Hagen. Die Corona-Inzidenzen steigen teils stark an. Aber der Experte sagt: Große Feiern sind in Ordnung. Die Werte für alle Kreise im Überblick.

War es tatsächlich die Jahreshauptversammlung des Fußball-Kreisligisten von Grün Weiß Elben Mitte Oktober, die zu mehreren Corona-Fällen in dem 500-Seelen-Dorf bei Wenden geführt hat? Die Beweisführung ist schwer möglich, die 3G-Regeln seien ja auch eingehalten worden, sagt der Vorstand. Aber Tatsache ist, dass es nach der Versammlung mit rund 50 Teilnehmern mehrere positive Fälle gab.

So wird das Vereinstreffen zum Symbol für eine diffuse Infektionslage im Kreis Olpe, in dem sich die Sieben-Tage-Inzidenz binnen einer Woche mehr als verdreifacht hat. Doch muss dies Folgen haben wie im vergangenen Jahr, als Ende Oktober ein neuerlicher Lockdown in NRW bevorstand, am 1. November die Gastronomie schließen musste und später auch Schulen, Kindergärten und Geschäfte? Nein, das wird wohl nicht so sein. Das zeigt ein Blick auf alle Zahlen für Südwestfalen – und das zeigt die Expertenmeinung von Professor Ulf Dittmer, dem Chef-Virologen des Uniklinikums Essen. Schauen wir auf ...

… die Inzidenzen

Die Sieben-Tage-Inzidenzen in den Kreisen sind hoch, teilweise auch bedeutend höher als vor einem Jahr. Trotzdem gelten sie als händelbar. Zum einen zeigt die Grafik oben: Die Inzidenzen sind bei den jüngeren und damit generell weniger gefährdeten Altersgruppen in der Regel höher als im Durchschnitt. Bei den Über-60-Jährigen und noch mehr bei den Über-80-Jährigen wirkt sich die hohe Impfquote aus. Auch die Gesundheitsämter kommen klar. Das zeigt eine Umfrage bei Städten und Kreisen der Region: Überall ist die Kontaktnachverfolgung gewährleistet. Bei der Stadt Hagen, die lange landesweit die höchsten Werte hatte, endet diese Woche sogar die Unterstützung durch die Bundeswehr.

… die Krankenhäuser

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Der Blick auf die Intensivstationen gibt eine erste Ahnung: Landesweit sind sechs Prozent der Intensivpatienten an Covid erkrankt. In der Region wird dieser Wert – siehe Grafik – an einigen Orten nur leicht überschritten, meist liegt er aber darunter. Und vor allem weit unter den 20 Prozent, die vergangenen Winter als kritische Marke galten.

Ein gutes Dutzend Krankenhäuser in der Region, die Covid-Patienten behandelt haben, haben wir befragt. Das Ergebnis: Meist schlagen sich die höheren Infektionszahlen noch nicht nieder. Ob beim Klinikum Lüdenscheid, beim Klinikum Hochsauerland, dem Allgemeinen Krankenhaus in Hagen, dem Maria Hilf in Brilon oder Jung-Stilling und Marienkrankenhaus in Siegen: Nur wenige Fälle müssen stationär behandelt werden. Lediglich das Kreisklinikum Siegen und das Helios-Klinikum Attendorn sehen leicht ansteigende Fallzahlen. Was die Kliniken Lüdenscheid und Hochsauerland überstimmend berichten: 90 Prozent der Patienten, die auf der Intensivstation landeten, seien ungeimpft.

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… die Impfungen

Impfquoten sind ein heikles Thema – spätestens seit das Robert-Koch-Institut eingestanden hat, dass man keinen genauen Überblick hat und wohl mehr Menschen gegen Corona geimpft sind als angenommen. Unsere Redaktion hat trotzdem alle verfügbaren Quellen ausgewertet und Impfquoten – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – errechnet. Sie liegt bei den Erstimpfungen zwischen gut 80 Prozent im Kreis Olpe und 67 Prozent im Kreis Unna (siehe Grafik). Alle Werte muss man wohl als Mindestquoten bezeichnen, sie liegen eher höher. Klar wird aber auch: Sie steigen nicht mehr entscheidend. Binnen vier Wochen seit der letzten Erhebung sind sie allenfalls im Nach-Komma-Bereich gestiegen. Sprich: Mit ungefähr diesen Impfquoten werden wir Herbst und Winter bestreiten müssen.

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… die Experten-Meinung

Professor Ulf Dittmer ist seit Beginn der Pandemie eine öffentliche Person. Immer wieder hat der Chef-Virologe des Uniklinikums Essen informiert, gemahnt und gewarnt vor den Folgen des Coronavirus. Doch jetzt ist er ziemlich entspannt. Sicher gebe es mehr Infektionen, weil sich wieder mehr Menschen in Innenräumen aufhielten, weil die Schule wieder beginne: „Aber so eine Entwicklung haben wir im August nach dem Ende der Ferien schon einmal gesehen. Dann sind die Zahlen aber irgendwann wieder runtergegangen – ohne, dass neue Maßnahmen ergriffen wurden.“ Das sei auch dem guten Testkonzept in Schulen und Kitas geschuldet gewesen. „Ich rechne daher nicht damit, dass die Zahlen im Herbst und Winter immer weiter und weiter steigen. Offensichtlich ist irgendwann eine Grenze erreicht, ab der dem Virus nicht mehr genug Möglichkeiten zur weiteren Infektion zur Verfügung stehen und die dann die Werte stagnieren oder wieder sinken lässt.“ Vor allem, wenn sich jetzt viele ältere Menschen drittimpfen (Booster) ließen.

Prof. Dr. Ulf Dittmer , Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen .
Prof. Dr. Ulf Dittmer , Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen . © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Was beibehalten werden solle, sei in vielen Situationen der Mund-Nasenschutz. „Ich denke, dass er uns im Herbst und Winter noch weiter begleiten wird. Er ist eine Maßnahme, die wir als letztes abschaffen sollten“, sagt Dittmer . „Wir wissen, er ist sehr effizient.“ Ansonsten seien ja schon viele Maßnahmen aufgehoben worden, so der Virologe: „Es gibt viel mehr Möglichkeiten als vor einigen Monaten. Es sind Feiern möglich, große Veranstaltungen. Das ist auch richtig so.“

… die Landesregierung

Trotz der in vielen Teilen Nordrhein-Westfalens steigenden Zahl an Neuinfektionen plant die CDU/FDP-Landesregierung keine neuen Einschränkungen im gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Leben. Auch wenn nun nach den Herbstferien sicherlich mehr Infektionen bekannt würden, sehe man „aktuell keinen Grund, über eine Verschärfung der Maßnahmen nachzudenken“, sagte ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums auf Anfrage der WESTFALENPOST.

Doch selbst wenn sich die Infektionszahlen – wie in Olpe – weiter kritisch verschärfen würden, so der Ministeriumssprecher, „halten wir weitergehende Einschränkungen für immunisierte Personen keinesfalls für angemessen“. Denn gerade im Hinblick auf die medizinischen Versorgungsstrukturen habe man eine Pandemie der Ungeimpften. „Hier würden weitere Maßnahmen daher ansetzen müssen.“

>> INFO: Die aktuelle Situation in den Schulen:

  • Mit dem Ende der Ferien sind bei den Schnelltests positive Corona-Fälle in allen Kreisen entdeckt worden. Bei den Pool-Tests in den Grundschulen ist noch nicht klar, wie viele Schüler betroffen sind. Die positiven Fälle:
  • Hochsauerlandkreis: 7 Fälle
  • Siegen-Wittgenstein: 6 Schnelltests, 7 Pooltests
  • Ennepe-Ruhr Kreis: 8 Schnelltests, 2 Pooltests
  • Märkischer Kreis: 7 Schnelltests, 6 Pool-Tests
  • Kreis Olpe: 6 Schnelltest, 6 Pooltests.
  • Hagen: 16 Schnelltests, 5 Pooltest.