Siegen. Der Virtuelle Hut hat sich in Siegen zum Biotop für artgerechte Haltung von Künstlern entwickelt. Warum der Hut expandiert, verrät Martin Horne.

Martin Horne organisiert das Siegener Sommerfestival, die Nacht der 1000 Lichter und weitere Veranstaltungen. Der 45-Jährige sitzt mit seiner Agentur in Siegen wegen Corona seit einem Jahr auf dem Trockenen. Denn es gibt ja keine Festivals, keine Konzerte, kein Theater mehr im Land. Aus dieser Not heraus wurde der Virtuelle Hut geboren. „Wir sind ein Biotop für artgerechte Haltung von Kulturschaffenden“, so beschreibt Horne, was sich hinter dem klangvollen Namen verbirgt. Der Virtuelle Hut bringt in Siegen seit einem Jahr Künstler gegen Spenden auf die digitale Bühne.

Dahinter steht ein Verein mit Sebastian Zimmermann aus Netphen als Ideengeber und Vorsitzenden, Dirk Hartmann und Martin Horne selbst. Bis zum 31. Dezember hat der Virtuelle Hut bereits 51.680 Euro Spenden gesammelt, von denen Gagen in Höhe von insgesamt 35.000 Euro an Künstler ausgezahlt werden konnten. Über 130.000 Besucher haben sich die bisher über 90 Veranstaltungen live und in der Mediathek angesehen; schon beim ersten Livestream vor einem Jahr waren über 400 Zuschauer dabei. Jetzt will der Virtuelle Hut auch in die Region hinein ausstrahlen.

Nothilfe für Künstler

„Ursprünglich war das als Nothilfe für Siegener Künstler gedacht“, erläutert Martin Horne. „Wir haben bei jeder Sendung aufgerufen zu spenden. Künstler, die nicht auf das Geld angewiesen sind, haben ihre Gage aus Solidarität an den Virtuellen Hut gespendet“, beschreibt Horne die Anfänge. Da das Kulturbüro des Kreises Siegen-Wittgenstein die Initiative unterstützt, können die Live-Streams im Siegener Kulturhaus LYZ gedreht werden. „So kommen alle auf die Bühne und sind froh, dass sie wieder auf die Bühne dürfen. Wir haben inzwischen, 20, 30 Künstler auf der Warteliste. Wir sind offen für alles, für alle Künstler, die neue Formate und Ideen haben. Wenn es ein spannendes Projekt ist, machen wir das.“

Ganz unversehens wird der Virtuelle Hut damit zum Experimentallabor und Beschleuniger für Kreativität – eine Rolle, die früher die lokalen Kleinkunstinitiativen inne hatten, was aber auch vor Corona zusehends schwieriger wurde, weil der Mainstream-Druck bis in die örtlichen Kulturvereine reicht. „Das ist auch ein Aspekt von Corona: Die Schubladen im Kopf überwinden, was gute Musik oder Kunst zu sein hat. Ich finde es schade, dass wir in einer Gesellschaft leben, wo jeder nur noch dem Mainstream hinterherjagt. Junge, unbekannte Künstler haben kaum noch Gelegenheit, hochzukommen.“

Keine Berührungsängste

Der virtuelle Hut kennt keine Berührungsängste. Lesungen, Talkshows, Konzerte, Comedy, Hörspiel, Tanzaktionen Dance Battles, Mixed Shows, Kabarett und Kindertheater sind bisher im Programm. „Vom Vortrag über Bäume bis zur großen Klassik mit der Philharmonie Südwestfalen ist alles dabei“, schildert Horne. Weil die Idee so erfolgreich ist, können weitere Kulturveranstalter unterstützt werden, zum Beispiel die Musikschule Siegen mit der Aktion Momos Musikzimmer, die Jugendkunstschule, das Junge Theater und das Café Basico.

Die auftretenden Künstler schätzen – neben den Spenden – die Möglichkeit, sich überhaupt wieder zeigen zu können. Und sie dürfen das Videomaterial, das bei der Produktion entsteht, für sich weiter nutzen.

Wissen soll weitergegeben werden

Martin Horne vom Vorstand des Vereins Der Virtuelle Hut in Siegen
Martin Horne vom Vorstand des Vereins Der Virtuelle Hut in Siegen © Martin Horne Agentur, Siegen | Martin Horne Organisation

Nun scheint die Zeit reif, mit dem virtuellen Hut über Siegen hinaus zu expandieren, nach Limburg und jüngst nach Wenden in mit der Band Eve in der Industriebrache Apparatebau Rothemühle. „Wir können uns vorstellen, dass wir auch in eine andere Region fahren und dort eine Veranstaltung mit den drei bekanntesten Künstlern vor Ort machen. Das kann sich jedes Kulturbüro leisten“, sagt Horne. „Vor allem aber geben wir unser Wissen und unsere Erfahrungen gerne weiter. Wir sind grundsätzlich offen, Schützenhilfe zu geben, wenn sich Initiativen selbst etwas aufbauen wollen. Denn wir wissen, welche Fallstricke es gibt.“ Ein Streamingworkshop für den Kulturring Südwestfalen hat bereits sehr großen Anklang gefunden. „Wir können das“, sagt Horne.

Der virtuelle Hut beweist, wie vielfältig, lebendig und kreativ die Kulturszene in der Region ist. Dass der Verein bleibt, wenn Corona geht, scheint ausgemacht.

Der Virtuelle Hut bietet Live-Streaming mit Künstlern der Region. Zudem gibt es eine Mediathek. www.der-virtuelle-hut.de