Hagen. In Hagen haben Erdrutsche ganze Straßen mit Steinen zugesetzt. Ein Bewohner berichtet über seine Angst und die Frage, wie es weitergehen wird.
Florian von Westernhagen zieht sich die schwarze Kapuze etwas weiter ins Gesicht. Prasselnd perlen die Tropfen ab. Es regnet auch am frühen Mittwochabend noch. Das ist es ja, was ihm Angst macht. „Ich werde heute Nacht wieder kein Auge zumachen, sondern Nachtwache halten.“ Seine Frau und sein Sohn, zwei Jahre alt, sollen sich hinlegen. Er schüttelt den Kopf. „Das ist alles unnormal, der absolute Wahnsinn.“
Hagen: Die Wassermassen kommen vom Schloss-Hohenlimburg
Direkt neben seinem Haus verläuft der reißende Strom, der vom Schloss Hohenlimburg angerauscht kommt, auf dem Weg ins Tal an Kraft gewinnt und fast alles mit sich reißt. Er hat eine Mauer eingerissen und so die Erde und die Steine freigegeben, die sich zu großen Bergen auftürmten. Steine, Holzlatten, Betonkübel, Gartenstühle verdecken die Straße teilweise komplett, liegen fast ein Meter hoch an den Hauswänden und haben sogar Autos fast vollständig unter sich begraben. Hagen hat der Starkregen, den Tief Bernd mit sich führt, bundesweit besonders heftig getroffen. Und in Hagen gehört dieser Ort zu denen, die am meisten Pech hatten.
„Im Winter ist das ein kleines Rinnsal, im Sommer fließt hier gar kein Wasser. Dass das mal so aussieht, hätte ich mir niemals träumen können“, sagt Florian von Westernhagen. Sein Blick wandert die Straße herunter. Sirenen sind irgendwo in der Stadt zu hören, Blaulicht zuckt weit entfernt durch die nassen Tannen. Es regnet. Immer noch. Die Verwüstung durch die Erdrutsche ist immens. „Man kennt solche Bilder aus Italien oder Österreich...“
Der Vater will Nachtwache halten, damit Frau und Kind sicher sind
Das nicht zu kleine geratene Gartenhaus hinter dem Mehrfamilienhaus, in dem Florian von Westernhagen wohnt, schwebt auf einer Ecke nur noch, weil es ihm den Boden unter den Füßen weggerissen hat. „Wenn es so weiterregnet, dann stürzt es ein“, sagt von Westernhagen in einem Ton, der vermuten lassen könnte, dass das nichts Besonderes sei. Vielleicht hat er das noch gar nicht alles richtig begriffen.
Seit 1 Uhr in der Nacht ist er jetzt wach. Er schläft derzeit im Kinderzimmer, weil der Kleine Zähne bekommt. Er hörte es irgendwann draußen rauschen. Als er aus dem Fenster schaute und die Fluten sah, die gegen das Haus drückten, weckte er seine Familie. Sie verließen das Haus. „Das waren extreme Wassermassen“, sagt er.
Doppelt oder gar dreimal so viel, wie das, was jetzt noch die Straße flutet und einem fast die Beine wegreißt. „Ich hatte Angst, dass das Haus unterspült wird und einstürzt. Als wir rauskamen, waren die Nachbarn schon fast alle da. Da herrschte Panik.“ Irgendwann, sagt er, habe der Druck etwas nachgelassen, habe das Wasser einen anderen Weg genommen, der zumindest ein paar Meter vom Haus entfernt verlief.
Die Frage, wie die Anwohner an Lebensmittel gelangen
Unerbittlich aber stürzte das Wasser in die Tiefe. Ein altes Fachwerkhaus, das schon viele Unwetter gesehen haben dürfte, liegt am Abend verbarrikadiert im Weg des Wassers. Es schoss vorne herein und auf der Rückseite wieder heraus. Es flossen Tränen in der Straße.
Florian von Westernhagen hofft, dass es bald aufhört zu regnen, dass die Nacht auf Donnerstag ruhiger wird, dass bald Entwarnung gegeben werden kann. Aber das ist ja dann noch lang nicht das Ende der Probleme. „Wir wissen nicht, wie lange das alles dauern wird. Der halbe Berg ist auf die Straße gespült worden. Wir kommen gar nicht weg“, sagt von Westernhagen: „Wir haben noch Lebensmittel und Getränke. Aber hier wohnen viele Familien mit kleinen Kindern. Das wird noch Tage und Wochen dauern, bis das freigeräumt ist. Wir müssen gucken, wie wir hier oben klarkommen.“