Hagen. Ein falscher Arzt, der im Hagener Impfzentrum tätig war, sitzt seit Montag in Untersuchungshaft. Das sind die Hintergründe zu dem Fall.
Ein 32-Jähriger, der als angeblicher Arzt für das Hagener Impfzentrum gearbeitet hat, sitzt seit Montagnachmittag in der Justizvollzugsanstalt Hagen in Untersuchungshaft. Wie Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli am Dienstag gegenüber dieser Zeitung bestätigte, wurde der beantragte Haftbefehl vollzogen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem mutmaßlichen Hochstapler Betrug in 28 Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen sowie Urkundenfälschung vor. Die Schadenssumme soll 255.000 Euro betragen.
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Hollywood in Hagen: Wenn Gerhard Pauli, Sprecher der Staatsanwaltschaft, über den Mann spricht, der sich als promovierter Arzt ausgegeben hat, kommt ihm die US-amerikanische Gaunerkomödie "Catch me if you can" von 2002 in den Sinn. Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verkörpert einen Hochstapler, der sich als ausgebildeter Pilot, Arzt und Rechtsanwalt ausgibt. Irgendwann fliegt der Spuk auf.
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Falscher Arzt in Hagen soll für Corona-Tests in Schulen verantwortlich gewesen sein
So ist es auch im Fall des falschen Medizinern in Hagen gewesen, der als angeblicher Facharzt für Psychiatrie und Notfallmedizin mit der Organisation des nichtärztlichen Dienstes im Impfzentrum beauftragt war. Er soll auch Corona-Tests in Schulen vorgenommen haben soll.
Der mutmaßliche Hochstapler hat es bereits in seinem noch einigermaßen jungen Leben zu einer Verurteilung zu zwei Freiheitsstrafen wegen Betruges und Urkundenfälschung (2016, Amtsgericht Ahaus) und zu einer Anklage wegen Betruges, Computerbetruges und Urkundenfälschung in zahlreichen Fällen (November 2020, Staatsanwaltschaft Dortmund) gebracht.
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Und jetzt die Ermittlungen in Hagen. Der falsche Arzt, der 2015 für zwei Wochen als angeblicher Diplom-Psychologe die Landes-Notunterkunft in Selm-Bork (Kreis Unna) für 1000 Flüchtlinge und 100 Mitarbeiter leitete und sich 2014 als Referent des Duisburger Oberbürgermeisters ausgab, hatte offenbar leichtes Spiel: "Man hätte seinen Namen nur googeln müssen und wäre misstrauisch geworden", so Pauli, "es haben offenbar alle Sicherungssysteme versagt."
Falscher Arzt in Hagen: 40 Einzeltaten zwischen Oktober 2016 und Februar 2019
Beispiel Dortmund: Als "Leser, der aus dem Münsterland zugezogen ist", wurde 2015 in einem Anzeigenblatt ein Leserbrief des heute 32-Jährigen veröffentlicht. Und zwar am 1. April - wie passend zu seiner Lebensgeschichte. Er wolle sich ehrenamtlich in Dortmund engagieren, schrieb er: "Ich denke, dass die Welt nur überleben kann, wenn die Menschen mehr tun als ihre Pflicht."
Aus dem Ehrenamt wurde eine Festanstellung beim eingetragenen Verein "Ökumenische Wohnungslosen-Initiative". Zum 1. April 2018. Dem Verein legte er die Urkunde eines „Masters of Psychology“ vor, angeblich an einer niederländischen Hochschule erworben. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Dortmund eine "gefälschte Bescheinigung", so Sprecher Henner Kruse.
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Jedenfalls wird dem zwischenzeitlichen Vorsitzenden eines SPD-Ortsvereins in Dortmund in der Anklage vom vergangenen November (rund 40 Einzeltaten zwischen Oktober 2016 und Februar 2019) unter anderem vorgeworfen, in Namen des karitativen Vereins Gegenstände bestellt und für sich genutzt zu haben. Er soll Gelder für Reisen erhalten haben, die er gar nicht unternommen hat. Und er soll illegal Tankkarten belastet haben.
Hagen: Falscher Arzt soll über längeren Zeitraum ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben
Einer bei der Wohnungslosen-Initiative engagierten Person soll er vorgegaukelt haben, eine Unternehmensberatung gründen zu wollen. Die stille Teilhaberin überwies insgesamt 65.000 Euro an ihn. Eine weitere Zeugin, so Kruse, soll er überredet haben, von ihm Geschäftsanteile in Höhe von 140.000 Euro für ein angebliches Medizinisches Versorgungszentrum in Unna zu erwerben.
Waren die Personen zu gutgläubig? Kruse: "Die Zeugen haben ausgesagt, dass der Angeklagte über einen längeren Zeitraum ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut habe."
Ähnlich muss es bei einem Bekannten des Mannes gewesen sein, der ihm 50.000 Euro in bar nach dem Versprechen gab, es gewinnbringend anzulegen. Das Geld hat der Bekannte nicht wiedergesehen, wie auch die 14.000 Euro, die der heute 32-Jährige auf das Sparkonto seines Patenkindes - der Sohn des Bekannten - einzahlen wollte.
Skandal im Hagener Impfzentrum: Staatsanwaltschaft geht von 255.000-Euro-Schaden an
Im aktuellen Hagener Fall geht die Staatsanwaltschaft derzeit von einem 255.000-Euro-Schaden aus. Dem 32-Jährigen wird Betrug in 28 Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen sowie Urkundenfälschung vorgeworfen. In Hagen soll er seit 2019 aktiv gewesen sein.
Zunächst soll er als angeblicher Bezirksarzt beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) engagiert gewesen sein. Seit Mitte des vergangenen Jahres arbeitete er im Auftrag des DRK für die Stadt Hagen. Tätigkeitsfeld: die Bekämpfung der Corona-Pandemie.
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Für die Organisation des Impfzentrums und für angebliche ärztliche Leistungen soll der freie Mitarbeiter Rechnungen eingereicht haben. Er soll in Schulen Corona-Tests vorgenommen haben, so Oberstaatsanwalt Pauli, "ohne die Befähigung, medizinische Maßnahmen durchzuführen". Auf seiner offenbar gefälschten Approbationsurkunde soll sich die Unterschrift eines Mitarbeiters der Bezirksregierung Arnsberg befinden, der zum Zeitpunkt der Ausstellung bereits im Ruhestand gewesen sei.
Anonymer Hinweis enttarnt falschen Arzt in Hagen
"Der Mann muss sehr überzeugend aufgetreten sein", sagt Gerhard Pauli. Und womöglich Krisensituationen wie den Flüchtlingsstrom oder die Corona-Pandemie ausgenutzt haben, in denen "die Behörden über jeden froh sind, der hilft".
Nicht auszudenken, wenn der mutmaßliche Hochstapler nicht noch rechtzeitig nach einem anonymen Hinweis enttarnt worden wäre. Für Silvester war der falsche Mediziner für den Notarztdienst vorgesehen. Er hatte sich freiwillig gemeldet.
Die beiden Anwälte des Festgenommenen haben am Dienstag auf eine Anfrage dieser Zeitung zunächst nicht reagiert. Nach der Verurteilung 2016 durch das Amtsgericht Ahaus stand der 32-Jährige zum Zeitpunkt seiner Festnahme am Montag noch unter Bewährung. Es könnte sein, dass eine Justizvollzugsanstalt für eine längere Zeit die Meldeadresse des angeblichen Doktors und Diplom-Psychologen sein wird. In einem Internet-Telefonbuch findet sich noch sein Eintrag an seinem früheren Wohnort im westlichen Münsterland. Dazu der Eintrag "Sozialpädagoge".