Hagen. Die Politik will Corona-Tests kostenpflichtig machen. Der Preis wird den Betreibern überlassen. Diese nennen Zahlen – und die unterscheiden sich.

Der Mann, um die 30 Jahre alt, sieht aus als könnte er mit bloßen Händen einen fahrenden Zug stoppen, als könnte ihm ein kleines jämmerliches Virus nun wirklich nichts anhaben. Lange hat er das auch gedacht. Er arbeitet als Personenschützer, der Arbeitgeber will, dass er einen negativen Corona-Test vorlegt, deswegen ist er am Dienstag in die Hagener Innenstadt ins Testzentrum gekommen. Erst am vergangenen Wochenende ist er das erste Mal geimpft worden. „Ich war lange Zeit auch Impfgegner“, sagt er. Dann lag ein Kumpel auf der Intensivstation am Beatmungsgerät.

Noch sind die Tests kostenfrei

Der Security-Mann, der anonym bleiben möchte, ist einer der wenigen Menschen, die den Test derzeit brauchen. Noch sind diese kostenfrei für die Bürger, aber die Regierungen von Bund und Ländern einigten sich am Dienstag darauf, dies ab Oktober zu ändern. „Das finde ich nicht gut“, sagt der Muskelmann, „die Gesellschaft wird dadurch nur noch mehr gespalten und jeder Einzelne mehr oder weniger gezwungen, sich zu impfen.“

Was das alles für die Testzentren auch in Südwestfalen bedeuten wird, ist offener denn je. „Entscheidend wird sein, wofür man Tests in Zukunft brauchen wird“, sagt Mike Henning, der während der Corona-Pandemie seine Großraumdisko Capitol in Hagen schließen musste und mehr als zehn Testzentren in NRW (u.a. Hagen, Wetter, Herdecke, Gladbeck, Wesel) betreibt. Das war durchaus lukrativ. „Die Zahlen der Testungen sind in meinen Einrichtungen stark zurückgegangen“, sagt er. Wenn der Test wieder für viele Gelegenheiten wie Restaurantbesuche oder das Fitnessstudio vorgegeben ist, „dann wird sich ein Testcenter auch weiterhin lohnen.“

200 Mitarbeiter in den Testzentren beschäftigt

Er überlegt gerade selbst, wie es weitergehen wird, wie sich der Apparat finanzieren lässt. „Ich finde es verständlich, dass die Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig werden sollen“, sagt er, weiß aber noch nicht, was diese Tests dann kosten sollen. „Das ist freie Marktwirtschaft, das wird interessant werden. Ich denke, wenn ich 200 bis 300 Tests am Tag habe, dann kann ich die für zehn, zwölf Euro anbieten und Tests, Nebenkosten und Mitarbeiter weiterhin finanzieren.“ Eine Station, in der nur 30 Tests am Tag auflaufen, würde es schwer haben. 200 Mitarbeiter beschäftigt Henning in seinen Testzentren.

Kirsten Reska erinnert sich an den Start ihrer Testzentren im Kreis Olpe. „Als ich in meinem Stamm-Supermarkt an der Kasse stand, kam die Verkäuferin aus dem Blumengeschäft an und überreichte mir einen bunten Strauß. Sie sagte, dass sie es toll findet, was ich als Betreiberin von Teststationen für die Allgemeinheit leiste.“ An die Stelle großer Dankbarkeit ist spätestens mit dem Bund-Länder-Gipfel am Dienstag die Frage gerückt, ob die Einrichtungen ohne kostenlose Tests überhaupt noch eine Zukunft haben.

Kernfrage: Welche Standorte sind finanziell zu halten?

Das „Testzentrum Sauerland“ von Kirsten Reska ist an sechs Standorten präsent, auch dort sei die Nachfrage zuletzt merklich zurückgegangen. „Es wäre nicht nur für die, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, sehr schade“, so Kirsten Reska, „wenn wir überlegen müssten, welche Standorte wir überhaupt noch halten können.“

Denn mit kostenpflichtigen Tests verliere man insbesondere die Menschen, die „aus hohem Verantwortungsbewusstsein wissen wollten, ob sie infiziert sind oder nicht“. Also jene, die vor Besuchen bei den Großeltern oder erkrankten Freunden beispielsweise auf Nummer sicher gehen wollten – „die sich sagen, dass die Virenlast trotz zweier Impfungen so hoch sein könnte, dass die Gefahr besteht, andere anzustecken.“

Kostendeckender Betrieb derzeit kaum möglich

Trotz aller guten Absichten für das Gemeinwohl, so Kirsten Reska weiter, müssten Betreiber von Testzentren auch an die Wirtschaftlichkeit denken. „Es rechnet sich nicht, wenn Sie dem medizinischen Personal 20 Euro pro Stunde geben und für Miete und Ausrüstung weitere Kosten anfallen. Die zertifizierten Tests, die wir einkaufen, sind teurer als die 89 Cent, die Sie in Drogeriemärkten für Schnelltests bezahlen können.“

Ein kostendeckender Betrieb eines Testzentrums sei derzeit kaum noch möglich, berichtet der Mendener Ernährungsberater Klaus Gerling, der in seiner Praxis eine kleine Teststelle betreibt: „Die Nachfrage ist in den vergangenen Wochen fast gen Null gegangen“, sagt er. Damit sich das Ganze nach einem Ende der staatlichen Finanzierung für einen Betreiber rechne, müsse man für einen Test „in der Größenordnung um die 45 Euro“ verlangen, so Gerling.

45 Euro für einen Test?

Damit verabschiede man sich allerdings von der ursprünglichen Absicht, durch kostenlose Tests eine großflächige Verbreitung des Coronavirus einzudämmen: „Ich halte die neuen Pläne für die falsche Taktik. Diejenigen, die eigentlich getestet werden müssten, gehen nicht mehr in eine Teststation, wenn es etwas kostet.“