Winterberg. . Querdenken ist bei der Konferenz „Utopia“ erwünscht. Rund 30 junge Menschen debattieren darüber, wie das Leben auf dem Land attraktiv bleibt.

Sie sind jung, engagiert und kreativ – Köpfe, die in der Region gehalten werden müssen. Was dafür unter anderem notwendig ist, haben 30 Jugendliche bei einem Workshop im Sauerland selbst erarbeitet. Die 16- bis 26-Jährigen aus Südwestfalen haben auf Einladung der Südwestfalenagentur in Winterberg darüber diskutiert, was den ländlichen Raum in Zukunft attraktiv hält – Utopia lautet der Titel der Denkfabrik für junge Menschen, die seit 2015 jedes Jahr an einem anderen Ort in Südwestfalen stattfindet.

Die Ideen sollen in Regionale 2025 mit einfließen. Die Ergebnisse wurden am Sonntag im Starthaus der Bobbahn Winterberg NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach, HSK-Landrat Dr. Karl Schneider, Winterbergs Bürgermeister Werner Eickler, Jürgen Hillebrand (Sparkasse Hochsauerland) und LEADER-Regionalmanagerin Hannah Kath, vorgestellt.

Die Regionale 2025

Der Hochsauerlandkreis, der Märkische Kreis sowie die Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest haben den Zuschlag für die Regionale 2025 erhalten.

Die Regionale 2025 soll dazu beitragen die Region Südwestfalen für die Zukunft aufzustellen. Es geht darum, Chancen der Digitalisierung zu ergreifen und eine ländlich geprägte Region für junge Menschen attraktiv zu machen und weiter zu entwickeln.

Der Veranstaltungskalender

Die Idee: Unter www.veranstaltungskalender-suedwestfalen.de können Kommunen, Vereine oder sonstige Veranstalter südwestfalenweit ihre Veranstaltungen bewerben. „Jede Stadt hat einen solchen Kalender“, sagt Roxana Küthe, die die Idee in einem Workshop am Samstag mitentwickelt hat. Über den eigenen Kirchturm hinaus gebe es im Internet keine Informationsplattform.

Über eine Maske können die Veranstalter ihre Termine eintragen, die vor dem Upload kontrolliert werden, um z.B. rechtsradikale Veranstaltungen zu blockieren. Die Freizeit-Region Südwestfalen soll auf diese Art und Weise besser vernetzt werden.

Das Feedback: „Ich halte die Idee eines Kalenders für ganz Südwestfalen für schwierig, weil die Entfernungen zum Teil sehr weit sind“, so Jürgen Hillebrand, Sparkasse Hochsauerland. Ein Kalender, der weitere Kreise als um die eigene Stadt zieht, sei aber etwas, das man weiterverfolgen könne.

Autonomes Fahren

Die Idee: In Südwestfalen wird die Idee des autonomen Fahrens intensiv voran getrieben, da insbesondere im ländlichen Raum Strecken weit, die Verbindungen im ÖPNV aber oft mangelhaft sind.

Das Feedback: Winterbergs Bürgermeister Werner Eickler konnte sich mit der Idee nicht anfreunden. „Da bin ich persönlich zu weit von entfernt. Wir müssten uns aus meiner Sicht zunächst um den Ausbau der Straßen kümmern.“ Ministerin Scharrenbach sah das anders: „Ich kann mir das gut vorstellen.“ Es gebe schließlich Modellprojekte, die gerade entwickelt würden. „Ich bin sicher, dass wir das autonome Fahren alle noch erleben werden.“

Das Dorfeinkommen

Die Idee: Ein „bedingungsloses Dorfeinkommen“ soll das Leben in den Dörfern für alle Generationen attraktiver machen. Die Bürger in den Dörfern können selbst entscheiden, wie die finanziellen Mittel verwendet werden.

Vision und Wirklichkeit

Respekt! Das, was die 30 jungen Menschen an diesem Wochenende in Winterberg erarbeitet haben, sind Visionen für die Zukunft. Visionen für ihre eigene Zukunft im Sauerland oder anderen Landstrichen Südwestfalens.

Dass sie sich an einem Wochenende in Winterberg zusammengefunden haben, um darüber zu debattieren, zeigt: Ihnen liegt etwas an ihrer Heimat. Sonst würden sie ihre Freizeit nicht opfern.

Dass diese Denkfabrik seit dem Jahr 2015 Bestand hat, macht deutlich: Es gibt so viele junge Menschen, die den südwestfälischen Raum voran bringen möchten. Das macht Mut.
Die Konferenzteilnehmer haben Schwachstellen erkannt. Die Mobilität auf dem Land ist – ohne eigenes Auto – bei ehrlicher Betrachtung meist erbärmlich. So manches Dorf kann nicht sicher sein, ob es in ein paar Jahrzehnten noch existiert. Über die Belastung durch den Lkw-Verkehr muss man im Sauerland nicht viele Worte verlieren. Und vielen Schulen könnte eine Aufladung mit digitaler Kompetenz sicherlich nicht Schaden.

Worum geht es jetzt? Es geht darum, dass diese Visionen nicht in Schubladen verschwinden. Es geht darum, dass sie weitergedacht werden. Es geht darum, dass Politiker sie ernst nehmen. Nur dann wird aus Visionen Wirklichkeit.

von Boris Schopper

Das Feedback: Es gebe bereits entsprechende Programme der Landesregierung, sagte Ina Scharrenbach. Die Infrastruktur auch auf dem Land zu fördern sei aber grundsätzlich wichtig und erstrebenswert.

Anti-Verkehrskollaps

Die Idee: Mit Hilfe einer digitalen Plattform wird der Lkw-Verkehr auf den Straßen reduziert – und zwar indem die Zahl der Leerfahrten deutlich zurückgeht, die bis zu einem Drittel des Speditionsverkehrs ausmacht. Auf der digitalen Plattform schließen sich Unternehmer mit Spediteuren kurz.

Durch diesen Austausch können Beauftragungen für Fahrten geteilt werden. Ein Lkw müsste die Rückreise nicht mit einem leeren Aufhänger antreten, sondern würde Waren mitnehmen, die ohnehin in Richtung des Ausgangsorts transportiert werden müssen.

Das Feedback: „Ich finde die Idee sehr reizvoll“, sagte Landrat Dr. Karl Schneider. Für eine Umsetzung müssten zwar gesetzliche Normen angepasst werden, aber: „Die Idee sollte man weiterverfolgen, weil der Lkw-Verkehr immer belastender wird.“

Das Bildungsportal

Die Idee: Im Bildungsportal „Woltika“ können Schüler und Firmen für Praktika zusammenfinden. Schüler füllen ebenso wie Unternehmen einen Online-Fragebogen aus – so finden Jugendlich schneller einen Praktikumsplatz, der tatsächlich ihren Stärken und Interessen entspricht.

Das Portal kann auch von Lehrern genutzt werden, um z.B. in den MINT-Fächern außerschulische Lernorte zu finden, die Unterricht anschaulicher machen. Auf der dritten Ebene des Portals können Jugendliche Unternehmen, die sie interessant finden, folgen. Auf diese Weise entgeht ihnen nicht, wenn die Firma einen Ausbildungsplatz, ein Trainee oder etwas Vergleichbares anbietet.

Eine weitere Idee der Gruppe: Das Digitale Education Center. So genannte „Digital Heros“ – also digitale Experten – beraten Lehrer und Schüler bei Fragen zur Digitalisierung an Schulen. Das soll unter anderem dazu führen, dass Unterricht zeitgemäß auch auf digitale Inhalte zugeschnitten wird. Das Digitale Education Center kooperiert mit Hochschulen, Wirtschaft und Politik.

Das Feedback: „Ich finde insbesondere die Idee des Digital Hero sehr spannend – und würde dazu raten, das in den Prozess der Regionale 2025 mit aufzunehmen“, so Ministerin Ina Scharrenbach.