Hagen. So geht Jazz aus China. Wie Pianist A Bu beim Klavierfestival Ruhr das Publikum in Hagen verzaubert

Gebetsglöckchen läuten wie von ferne im Diskant des Flügels. Bald darauf schwillt eine Sinfonie von Großstadtrhythmen in den Tasten an, um einer neuen Melodie zu weichen, so klar und rein, dass Johann Sebastian Bach sie erfunden haben könnte. Das Hagener Kunstquartier mit dem Emil-Schumacher-Museum und dem Osthaus-Museum ist ein Raum gewordener Katalysator der Moderne. Jetzt wurde das Foyer zum Spielort für das Klavierfestival Ruhr. Der chinesische Pianist A Bu brachte mit seinen Improvisationen über Jazzstandards und Eigenkompositionen ein neues Musikuniversum in den Saal.

Trost und Hoffnung der Musik

Für Dr.-Ing Hans-Toni Junius ist Musik kein netter Zeitvertreib, sondern ein Versprechen. Bereits zum 6. Mal ermöglicht die Firma Wälzholz einen Auftritt des Klavierfestivals Ruhr in Hagen. Die Firma Wippermann unterstützt ein weiteres Konzert. Noch nie waren der Trost und die Hoffnung der Musik so notwendig wie heute. Corona hat die Hagener Wirtschaft und Industrie schwer getroffen. 215 Infizierte, 994 Mitarbeiter in Quarantäne und drei traurige Todesfälle, listet Junius auf. Nach Corona kam die Flut. Wieder sind über 40 Wälzholz-Mitarbeiter unter den Geschädigten. Und kurz vor dem Gastspiel des Klavierfestivals dann das Entsetzen über den mutmaßlich geplanten Terroranschlag auf die Hagener Synagoge. „Wir wollen mit diesem Konzert ein positives Zeichen setzen“, betont Junius angesichts der Schrecken.

Gewaltiger Kraftakt

Klavierfestival-Intendant Prof. Franz Xaver Ohnesorg hat durch die Corona-Pandemie wie alle Kulturveranstalter den Begriff „Flexibilität“ neu definieren müssen. In einem gewaltigen Kraftakt hat das Festival, das traditionell im Frühling spielt, die zweite Staffel kurzerhand in den Herbst verlegt. „Das ist ein riesiges Puzzle mit den Parametern Termin des Künstlers, freier Saal, Termin Sponsor“, beschreibt Ohnesorg die Herausforderungen. „Wir sind darin in der Zwischenzeit sehr erfahren.“

Zwei Aspekte haben das Klavierfestival gleichwohl gut durch die Corona-Monate gebracht. „Wir haben unsere Kundenbindung weiter ausgebaut, zum Beispiel mit einem wöchentlichen Newsletter und einem wöchentlichen Podcast. Dazu haben wir unser Kartenvertriebssystem stark digitalisiert und die kontaktlose Zeit genutzt, um unseren Service zu verbessern.“ Das Klavierfestival ist privat finanziert. Die Zuhörer bleiben treu. Dennoch: „Auch für uns ist es wirtschaftlich alles andere als einfach.“

Mit vier Jahren angefangen

Der junge chinesische Pianist A Bu ist erst 23 Jahre alt. Er hat mit 4 Jahren am Klavier angefangen, mit 15 verließ er seine Heimat, um in New York zu studieren und gilt heute als eine große Hoffnung der Jazzszene. A Bu ist der diesjährige Stipendiat des Klavierfestivals. In Hagen gab er, ermöglicht durch Wälzholz, zwei Konzerte. Dem staunenden Publikum wird dabei klar, wie vielfältig und wundersam die stilistischen Einflüsse sein können, die unter dem Etikett Jazz zu Klängen und Rhythmen werden.

A Bu ist ein Sänger am Klavier, der zu Herzen gehende Balladen improvisiert, mit leisen Tönen, die aus dem Nirgendwo geboren werden und wie Nebel glitzern, den die Sonne vertreibt. Das Publikum muss sich erst einhören, einen gemeinsamen Atem mit dem Pianisten finden, doch als am Ende die Schlussakkorde verklingen, feiern die Gäste den Solisten begeistert.

Vier Konzerte in Hagen

Das östliche Ruhrgebiet ist inzwischen gut an das weltgrößte Festival für Klaviermusik angebunden. Vier Konzerte erklangen es jetzt in Hagen, neben Wippermann im Arcadeon und Wälzholz zweimal im Emil-Schumacher-Museum auch ein WDR-Programm auf Schloss Hohenlimburg. Jeweils ein Konzert in Schwelm und Ennepetal stehen noch auf der Agenda. Nicht von ungefähr beruft sich Franz Xaver Ohnesorg auf den Hagener Kultur-Visionär Karl Ernst Osthaus, dessen Motto „Kultur durch Wandel - Wandel durch Kultur“ ein guter Ariadnefaden im Labyrinth der Krisen unserer Zeit ist. Ohnesorg: „In Krisenzeiten brauchen wir Kristallisationspunkte, um daran zu sehen, dass es weitergeht.“

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