Hagen. Die Corona-Schutzverordnung in NRW sieht die Schließung der Einzelhandelsläden vor. Doch es gibt Ausnahmen – und manche scheinen ungerecht.

Die „Methode Douglas“ hatte keine 24 Stunden Bestand. Die Parfümerie-Kette hatte sich schnell in einen Drogeriemarkt verwandeln wollen, um den allgemeinen Geschäftsschließungen im zweiten Corona-Lockdown zu entgehen und doch öffnen zu können. Das war keine gute Idee, gestand Unternehmens-Chefin Tina Müller am Dienstagmorgen freimütig ein. „Wir bitten diejenigen um Entschuldigung, die wir mit unserem Vorgehen befremdet oder vor den Kopf gestoßen haben.“ Alle Douglas-Filialen, die am Mittwoch noch geöffnet hatten – wie zum Beispiel jene in Hagen –, bleiben nun geschlossen.

Regalweise Lego und Playmobil

Doch es bleiben Unwuchten in den derzeitigen Regelungen: Kaufhäuser wie Karstadt-Kaufhof müssen schließen. Kleine Einzelhändler in den Innenstädten auch. In der ganzen Region versuchen sie nun Online-Beratungen und Bestellsysteme aufzubauen – mit hygienekonformen Abhol- oder Liefersystemen. Doch während sie viel Energie dort hinein stecken müssen, können große Verbrauchermärkte wie Real oder Kaufland unverändert ihr gesamtes Sortiment anbieten: Regalweise stehen dort Lego- oder Playmobilkartons, Flachbildschirme oder auch iPads, die man nach wie vor dort kaufen kann.

Das ärgert nicht nur Bernd Josts, der in Menden das Spielwaren- und Musikinstrumentegeschäft Mac Joker betreibt und seinen Laden coronabedingt seit Mittwoch schließen muss: „Jetzt werden die großen Verbrauchermärkte in ihren durchaus großen Abteilungen das Spielzeuggeschäft an Weihnachten machen. Die dürfen ja nicht nur ihre Lebensmittelabteilungen offenhalten, sondern alles.“ Ein unfairer Wettbewerb sei das.

NRW-Gesundheitsministerium: Große Verbrauchermärkte dürfen insgesamt öffnen

Und während in den Fußgängerzonen der Betrieb nachlässt, schieben sich tatsächlich die Massen durch die Verbrauchermärkte. Wie etwa gestern Nachmittag in Hagen-Haspe im Real-Markt. Der Senior mustert mit seiner Enkeltochter das reichhaltige Playmobil-Angebot. Es ist kein Weihnachtsgeschenk, das Kind darf etwas für einen Geburtstag aussuchen. „Natürlich finde ich gut, dass ich das hier noch direkt kaufen kann“, sagt der 65-Jährige.

Bernd Jost in seinem Geschäft Mac Joker in Menden: Unfairer Wettbewerb. 
Bernd Jost in seinem Geschäft Mac Joker in Menden: Unfairer Wettbewerb.  © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Ein schlechtes Gewissen hat Real dabei nicht. „Wir betreiben alle unsere Märkte gemäß der gültigen Corona-Landesverordnung für NRW“, so Sprecher Frank Grüneisen. „Und aus dieser ergeben sich aktuell keine Einschränkungen für unser Sortiment.“

Damit hat er wohl auch recht, sagt Mirian Skroblies vom NRW-Gesundheitsministerium, das für die Coronaschutzverordnung zuständig ist: „Liegt der Sortimentsschwerpunkt im Bereich der dringend erforderlichen und in der Verordnung ausdrücklich privilegierten Güter des täglichen Bedarfs, so dürfen die Geschäfte insgesamt öffnen.“ Und das bedeutet bei Real oder Kaufland in der Realität: Weil sie insgesamt so große Verkaufsflächen haben, überwiegt der „privilegierte“ Lebensmittel- und Drogeriemarktbedarf auch dann noch, wenn die Spielzeug-, Elektro- oder Kleidungsabteilung fast so groß ist wie manches Einzelhandelsgeschäft.

Einzelhandel baut Alternativen für die Kunden auf

Ein solches betreibt zum Beispiel Bianka Schulz in der Hagener Innenstadt: Sie ist schon seit 1983 Inhaberin des Spielwarenladens „Schaukelpferdchen“. Umgehungsstrategien wie die großen Verbrauchermärkte hat sie nicht. Stattdessen versucht sie – wie so viele Einzelhändler derzeit – für die Kunden Alternativen aufzubauen.

„Wir sind telefonisch erreichbar, von 10 bis 16 Uhr sind Mitarbeiterinnen im Laden, die beraten, Reservierungen vornehmen, Waren packen.Und der Kunde kann seine bestellte Ware dann an der Durchreiche an der Tür abholen – und bargeldlos bezahlen“, erklärt Bianka Schulz. „In Hagen bieten wir zudem eine Lieferung.“ Versand geht auch. Im ersten Lockdown habe man so einen Teil der Einnahmeausfälle ausgleichen können.

Warum der Internetshop hakt

Doch ein Selbstläufer ist das Ganze nicht: Am ersten Tag des neuen Lockdowns gab es fast keine Anrufe. „Wir hoffen, dass die Menschen noch in einer Orientierungsphase sind und sich bald melden.“ Generell sieht Bianka Schulz den kleinen Einzelhandel benachteiligt. „Ich finde, es liegt eine Ungleichbehandlung vor. Wenn ich sehe, wie die Gastronomie – darunter auch Ketten, die nicht einmal Steuern in Deutschland zahlen – horrende Summen abschöpfen, um die Verluste auszugleichen, und dann sehe, dass der Handel nur Miet- und Heizkostenzuschuss erhält, dann wird uns ein schmerzhafter Stoß versetzt, der viele die Existenz kosten kann.“

Die Woche vor Weihnachten machten immerhin fast zehn Prozent des Jahresumsatzes aus. Und man habe sich ja frühzeitig eingestellt: „Seit dem Sommer arbeiten wir an einem Internetshop“, so Bianka Schulz. „Der hängt aber an der Förderung des Landes. Dort arbeiten sie seit sechs Monaten an der Bewilligung. Deswegen laufen unsere Mitarbeiterinnen immer noch mit den Kunden am Telefon durch den Laden, machen Fotos und versenden sie an die Kunden.“

Handelsverband Südwestfalen kritisiert neue Verordnung

Der Handelsverband Südwestfalen kritisiert, dass die Verordnung großen Verbrauchermärkten mehr Spielraum lässt. „Wir finden diese Regelung nicht in Ordnung. Dies geht natürlich zu Lasten des Facheinzelhandels“, so Geschäftsführer Klaus Willmers.

Er hadert aber auch generell mit den Schließungen: Von Handelsunternehmen gehe nachweislich keine Ansteckungsgefahr aus. „Eine Öffnung, gerade im Weihnachtsgeschäft, wäre auch unter Corona-Aspekten durchaus möglich gewesen. Der Einzelhandel hat sich bisher vorbildlich an die Hygienevorgaben gehalten.“