Bestwig. Gisbert Kemmerling aus Bestwig organisiert große Open Airs in der Region. Seit März 2020 ist er wegen Corona zum Nichtstun verurteilt.

Das Wichtigste vorweg. Bis Ende März, spätestens direkt nach Ostern, wird Gisbert Kemmerling zusammen mit seinen Mitstreitern sagen können, ob die großen Sommerveranstaltungen in der Region über die Bühne gehen können oder verlegt werden müssen, das Biggesee Open Air, das Willingen Open Air und das Büren Open Air, Formate, die bereits 2020 Corona zum Opfer fielen. „Wir müssen ja auch noch Vorbereitungszeit haben und die Leute, welche die Infrastruktur stellen, müssen Bescheid wissen.“

Gisbert Kemmerling, der bekannte Konzertveranstalter aus Bestwig, resümiert nach einem Jahr, das war wie keins zuvor, sachlich: „Bis Sommer halte ich noch durch. Wenn dann immer noch nichts passieren darf, muss ich Zeitungen austragen gehen.“

Jedes Konzert ist ein Puzzle

Den wenigsten Besuchern von Open Airs oder Hallenkonzerten ist klar, wie viele Jobs und wie viel Wertschöpfung an der Veranstaltungsbranche hängen. Das Publikum sieht die Stars auf der Bühne, aber es sieht nicht die Organisatoren wie Gisbert Kemmerling, die Beleuchter, Tontechniker, Caterer, Sicherheitsleute. Jedes Konzert ist ein Puzzle, bei dem viel Können ineinandergreift. Was wird aus diesen hauptsächlich soloselbstständigen Tourtechnikern? „Genau das ist der Punkt“, sagt Gisbert Kemmerling. „Die satteln jetzt um, werden Gabelstaplerfahrer, Elektriker, Maurer oder LKW-Fahrer. Gerade im Bereich LKW-Fahrer herrscht wegen Corona eine riesige Nachfrage.“

Gisbert Kemmerling selbst sind alle Standbeine weggebrochen; er kann Gastronomie, Konzerte veranstalten und Fußball, er wurde als DJ gebucht. „Von all dem kann ich nichts machen“, konstatiert er. Um nicht zu verzweifeln, startet er morgens mit Waldläufen und fährt viel Rad. „Man muss sich selbst Perspektiven schaffen.“

Lange Erfahrung im Rock-Geschäft

Mit seinen 63 Jahren und der langen Erfahrung im ‚Haifischbecken Rockmusik‘ hat Kemmerling einen differenzierten Blick auf die Welt - und auch auf die Corona Politik der Bundesregierung. „Es ist nicht alles nur schlecht“, sagt er. „Die Unterstützung vom Frühjahr 2020 ist angekommen, davon muss ich jetzt einen Teil zurückzahlen. Die ersten November- und Dezemberhilfen sind erfolgt. Man hat schon ein bisschen Geld überwiesen bekommen. Ich kann durchaus noch bis zum Sommer klar kommen, aber dann muss es Perspektiven geben. Wenn gut geimpft wird, habe ich die Hoffnung, dass im Herbst mit Hygienekonzepten wieder Indoor-Veranstaltungen möglich sind.“

Gisbert Kemmerling ist der Mann, der den Rock‘n‘Roll ins Sauerland brachte. Vor 38 Leuten spielte „Fury in The Slaughterhouse“ erstmals 1988 dank seiner Einladung in der Briloner Lok. Die Band kannte seinerzeit noch niemand, ihren Erfolg hat sie auch dem Sauerländer Publikum zu verdanken.

Hoffnung auf die Open Airs

Bestens vernetzt, pflegt Kemmerling Kontakt zu den Branchengrößen und ist normalerweise nur im Turbobeat-Modus unterwegs. „Jetzt sitze ich Zuhause und mache Sport und habe das Gefühl, dass ich im Vorruhestand bin. Man ist zum Nichtstun verurteilt. Wenn ich mit Bekannten aus der Branche spreche, ist das teils desaströs, einige sind richtig am A...“

Mit den allgegenwärtigen Videokonferenzen versucht Kemmerling zusammen mit der A.S.S. Konzertagentur aus Hamburg und Dietmar Harsveldt vom Biggesee Open Air, die drei anstehenden Open Airs in der Region vorzubereiten. Die Teams sind auf dem Sprung, sie könnten sofort loslegen, sie warten auf das „Go“, Mark Forster, Wincent Weiß, Nena, und weitere namhafte Künstler sollen an den Biggesee kommen. Sarah Connor, Max Giesinger und die Fantastischen Vier nach Willingen sowie The Boss Hoss nach Büren.

Ein Stück Unabhängigkeit

Gisbert Kemmerling hat sich bewusst schlank aufgestellt, er ist ein Einmann-Unternehmen und kauft sich die Logistik bei Bedarf hinzu. Das sichert ihm in der Krise ein Stück Unabhängigkeit. Der Konzertveranstalter versucht, die Pandemie philosophisch zu sehen. „Wer den Rock‘nRoll lebt, der muss auch mit dem Corona-Blues klarkommen.“

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