Hagen. Musiker Mambo Kurt hat Auftrittsverbot. Als Arzt trägt er seinen Teil im Kampf gegen Corona bei - und schläft im Tourbus vor dem Impfzentrum.

Mambo Kurt hat seinen Bus schon geparkt. Es ist der Bus, mit dem er sonst auf Tour ist, mit dem der Alleinunterhalter zu Festivals fährt, wo ihm Tausende Fans zujubeln, wo er manchmal nach seinem Auftritt seine Instrument mit einem Vorschlaghammer zerlegt. Popstar halt. Die Stationen seiner neuesten Tour sind aber andere als sonst: Lüdenscheid, Olsberg, Herne, Recklinghausen. Am Montag: Hagen, Heimatstadt.

Mambo Kurt war auf dem Weg zum Chirurgen – und wurde Kult-Musiker

Dort parkt er vor dem Impfzentrum und wartet auf seinen Einsatz. Denn der Mann, der sich als „lustigen Musikanten“ bezeichnet, der mit seiner Heimorgel Kult-Status und bundesweiten Ruhm erlangte, ist Arzt. Gestatten: Dr. med Rainer Limpinsel, einst auf dem Weg zum Chirurgen. „Ich genieße, dass ich jetzt mit 54 offenbar eine natürliche Autorität habe. Ich meine: Ich habe nicht gerade volles Haar und eine Lesebrille. Alle halten mich für den Chefarzt und hören auf mich.“ Er lacht.

Bei der Arbeit: Der aus Hagen stammende Künstler Mambo Kurt arbeitet während der Corona-Pandemie im Impfzentrum – am Montag zum Beispiel in Hagen.
Bei der Arbeit: Der aus Hagen stammende Künstler Mambo Kurt arbeitet während der Corona-Pandemie im Impfzentrum – am Montag zum Beispiel in Hagen. © WP | Privat

Als die Ärztekammer vor dem aufziehenden Szenario einer Corona-Pandemie zu Beginn des vergangenen Jahres eine Abfrage durchführte, welche Mediziner im Ernstfall bereit wären, in ihren Job zurückzukehren, da meldete sich Mambo Kurt. „Für den Fall, dass es ganz schlimm kommt und jeder im Krankenhaus gebraucht wird, habe ich mich damals gemeldet.“ Es kam zum Glück weniger schlimm. Doch helfen kann er nun trotzdem: beim Impfen. „Ich kann meinen Beitrag dazu leisten, diese Pandemie hinter uns zu bringen“, sagt er.

Übernachtung im Tourbus vor dem Impfzentrum

Corona-Check: Thesen zur Corona-Krise

weitere Videos

    Seit März fährt er von seinem Wohnort Bochum aus jede Woche andere Impfzentren in NRW an. Und übernachtet am Abend vorher am Zielort in seinem Tourbus, in dem es ein Notbettchen gibt. „Mambo Kurt schläft sonst auf Tour natürlich im Hotel. Aber ich bin ein absoluter Spätaufsteher. Ich habe 22 Jahre lang keinen Wecker gebraucht. Selbst Flüge in den Urlaub kamen vor 11 Uhr nicht infrage. Jetzt aber ist um 7.30 Uhr Dienstantritt, so richtig mit Stechuhr.“ Aufstehen, Zähneputzen, ab ins Impfzentrum. Immer mittwochs gibt es den Dienstplan für die kommende Woche. Vorbei das schöne, unstete Leben des Künstlers? „Man meint ja immer, wir wären alle so Hallodri. Aber als Musiker weiß ich normalerweise schon anderthalb Jahre im voraus, wann ich wo auf der Bühne stehen werde – und bis auf die Minute genau, wie lang. So ein Stagemanager versteht da weniger Spaß als der ärztliche Direktor im Impfzentrum.“ Er lacht wieder.

    Mambo Kurt, der einst mit seiner Heimorgel für einen Kasten Bier an einem Trash-Abend in einer Bochumer Disko auftrat und kurze Zeit später bei RTL und Virgin unter Vertrag stand, darf seit einem halben Jahr nicht mehr auf die Bühnen. Dr. Rainer Limpinsel kann helfen, dass sich das bald ändert. Ein Mensch, zwei Rollen. Nie schienen sie mehr miteinander zu verschmelzen.

    20 Jahre lang nicht mehr als Arzt gearbeitet

    Rainer Limpinsel hat acht medizinische Bücher geschrieben über Diabetes, an der er selbst erkrankt war, die er aber mit einer Ernährungsumstellung in den Griff bekam. Seit mehr als 20 Jahren hat er nicht mehr als Arzt gearbeitet, zu verlockend war damals das Showbusiness, zu monoton erschien ihm die Aussicht auf die Arbeit im OP. „Ich gebe zu: Nach meinem ersten Tag im Impfzentrum und zwei Gläschen Rotwein nach Feierabend war ich kurz mal melancholisch: Warum bist du nicht im Krankenhaus geblieben? Aber ich weiß, dass das auf Dauer kein Beruf für mich wäre.“

    Nicht selten wird Mambo Kurt bei seinen Auftritten – wie hier Rock Hard Festival in Gelsenkirchen – von den Fans auf Händen getragen.
    Nicht selten wird Mambo Kurt bei seinen Auftritten – wie hier Rock Hard Festival in Gelsenkirchen – von den Fans auf Händen getragen. © WAZ FotoPool | Sebastian Konopka

    Die Spritze setzt Limpinsel nicht selbst, er führt die Aufklärungsgespräche, prüft, ob aus medizinischer Sicht etwas gegen die Impfung spricht. „Zu Beginn der Kampagne hatte man auch mal Leerlauf, aber mittlerweile ist da die Hölle los. Wir impfen in einem durch.“ Als Mambo Kurt gibt’s derzeit kein Geld, für den Dr. Limpinsel schon. „Natürlich nehme ich das Geld gern mit, aber das wiegt meinen Verlust bei weitem nicht auf. Ich bin froh, dass ich helfen kann“, sagt er.

    So ganz ohne Heimorgel, Hemd und Brille hat ihn bislang im ärztlichen Einsatz auch noch keiner erkannt. Das ist ihm durchaus recht. „Ob ich nun vor 15.000 Menschen auftrete oder hier Oma und Opa impfe“, sagt er, „beides macht mich gleichermaßen glücklich.“

    <<< HINTERGRUND >>>

    Beim Wacken Open Air, einem der weltweit größten Heavy-Metal-Festivals, hat Mambo Kurt einen festen Platz. Einem größeren Publikum wurde er durch Verona Pooths Fernsehshow „Veronas Welt“ bekannt, in der er 1999 für die musikalische Untermalung sorgte. Von 2006 bis 2017 war er ­regelmäßig
    in der „Pierre M. Krause Show“ im SWR zu sehen.

    Mambo Kurt schuf sich mit seiner Orgel eine eigene Nische: skurril, witzig, unterhaltsam. Selbstbeschreibung: „Ich sage immer: Wenn du nicht tanzt und Spaß hast, dann kannst du Mambo Kurt nicht ertragen.“