Hagen/Iserlohn. Aufgrund der Sperrung der A45 bei Lüdenscheid geraten Speditionen in Not. „Das ist der Super-Gau“, sagen die, die Zeit und Geld verlieren.

Obwohl die Autobahn 45 in Höhe Lüdenscheid gesperrt ist, herrschte an dem Ort, der zum Sicherheitsrisiko wurde, ordentlich Betrieb. Eine 40-köpfige Taskforce aus Abgesandten der Feuerwehr, der Polizei, der Städte und Kreise sowie von Straßen.NRW fand sich am Montag an der Rahmedetalbrücke ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Autobahn-GmbH: „Auf alle Szenarien vorbereitet sein“

Gleichzeitig gingen die Untersuchungen am Bauwerk selbst weiter: Kontrastmittel wird derzeit auf den Stahl aufgetragen und ein elektromagnetisches Feld erzeugt, um zu sehen, inwieweit sich Risse im Stahl zeigen. „Wir sind durchgängig mit dem Thema beschäftigt“, sagt Susanne Schlenga, Sprecherin der Autobahn-GmbH Westfalen, „um auf alle Szenarien vorbereitet zu sein.“

Sven Groos, Bereichsleiter bei der Spedition Winner in Iserlohn
Sven Groos, Bereichsleiter bei der Spedition Winner in Iserlohn © WP | Winner

Auch auf das, das jemanden wie Sven Groos in seine Alpträume verfolgt: eine mögliche längerfristige Sperrung der Sauerlandlinie, der Schlagader der regionalen Wirtschaft. „Der derzeitige Zustand ist das Worst-Case-Szenario“, sagt Groos, der Bereichsleiter der Spedition Winner am Standort Iserlohn.

A45 ist das Herz unserer Transportwege

Mehr als 100 Mal am Tag, so schätzt er, fährt ein Winner-Lkw normalerweise über die Rahmedetalbrücke: Material bei Kunden in Südwestfalen abholen, Güter-Transporte zu den anderen Niederlassungen in Mannheim oder Erlangen zum Beispiel. „Unser gesamter Verkehr nach Süden läuft über die A45. Das ist das Herz unserer Transportwege“, sagt Groos. „Dieses ganze System fällt jetzt in sich zusammen, weil es in unserem ländlichen Gebiet keine Alternativroute gibt.“

Vier Ausweichrouten - und keine ist akzeptabel

Seine Fahrer in Iserlohn haben derzeit vier Möglichkeiten, um die Rahmetalbrücke zu meiden.

1. Über die 45 bis zur Sperrung, dann quälend langsam durch Lüdenscheid hindurch.

2. Über das Volme- oder das Lennetal bis nach Lüdenscheid und dann auf die A45 Richtung Süden.

3. Die Autobahn 1 Richtung Köln und anschließend auf die A3.

4. Über die A44 bis nach Kassel, dann auf die A7.

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„Jede dieser Routen“, sagt Groos, „kostet uns auf einem Weg 60 bis 90 Minuten.“ Die Autobahnen bei Köln seien immer voll, die A44 meistens auch, sagt Groos. Die Wege über Land sind gepflastert von Baustellen und Einschränkungen, die die Flut im Sommer hinterlassen hat. Eine Branche, die auf Pünktlichkeit und Effizienz getrimmt ist, muss nun teure Umwege fahren und lässt Zeit in Staus und auf Umgehungsstraßen liegen.

Rahmedetalbrücke großräumig umfahren – wegen der Anwohner

Ein extremes und gar nicht so seltenes Beispiel: Muss Ware in Attendorn abgeholt, in Iserlohn umgeschlagen und nach Süden transportiert werden, dann muss die neuralgische Stelle vier Mal passiert bzw. umfahren werden. Vier Mal 60 bis 90 Minuten. „Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar – genau genommen nicht einmal einen Tag lang.“

Region_Ausweichrouten
Region_Ausweichrouten © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Frühestens am Mittwoch soll es erste Ergebnisse geben, ob und wann die A45 wieder befahrbar sein könnte. Bis dahin, hat Groos seinen Fahrern gesagt, mögen sie die Problem-Brücke weiträumig umfahren – „trotz der hohen Spritpreise“ –, um die Nerven der Anwohner zum Beispiel in Lüdenscheid zu schonen.

Keine Hoffnung auf schnelle Freigabe der A45

Groos hadert stellvertretend für viele im Land. Die Zumutungen dieses Jahres reißen nicht ab: Das Coronavirus und die Sicherheitsmaßnahmen dagegen kosten ohnehin schon Zeit und Aufwand, dann kam die Flut, nun die Brückensperrung. „Ich glaube erstens nicht, dass das kurzfristig behoben werden kann. Und ich glaube auch nicht, dass das die letzte Brücke war, die gesperrt werden muss.“ Alle 38 in die Jahre gekommenen Brücken entlang der A45 zwischen hessischer Grenze und Westhofener Kreuz werden saniert oder neu gebaut. Manche – wie die Lennetalbrücke bei Hagen – sind bereits fertig.

Wohin Groos auch schaut, sieht er derzeit Probleme – und kaum einen Hoffnungsschimmer. „Was am Berliner Flughafen zu sehen ist, ist ein Spiegelbild dessen, was mit unseren Autobahnen passiert. Ich frage mich, was der Begriff ,Made in Germany’ noch wert ist.“

<<< HINTERGRUND >>>

Die Talbrücke Rahmede wurde in den 1960er Jahren gebaut. Verkehrsprognose damals für 1980: 25.000 Fahrzeuge. Inzwischen ist die Belastung auf 64.000 Fahrzeuge täglich angestiegen, davon 13.000 Lkw.

Für den genehmigungspflichtigen Schwerverkehr (bis 60 Tonnen) ist das Bauwerk schon einige Jahre gesperrt. Vor der Vollsperrrung galt dort aus Sicherheitsgründen ein Lkw-Überholverbot, ein Tempolimit für Pkw (80 km/h) und Lkw (60 km/h) sowie ein Abstandsgebot von 50 Metern für Lkw.

Seit 2014 ist ein Neubau beschlossene Sache. 2019 sollte er angegangen werden, ehe die Umsetzung auf das Jahr 2026 verschoben wurde.