Hagen. Die anhaltenden Starkregenfälle haben in der Nacht zum Mittwoch große Teile von Hagen absaufen lassen. Hier die Bilanz zum Abend:

Dass der Starkregen kommen würde, konnte angesichts der Prognosen vom Dienstag niemanden überraschen. Doch bis zu 200 Liter Wasser pro Quadratmeter in der Nacht ließen auch die bestens präparierten Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Technischem Hilfswerk (THW) in Hagen kapitulieren. Die Stadt sprach am Abend vom größten Unwetterereignis für Hagen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und rief die Bundeswehr mit ihren Räumpanzern zur Hilfe, um zumindest für Rettungseinsätze Straßen von Geröll- und Schuttmassen zu befreien. Am Abend lautete angesichts der sich dramatisch verschärfenden Hochwasserlage der Appell des Krisenstabes an alle Bürger die an den Hagener Flüssen wohnen: Retten Sie sich in Höhenlagen des Wohnquartiers, in Obergeschosse oder rufen Sie die 112! Den es wurde erwartet, dass sich eine Hochwasserlage einstellt, wie sie bloß alle 25 Jahre vorkommt.

Der anhaltende Starkregen des Tiefdruckgebietes „Bernd“ sorgte am Mittwoch in Hagen für überflutete Straßen, vollgelaufene Keller, einen abgesoffenen Bahnhof in Hohenlimburg, komplett abgeschnittene Ortsteile und Täler, Hangrutsche, ein Deichbruch im Nimmertal, gesperrte Bahnstrecken, Stromabschaltung und ein evakuiertes Altenheim (Martha-Müller-Seniorenzentrum). Besonders betroffen sind Hohenlimburg, Eilpe, Wehringhausen sowie das Volmetal, während die Lage im Norden und Westen der Stadt sich relativ glimpflich gestaltet.

Altenheim komplett evakuiert

Gegen Mitternacht erreichten die ersten Notrufe die ohnehin in erhöhte Alarmbereitschaft versetzte Leitstelle der Feuerwehr, wo sich schnell der erste Brennpunkt in der Wesselbach in Hohenlimburg herauskristallisierte. Als die Lage sich so zuspitze, dass das AWO-Altenheim durchspült wurde und vor dem vollständigen Absaufen eine Evakuierung anstand, wurde gegen 2 Uhr in der Nacht der Krisenstab der Stadt Hagen zusammengetrommelt. „Eine solche Lage ist auch mit 500 Einsatzkräften nicht mehr zu beherrschen“, skizzierte Feuerwehr-Einsatzleiter Ralf Blumenthal die Situation trotz der Unterstützung durch externe Kräfte aus dem Hochsauerlandkreis, dem Kreis Olpe und dem Kreis Siegen-Wittgenstein sowie am Abend aus dem Raum Bielefeld.

Die B54 im Volmetal ist immer wieder durch Geröllmassen und Bachläufe unterbrochen. Nur mit Mühe können die Einsatzkräfte die Versorgung der Menschen mit den wesentlichen Dingen sichern.
Die B54 im Volmetal ist immer wieder durch Geröllmassen und Bachläufe unterbrochen. Nur mit Mühe können die Einsatzkräfte die Versorgung der Menschen mit den wesentlichen Dingen sichern. © Westfalenpost | Dana Mester

Bis zu 200 offene Einsätze registrierte die Leitstelle in nächtlichen Spitzenzeiten. Vollgelaufenen Keller, erhebliche Gebäudeschäden, abgerutschte Hänge, eingestürzte Mauern – das THW kam mit den Räumarbeiten kaum nach, um abgeschnittene Tallagen für die Einsatzkräfte erreichbar zu machen. „Während ein Radlader einen abgerutschten Hang vorne freischob, rutschte dieser hinten wieder nach“, berichtete Blumenthal.

Ein Anwohner wurde in der Unternahmer von einer Schlammlawine verschüttet und musste mit leichten Blessuren im Krankenhaus versorgt werden. Vor allem im Volmetal unterstützten die Landwirte mit ihren Fahrzeugen die Einsatzkräfte beim Freiräumen der Straßen. Autos trieben durch einige Straßen, Menschen mussten von der Feuerwehr aus ihren vollgelaufenen Autos befreit werden. Am Abend drohten sogar die Volmebrücken in der Innenstadt überspült zu werden.

„Wir haben eine massive Unwetterlage, die uns leider voll erwischt hat“, fasste der Erste Beigeordnete der Stadt, Christoph Gerbersmann, als Leiter des Krisenstabes die Lage zusammen.. „Zum Glück konnten wir in Hagen und in der Umgebung genügend Heimplätze und Krankenhausbetten organisieren, um 56 auf den Rollstuhl angewiesene Frauen und Männer aus dem Altenheim sowie 20 weitere Bettlägerige unterzubringen“, machte der Finanzdezernent deutlich, dass das Martha-Müller-Seniorenzentrum in der Wesselbach auf absehbare Zeit nicht mehr nutzbar sein werde.

Busverkehr in vielen Bereichen nicht mehr möglich

Im ab Delstern abgeschnittenen Volmetal lag der Schwerpunkt der Einsatzkräfte darauf, in Zusammenarbeit mit den Kliniken Ambrock die Notfallversorgung der Menschen aufrecht zu erhalten. Die B 54 blieb in weiten Teilen für normale Fahrzeuge unpassierbar. Gegen Mittag hatte die Feuerwehr noch immer 160 Notrufe offen. Vollgelaufene Keller wurden zum Teil gar nicht mehr abgepumpt, weil die Feuerwehr ohne Expertenurteil fürchtete, dass dies die Statik der Immobilien eher gefährden würde. Am Abend trat die Volme dann erneut an mehreren Stellen über die Ufer und schnitt Stadtteile von den Außenwelt ab.

Wie auch in Hohenlimburg hatten sich im Volmetal entlang der ohnehin schon durchnässten Hänge die Bäche in reißende Flussläufe verwandelt, die sich ihre eigenen Routen suchten. Der Busverkehr der Hagener Straßenbahn AG kam in den betroffenen Gebieten komplett zum Erliegen. Am frühen Nachmittag entschied der Krisenstab wie in Corona-Zeiten, erneut Unterstützung bei der Bundeswehr anzufordern, zumal die Regenprognose des Deutschen Wetterdienstes für den Abend und die erste Nachthälfte wenig Hoffnung auf Besserung der Lage machte.

Der heimische Energierversorger Enervie musste in den hauptbetroffenen Abschnitten – vorzugsweise in Hohenlimburg – die Strom- und Gasversorgung unterbrechen. Hier soll erst wieder zugeschaltet werden, wenn die Lage dies technisch sicher zulässt. Parallel dazu bereitete die Stadt alles vor, um in der Aula des Theodor-Heuss-Gymnasiums sowie in der Ischelandhalle eine Notunterkunft für evakuierte und obdachlos gewordene Menschen zu schaffen.

Darüber hinaus berichtete die Stadt von Gebäudeschäden am Hohenlimburger Gymnasium, durch die Decken dringende Wasserströme in den Kindergärten Elseyer Straße und Wiesenstraße, am Hohenhof, im Rathaus Hohenlimburg und zahlreichen weiteren Schulen.

Die für den Abend geplante Muschelsalatveranstaltung wurde bereits am Vormittag abgesagt.

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