Lüdenscheid. Was die 250 Kilo schweren Stahlverstärkungen mit der Statik machen und warum Lkw schon auf die Brücke dürfen, wenn der Bau noch nicht fertig ist.

Eine ganze Region leidet unter der Situation, aber sie ist derzeit unveränderbar: Die Talbrücke Rahmede auf der Autobahn 45 bei Lüdenscheid ist noch für mindestens drei oder vier Monate gesperrt und wird in dieser Zeit zunächst nur für den Pkw-Verkehr wieder ertüchtigt. Was jetzt gerade an der Brücke passiert und wie die Brücke neu gebaut wird? Bestandsaufnahme einer Großbaustelle.

Die Schäden

Die Brücke sei „ein filigranes Bauwerk“, sagte jüngst Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen. Das Bauwerk besteht aus einer stählernen Unterkonstruktion (siehe Bild). An den beiden Seitenwänden dieser Unterkonstruktion, sogenannte T-Träger, sind bei den zurückliegenden Untersuchungen insgesamt 250 Verformungen festgestellt worden.

Auch interessant

Die stärkste Verformung führte zur sofortigen Sperrung der Brücke am 2. Dezember: Die nur einen Zentimeter dicke Seitenwand wies an einer Stelle eine 1,6 Zentimeter tiefe Beule auf. Tolerierbar, heißt es von der Autobahn GmbH, wäre ein Drittel davon. Autobahn-Managerin Sauerwein-Braksiek zieht gern den Vergleich mit den leeren Cola-Dosen heran: Sind die Außenwände der Büchse intakt, kann ein Mensch auf ihnen stehen. Doch schon ein kleiner Knick raubt jede Stabilität, bringt alles zum Einsturz. Das ist auch der Grund, warum Einsturzgefahr bestandenhaben könnte.

Die Sicherung

Damit die Brücke an den bereits betroffenen Stellen nicht noch mehr nachgibt, werden in den kommenden Monaten Stahlplatten auf die Seitenwände montiert. „Die Art, Größe und Menge der Stahlverstärkungen wird derzeit abhängig von den Ergebnissen der Schadensanalyse ermittelt“, heißt es von der Autobahn GmbH auf Nachfrage: „Klar ist, dass die Profile, die an die fünf Meter hohe Längswand angeschraubt werden müssen, ein Gewicht von bis zu 250 Kilogramm haben können.“

Auch von außen müssen die Stahlverstärkungen an die Seitenwände montiert werden.
Auch von außen müssen die Stahlverstärkungen an die Seitenwände montiert werden. © dpa | Markus Klümper

Die Platten werden von außen und innen an die Seitenwände aufgebracht, um die Beulen wieder glattzupressen und ein erneutes verbeulen zu verhindern. Erhebliches zusätzliches Gewicht für eine ohnehin baufällige Brücke? Man sei gerade dabei, teilt die Autobahn GmbH mit, „die durch die Verstärkung veränderte Statik der Brücke zu berechnen“.

Auch interessant

Ein Stahlbauunternehmen sei für die Tätigkeiten bereits beauftragt und entwickele derzeit gemeinsam mit einem Statikbüro und weiteren Stahlexperten das Montagekonzept. Voraussichtlich wird ein Wagen unter der Brücke angebracht, der mit Rollen auf den unteren T-Stücken des Trägers läuft. Für die Arbeiten an der Außenwand wird zusätzlich ein Fahrzeug auf der Brücke fahren, das seinen metallenen Arm mit einem bemannten Korb daran ausfahren kann.

Die Probleme

Drei, eher vier Monate werden diese Arbeiten dauern. Erst dann können wieder Autos über die Brücke fahren. Allerdings nur, wenn die Witterung mitspielt. Denn die ist „vor allem für die Arbeiter auf der Baustelle ein Problem“, heißt es vom Autobahn-Management. Grund: Unter der Brücke, in bis zu 70 Metern Höhe über dem Tal, könne es sehr windig, feucht und kalt sein. „Es ist darum ein häufiger Wechsel der Arbeiter notwendig.“

Auch interessant

Welche Komplikationen die angedachte Lösung mit der Notverstärkung sonst noch mit sich bringen kann, soll eine Probemontage zeigen, die am südlichen Ende der Brücke geplant ist. „Hier wird auch überprüft, ob die Verformungen durch die Montage der Profile tatsächlich soweit geradegezogen werden können, dass eine Verbesserung der Statik eintritt.“ Das scheint bislang weniger klar als vermutet.

Der Neubau

Der Neubau einer Brücke würde im Normalfall acht bis zehn Jahre dauern, doch durch Sondergenehmigungen soll es auch in der Hälfte der Zeit gehen. Ob das klappt, ist fraglich. Der Ablauf wird voraussichtlich ähnlich zu dem der neuen Lennetalbrücke in Hagen sein: Ein erster Brückenteil wird seitlich von der jetzigen Trasse auf provisorischen Pfeilern errichtet. Dieser erhält an seinen Enden einen vorübergehenden Anschluss an die bisherige Strecke, damit der Verkehr – inklusive Lkw – über das Provisorium geführt werden kann. Das bedeutet: Der Schwerlastverkehr kann wieder rollen, bevor die gesamte Brücke fertig ist. Allerdings – davon geht die Autobahn GmbH aus – wird es vier, fünf Jahre dauern, bis das Provisorium steht.

Verschiebung der Lennetalbrücke im Zeitraffer-Video

weitere Videos

    Während der Verkehr auf der provisorischen Brückenhälfte fließt, wird die alte Brücke abgerissen und die zweite Hälfte auf der bisherigen Trasse komplett errichtet. Sobald die endgültigen Pfeiler für die erste Brückenhälfte ebenfalls gebaut sind, wird diese seitlich auf jene Pfeiler verschoben.