Hagen. Wer nach Holland will, muss in Quarantäne, auf Kuba aber reicht ein negativer Corona-Test. Der Hagener Markus Schmalstieg nutzte diesen Umstand.

Die Fotos sind schön: Ein türkisfarbener Cadillac am Straßenrand. Ein Restaurant mit Blick aufs Meer. Eine hölzerne Brücke, die unter Palmen zum weißen Sandstrand führt. Gemacht hat die Bilder Markus Schmalstieg. Der Hagener war Anfang Januar für zwölf Tage im Urlaub auf Kuba – während in Deutschland damals wie heute der Lockdown herrscht. „Ich würde das jederzeit wieder machen”, sagt der Hagener.

Deutsche Nordseeküste und Holland sind tabu, aber Kuba geht? Der Fall ist nur ein Beispiel dafür, wie absurd die politischen Maßnahmen manchmal zu sein scheinen, und welche Anforderungen die Krise an jeden Einzelnen stellt: Was darf ich tun? Was kann ich tun? Was sollte ich tun? Fest steht: Jeder beantwortet diese Fragen für sich anders.

Rodelhänge und Restaurants abgesperrt, Reisen aber ist möglich

Die Politiker mahnen weiterhin, dass es wichtig sei, die Kontakte zu beschränken, um die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Hotels und Restaurants haben weiterhin geschlossen, Kinos, Saunen, Schwimmbäder, Fußballplätze und fast alles andere ebenfalls. SogarRodelhänge im Sauerland mussten mit Flatterband abgesperrt werden, weil der Andrang zu groß und damit zu gefährlich wurde. Das war ungefähr zu der Zeit, als Markus Schmalstieg mehr als 8000 Kilometer und gut zehn Flugstunden entfernt am Strand lag.

„Ich habe sehr kurzfristig gebucht”, sagt der 54-Jährige, der im Vertrieb arbeitet. Der Resturlaub musste zeitig weg. „Das Reisebüro hat mich beraten, welche Länder zu den Risikogebieten gehören und welche nicht.” Kuba ist Mitte Dezember keines. Ein anderer Kunde desselben Reisebüros ist bereits dort und meldet: kein Problem hier, alles sicher, alles gut. Schmalstieg bucht Kuba.

Corona-Test bei der Ankunft auf Kuba

Am Silvestermorgen lässt er einen PCR-Test machen, Neujahr hat er das Ergebnis, einen Tag später geht die Reise los. „Notwendig war der Test hier in Deutschland nicht”, sagt er. Er legt ihn zu seiner eigenen Sicherheit ab. Denn weil Deutschland Risikogebiet ist, muss er direkt nach der Landung auf Kuba einen Corona-Test absolvieren. Bis das Ergebnis da ist, darf er die Hotelanlage nicht verlassen. Wer positiv getestet wird, kommt ins Corona-Quartier in Havanna: 14 Tage Quarantäne im Hotelzimmer. Sein Ergebnis liegt nach zwei Tagen vor: erneut negativ. „Ich konnte mich ab dann frei bewegen.” Auf den Wegen in der Anlage herrscht Maskenpflicht, am Pool, auf der Liege, am Tisch nicht.

Zwölf Tage bleibt er, macht Ausflüge in den Süden des Landes, genießt das Wetter, den Strand. Er verlässt das Kuba ohne einen weiteren Corona-Test, landet in Deutschland – und rollt auch vom Gelände des Frankfurter Flughafens, ohne erneut getestet worden zu sein. Kuba ist schließlich kein Risikogebiet. Alles erlaubt, alles möglich. Aber auch nötig? Wie verbreitet ist der Wunsch nach Urlaub derzeit?

Reisebüro-Verband: „Wir spüren, dass die Leute weg wollen“

„Wir spüren ganz klar: Die Menschen halten es nicht mehr aus, sie wollen weg, mal was anderes sehen”, sagt Marija Linnhoff, Vorsitzende des Bundesverbandes unabhängiger selbständiger Reisebüros mit Sitz in Iserlohn. Sie spricht für über 7000 Reisebüro-Inhaber im Land. Derzeit sei der Beratungsbedarf riesengroß: Viele Kunden meldeten sich nicht mit einer Wunschdestination, sondern mit der Frage: Wo kann ich denn hin? „Dass dann aber tatsächlich Urlaub gebucht wird, ist eher der Einzelfall”, berichtet die Hagenerin.

Vor allem Flugreisen seien selten – trotz einer neuen Studie des Robert-Koch-Instituts, nach der die klassische Pauschalreise im vergangenen Sommer kein Treiber der Infektionszahlen gewesen ist. Eigenanreise und Ferienwohnung sind gefragt. Umso erstaunlicher: Wer derzeit aus NRW in die Niederlande reisen will, muss sich am Urlaubsort in Quarantäne begeben. An der deutschen Nordseeküste werden keine Gäste beherbergt. Nach Kuba ist es einfacher: negativer PCR-Test reicht.

Mutiertes Virus von Sansibar

Ganz ohne Risiko ist das nicht. Das beweist ein anderer Fall, der aktuell für Schlagzeilen nicht nur in Hagen sorgt: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass bei einem Reiserückkehrer aus Sansibar der dringende Verdacht besteht, die südafrikanische Virus-Mutationmitgebracht zu haben, die im Vergleich zur klassischen Corona-Variante als deutlich ansteckender gilt. Es wäre der erste Fall in der Stadt. Die Insel im Osten Afrikas war bei Reisebeginn auch kein Risikogebiet.

Markus Schmalstieg weiß, dass nicht jedem gefällt, was er da getan hat. „Das kann ich auch absolut nachvollziehen.” Er hat vorher viel darüber nachgedacht und die Reisepläne vorher mit seiner Familie und seinem Arbeitgeber abgesprochen. Negative Reaktionen seien weder von dieser Seite erfolgt, noch von Freunden und Bekannten im Nachhinein. „Ich nehme Corona natürlich ernst, aber ich bin kein ängstlicher Mensch“, sagt er: „Wenn man sich an die Regeln hält, dann ist die Reise nach Kuba auch nicht gefährlicher als eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in NRW.”

>> HINTERGRUND: Auswärtiges Amt rät von Reisen ab

  • Das Auswärtige Amt rät generell von nicht notwendigen, touristischen Reisen ab. Die Reisewarnungen stellen aber keine Reiseverbote dar. Auch in der aktuellen Situation ist es möglich, Urlaub im Ausland zu machen. Die meisten Staaten lassen Touristen aus Deutschland inzwischen nur noch unter teils harten Bedingungen ins Land. Grundsätzlich gilt: Ohne PCR-Test kann man in kaum ein Land mehr einreisen.
  • In Kuba ist laut Auswärtigem Amt die Zahl der täglichen Neuinfektionen zuletzt in fast allen Provinzen stärker angestiegen.
  • Auch die Einreisebestimmungen wurden in Kuba mittlerweile verschärft. Demnach ist ein negativer PCR-Test in Papierform aus dem Heimatland vorzuweisen, der bei Ankunft nicht älter als 72 Stunden sein darf und von einem zertifizierten Labor stammt.