Hagen/Lüdenscheid. Sie lehnen weiter Corona-Impfungen ab, obwohl sie schwer krank auf der Intensivstation liegen. Wie das das Pflegepersonal massiv belastet.
Es ist ein Thema, über das viele Kliniken in der Region nicht gerne sprechen. Es geht um die Frage, wie sehr Covid-Patienten das Pflegepersonal belasten, wenn sie trotz schwerster Erkrankungen die Impfung weiter ablehnen oder gar die Existenz des Coronavirus leugnen. Und damit auch unterschwellig um die Frage: Muss man das hinnehmen?
Bundesweit hat der Geschäftsführer einer Klinik im bayrischen Rosenheim via ZDF Alarm geschlagen. Die Belastung durch Covid-Intensivpatienten, die sich absichtlich nicht impfen ließen, sei für sein Personal so hoch, dass er sogar für eine generelle Impfpflicht werbe, um das Gesundheitssystem nicht zu überfordern.
Ein Einzelfall oder ein generelles Problem auch in der Region? Zurückhaltung bei den Katholischen Kliniken in Hagen und dem Märkischen Kreis, genauso beim Kreisklinikum Siegen oder auch beim Allgemeinen Krankenhaus in Hagen – alles Häuser, die Covid-Patienten behandeln: Man wolle sich an solchen Diskussionen nicht beteiligen und behandele alle Patienten gleich, abseits von Impfstatus und Meinung. Das tut man auch in den Märkischen Kliniken in Lüdenscheid, doch der dortige Chefarzt der Intensivmedizin und Anästhesie, Professor Thomas Uhlig, spricht offen aus, dass es dieses Problem gibt.
Für alle gleiche Behandlung - das gilt auch für Impfgegner
Er könne die Erfahrungen aus Rosenheim bestätigen. „Das ist bei uns ähnlich“, so der Mediziner, dessen Team allein in Lüdenscheid 28 Intensivbetten betreut. „Aktuell sind die Covid-Intensivpatienten in aller Regel ungeimpft. Und darunter gibt es auch die, die die Impfung trotz ihrer schweren Erkrankung weiterhin generell ablehnen.“
Eine Haltung, die belastend für seine Kolleginnen und Kollegen sei – und vor allem nicht nachvollziehbar: „Wir stehen achselzuckend vor diesen Menschen“, sagt Prof. Thomas Uhlig. „Denn es gibt einfach keinen vernünftigen Grund, sich nicht impfen zu lassen.“ Doch bei der Behandlung müssten seine Kolleginnen und Kollegen, ob Mediziner oder Pflegepersonal, dieses Unverständnis über die Haltung komplett beiseite schieben: „Wir hängen uns da genauso rein wie bei allen anderen Patienten auch.“
Man könnte das Problem damit als Randphänomen abtun – die Fallzahlen bei den besonders pflegeintensiven Covid-Intensivpatienten sind aktuell gering (siehe Grafik) – jedenfalls im Vergleich zum vergangen Herbst und Winter. Und auch die neue 7-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz, die aussagt, wie viele Menschen generell wegen einer Corona-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist noch niedrig.
Trotz weniger Patienten: Keine Verschnaufpause für Kliniken
Aber diese Zahlen spiegeln, so Professor Thomas Uhlig, nicht die wahre Situation in den Kliniken wider: „Wir hatten einfach keine Verschnaufpause. Die Zahl der Covid-Patienten ist zwar gesunken, aber die Intensivstationen sind trotzdem voll mit Menschen, die andere Krankheiten haben oder nach Operationen hier liegen. Und das bei dem großen Fachkräftemangel beim Intensivpflegepersonal. Die Situation ist wirklich angespannt.“
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Dass vor diesem Hintergrund schwer erkrankte beharrliche Impf-Gegner, aber auch generelle Diskussionen um Corona-Maßnahmen eine schwere Belastung sind, kann auch Andreas Braselmann bestätigen. Der Hagener ist seit 1994 Krankenpfleger und als Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest in der Klinik-Branche gut vernetzt. „Es ist nicht nur die hohe Arbeitsbelastung in der Corona-Pandemie, die die Pflegenden mürbe machen kann“, sagt er. „Es sind auch die Diskussionen mit Patienten und deren Angehörigen über Sinn und Zweck einer Maskenpflicht in Krankenhäusern.“
Immer wieder müssten Erkrankte, so Braselmann, auf „Basics“ hingewiesen werden: dass sie ihren Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen haben, wenn sie über Stations-Flure laufen oder wenn Klinik-Personal ihr Zimmer betritt. Und zunehmend schwerer falle es Besuchern nachzuvollziehen, warum in Krankenhäusern Corona-Regeln nicht wie in vielen Teilen des öffentlichen Lebens gelockert werden. Braselmann: „Ich höre von Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich an die Zeiten zu Beginn der Pandemie zurücksehnen, als keine Patientenbesuche erlaubt waren.“
Sorge vor neuem exponentiellem Wachstum bei Neuinfektionen
Wie wird es weitergehen? So schlimm wie im Winter werde die Situation zumindest auf den Intensivstationen dank der schon erfolgten Impfungen nicht wieder werden, so der Lüdenscheider Chefarzt Prof. Thomas Uhlig. Gleichwohl rechnet er mit Problemen bei den Jüngeren: „Bei den über 60-Jährigen liegt die Impfquote bei gut 80 Prozent, das ist extrem gut, bei den 20- bis 60-Jährigen aber nur bei 65 Prozent. Das ist zu wenig, da sind wir schnell wieder im exponentiellen Wachstum bei den Infektionen.“
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- Im Klinikum Hochsauerland werden derzeit ganz überwiegend ungeimpfte Covid-19-Patienten stationär behandelt. „Die Patienten selbst fühlten sich vor ihrer Erkrankung gesund und nicht gefährdet und legten daher keinen Wert auf eine Impfung“, so Sprecher Richard Bornkeßel. „Für die Kolleginnen und Kollegen ist es belastend zu sehen, wenn man Patienten verliert, deren Tod mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Impfung zu verhindern gewesen wäre.“
- Auch auf der Intensivstation des zur Katholischen Hospitalgesellschaft Südwestfalen gehörenden St. Martinus-Hospitals in Olpe werden Covid-Patienten behandelt. Laut Markus Danz, Chefarzt der Anästhesie, komme es nur vereinzelt vor, dass man Menschen behandele, die die Existenz des Coronavirus anzweifelten. „Wir nehmen solche Aussagen von Patienten und Angehörigen zur Kenntnis, machen uns aber nicht mehr die Mühe, uns damit auseinanderzusetzen.“