Der Lockdown hat auch sein Gutes. Man braucht niemanden einzuladen. Trotzdem träumen Männer von Grills, die Befehle geben
Das Schöne am Lockdown ist ja, dass man die Verwandtschaft nicht zum Kaffeetrinken einladen muss. Damit bleiben einem demütigende Erfahrungen erspart. Aus unerforschlichen Gründen gelte ich beispielsweise als furchterregende Bäckerin. Sobald ich sage, kommt doch Samstag mal vorbei, ich probiere ein neues Kuchenrezept aus, setzt eine Massenflucht ein. Und das alles nur, weil damals der flüssige Teig aus dem Rhabarber-Baiser quoll.
Die Männer haben es einfacher. Die kaufen sich einen smarten Grill. Der schickt Handlungsanweisungen an das Mobiltelefon. Zum Beispiel: „Das Steak auf den Grill legen.“ Soweit sind wir also gekommen, dass wir uns von einem Grill bevormunden lassen. Wenn ich hingegen bei der Gartenparty zu Fränze sage: „Willst Du das Fleisch nicht langsam mal auflegen“, dann kassiere ich eine verbale Klatsche nach dem Motto: Halt Dich bloß raus.
Der Wunsch nach einer Existenz ohne Lebensrisiko
Es wird viel über die selbstverschuldete Unmündigkeit des modernen Menschen geredet, dieser Wunsch nach einer Existenz ohne Lebensrisiko mit dreifach gesichertem Seil und doppeltem Boden und ewig fluffigem Rhabarberkuchen. Doch wenn die Leute sich soweit entmündigen, dass sie damit überfordert sind, eigenverantwortlich die Bauchfackeln auf den Rost zu packen, kriege ich mehr Angst um die Zukunft als wegen der Klimakrise. Zur alltäglichen Problemlösungskompetenz gehört doch das Wissen, wie man die Zahnpasta aus der Tube kriegt oder die Kartoffeln häufelt oder Kinder macht. Spaß beiseite, der Nannygrill hat noch mehr Befehle drauf: Das Steak wenden. Das Steak vom Grill nehmen. Oh je.
Womit wir wieder bei meinem Rhabarber-Baiser wären, der mir auf immer und ewig nachhängen wird. Backen ist ein gutes Sinnbild für das Leben an und für sich. Man kann viel falsch machen. Na und? Wie bei den meisten Tätigkeiten werden Bäckerin und Bäcker durch beharrliches Üben besser. Und man lernt das Improvisieren. Warum ein Gebäck einmal perfekt gelingt und das andere Mal klitschig aus dem Ofen kommt, weiß doch in Wahrheit kein Mensch – und schon gar kein Grill.
Wichtig ist, dass man sich zu helfen weiß. „So überlässt du nichts mehr dem Zufall“, wirbt der Smartgrill um seine Käufer. Das sind die Leute, die mit einem Kühlschrank voller Würstchen verhungern, weil sie einen Grill brauchen, der ihnen sagt, dass sie das Zeug in die Pfanne werfen müssen.
Ich wiederum halte den Zufall für die Mutter der Kreativität. Und außerdem wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Notfalls mit dem Löffel statt der Kuchengabel.