten geprüft“, so Autobahn-Sprecherin Susanne Schlenga. Dass eine Brücke dieser Dimension an der Sauerlandlinie generell so gesprengt werden kann, dass sie senkrecht nach unten fällt, könnte schon am 6. Februar bewiesen werden. Dann soll die alte Rinsdorfbrücke der A 45 im Siegerland gesprengt werden. Sie ist 486 Meter lang und 72 Meter hoch und spielt damit in einer Liga mit der Rahmedetalbrücke. Die ist 453 Meter lang und 75 Meter hoch.
>> HINTERGRUND: Genua-Zitat von Planungsleiter sorgt für Wirbel
- Für Wirbel sorgt ein angebliches Zitat des Planungsleiters der Autobahn GmbH in NRW. Derzeit wird debattiert, ob der schnelle Neubau der eingestürzten Brücke in Genua ein Vorbild auch für die A 45 sein kann. Die Siegener Zeitung zitiert den Planungsleiter, dass gerade solche schnelle Verfahren vielleicht dazu geführt hätten, dass die Brücke eingestürzt sei.
- In sozialen Netzwerken, aber auch bei der FAZ wird diese Aussage so gewertet, dass es in der staatlichen GmbH keinen echten Willen zur Beschleunigung gebe. Autobahn-GmbH-Sprecherin Susanne Schlenga sagt dazu, dass dieses nun weite Verbreitung findende Zitat nicht korrekt wiedergegeben sei: „Zu Genua können wir nicht Stellung nehmen, dazu fehlen uns detaillierte Informationen.“