Hagen. Rabea Leikop (25) und Mike Warnecke (27) wollen die Zukunft auf dem Land mitgestalten – zum Beispiel bei der Utopia-Bundeskonferenz ab Freitag.

Das Leben auf dem Land birgt Annehmlichkeiten, aber auch Herausforderungen – gerade für junge Menschen. Aus diesem Grund findet von Freitag bis Sonntag – wegen Corona rein digital – die erste Utopia-Bundeskonferenz statt. Dabei handelt es sich um ein Treffen junger Menschen, die das Landleben schätzen und seine Zukunft gestalten wollen. So wie Rabea Leikop (25/Brilon) und Mike Warnecke (27/Kirchhundem).

Viele junge Menschen zieht es in die Städte. Warum Sie nicht? Ein Plädoyer auf das Landleben, bitte.

Mike Warnecke: Ich denke nicht, dass man in der Stadt sein muss, um die Welt gesehen zu haben. Dort wächst man fast behüteter auf als auf dem Land, wo man viel mehr mitkriegt von der Welt und wie sie funktioniert. Ich habe eine ganze Zeit in Köln gewohnt, habe mich aber bewusst für eine Rückkehr entschieden, weil ich es mag, in dem Dorf zu sein, in dem ich jeden kenne, wo ich fast überall klingeln kann, wenn ich Hilfe brauche.

Mike Warnecke aus Kirchhundem will als Teil von Utopia Südwestfalen das Leben für junge Menschen in Südwestfalen verbessern.
Mike Warnecke aus Kirchhundem will als Teil von Utopia Südwestfalen das Leben für junge Menschen in Südwestfalen verbessern. © WP | Privat

Fast zu schön, um wahr zu sein.

Warnecke: Ein Beispiel: Der Keller vom Skiklub musste neulich kurzfristig leergeräumt werden. Ein Kumpel hat ein paar SMS geschrieben und eine halbe Stunde später standen wir mit zehn Mann da und eine Stunde später war alles erledigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in der Stadt funktioniert. Hier ist alles echt.

Frau Leikop? Ihr Plädoyer?

Rabea Leikop: Ich würde mich als typisches Dorfkind bezeichnen, als Landei (lacht). Ich genieße die Gemeinschaft und den Zusammenhalt, ich mag das Vereinswesen und dass man sich hilft. Natürlich sind die ländlichen Gegenden konservativer, aber es liegt dann eben an uns aus der jüngeren Generation, frischen Wind reinzubringen.

Muss man sich als Landjugendlicher manchmal des Vorwurfs erwehren, sozusagen hinter dem Mond zu leben, nicht modern genug zu sein?

Leikop: Ich habe in Düsseldorf und Mannheim gelebt und hatte andere Erwartungen an dieses Leben: Wenn ich zur Uni musste, war ich in Düsseldorf über eine Stunde unterwegs, wenn ich in die Natur wollte, musste ich auch erst rausfahren. Da lobe ich mir meine Heimat, da bin ich sofort im Grünen, habe einen Blick in die Ferne statt vor die Wand des nächsten Reihenhauses. Auch das Leben auf dem Land kann sehr modern sein. Ich bin überzeugt: Die Dörfer sterben nicht aus, das Heil liegt nicht nur in den Städten. Wir müssen die ländlichen Regionen nur für die Zukunft rüsten.

Wie hilft Utopia dabei?

Warnecke: Utopia Südwestfalen ist ein bundesweites Modellprojekt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, das eine Art Sprachrohr der Jugend auf dem Land ist. Utopia wendet sich an alle, die Lust haben, das Leben auf dem Land zu verbessern. Wir wollen nicht nur sagen, was uns stört, sondern auch Ideen entwickeln, wie Dinge verändert werden können.

Rabea Leikop aus Brilon will als Teil von Utopia Südwestfalen das Leben für junge Menschen in Südwestfalen verbessern.
Rabea Leikop aus Brilon will als Teil von Utopia Südwestfalen das Leben für junge Menschen in Südwestfalen verbessern. © WP | Privat

Was stört Sie?

Leikop: Dass auf dem Dorf nur etwa jede volle Stunde mal ein Bus fährt, dass man kaum Möglichkeiten hat, abseits von Schützenfesten Partys zu feiern. Deswegen haben wir uns den Partybus einfallen lassen, der quer durch Südwestfalen fährt. Noch aber ist er eine Idee. Wir haben auch einen Tischkalender zur gendergerechten Sprache fertig, der kostenfrei in Schulen oder Firmen geliefert werden kann. Auch wir auf dem Land können also jetzt gendern (lacht).

Gibt es weitere konkrete Ideen oder Umsetzungen?

Warnecke: Es gibt ja immer die Vermutung, dass die Menschen in die Stadt wollen, nichts aufs Land. Dabei gibt es Studien, die zeigen, dass es die Menschen in attraktive Regionen zieht. Also müssen wir zeigen, dass es hier attraktiv ist, dass man hier nicht nur schöne Natur hat, sondern auch einen sehr guten Job finden kann bei – zum Beispiel – einem der 150 Weltmarktführer. Seit vier Jahren gibt es das sogenannte „Gap Year“, bei dem junge Erwachsene, die noch nicht wissen, was sie beruflich anstellen wollen, ein Jahr lang bei drei unterschiedlichen Unternehmen reinschnuppern können. Die Idee dazu ist übrigens auch bei Utopia entstanden.

Was passiert auf der Bundeskonferenz am Wochenende?

Leikop: Es ist die erste Utopia-Bundeskonferenz mit Teilnehmern aus ganz Deutschland, die auf dem Land wohnen. In Workshops tauschen wir Erfahrungen aus, erarbeiten Ideen und auch Forderungen, die wir an die Politik stellen werden.

<<< HINTERGRUND >>>

Utopia richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 26 Jahren, die in den Entwicklungsprozess Südwestfalens eingebunden werden sollen – beispielsweise durch Utopia-Teilnehmer als feste Mitglieder in Beratungs – und Entscheidungsgremien der Regionale 2025, einem Förderprogramm für zukunftsgerichtete Ideen. Die Utopia-Bundeskonferenz, zu der sich Teilnehmer kurzfristig noch anmelden können, steht unter der Schirmherrschaft von Elke Büdenbender, Juristin und Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, statt. Sie ist in Salchendorf im Siegerland groß geworden.