Köln. Viele Menschen haben Sorge, sich impfen zu lassen. Ein Infektiologe klärt auf und beantwortet die wichtigen Fragen zum Corona-Impfstoff.

  • Die Corona-Impfungen im Sauerland haben begonnen
  • Viele Bürger sind aber unsicher, ob sie sich impfen lassen wollen
  • Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, beantwortet die Fragen unserer Leser.

In Deutschland ist kürzlich der Corona-Impfstoff der Firma Biontech zugelassen worden. Das Impfen der Bewohner und der Pfleger in Seniorenheimen im Sauerland hat begonnen. Auch in den Kliniken in der Region wird das Krankenhauspersonal bereits geimpft. Doch die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, bleibt zunächst gering.

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Jedenfalls geht das aus einer Online-Umfrage unserer Zeitung hervor. „Ich bin doch kein Versuchskaninchen“, haben einige Leser ihrer Sorge Luft gemacht. Der Impfstoff sei nicht ausreichend getestet worden und die genbasierte Methode richte womöglich Schäden im Körper an. Auf diese Fragen antwortet der Mediziner Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln.

Gegen Corona impfen lassen: Infektiologe klärt über Nebenwirkungen auf

Bis ein Impfstoff auf den Markt gebracht wird, vergehen meist Jahre. Biontech wird den Antrag dazu nach nur wenigen Monaten stellen. Geht das auf Kosten der Sicherheit?

Gerd Fätkenheuer: Nein, in dieser Biontech-Studie sind jetzt schon über 40.000 Probanden geimpft worden, das sind sehr viele – auch im Vergleich zu anderen Studien. Man hat dafür genau dieselben Dinge gemacht wie bei jeder anderen Impfstudie auch. Der riesige Unterschied ist der, dass man dafür sonst zwei Jahre gebraucht und es jetzt in wenigen Monaten geschafft hat. Natürlich wird man nachbeobachten müssen, aber das ist auch sonst immer der Fall. Von den Sicherheitsbedingungen gibt es keinen Unterschied.

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Wie ist das möglich?

Das ist natürlich auch eine Frage des Geldes, so eine Studie ist sehr teuer. Dann spielt die Akzeptanz in der Bevölkerung eine Rolle, und die ist anscheinend dieses Mal sehr groß gewesen. Denn man muss ja überhaupt erst Probanden finden, die bereit sind, mitzumachen. Das sind gesunde Menschen, die sich dazu bereiterklären. Dass das alles möglich gemacht wurde, liegt natürlich an der Pandemie, an der Angst und an der Sorge vor dem Virus. Dadurch hat man in wenigen Monaten geschafft, wofür man sonst Jahre braucht.

Der Leiter der Klinischen Infektiologie an der Uniklinik Köln, Gerd Fätkenheuer.
Der Leiter der Klinischen Infektiologie an der Uniklinik Köln, Gerd Fätkenheuer. © dpa

Einige sagen, sie wollten keine Versuchskaninchen für den Impfstoff sein.

Naja, jedes Medikament, jeder Impfstoff, jedes Produkt, das wir anwenden, muss erprobt werden. Und es muss getestet werden, ob es sicher ist. Man würde sich ja auch nicht in ein Auto setzen, das nie getestet wurde. Jetzt geht es aber um etwas, das man am Mensch anwenden will – da kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man es auch am Menschen ausprobieren muss. Das ist nicht zu umgehen und wird immer so bleiben und ist damit nichts besonderes.

Corona-Impfungen: Was hat es mit dem genbasierten Impfstoff von Biontech auf sich?

Besonders ist allerdings, dass es sich zum ersten Mal um einen genbasierten Impfstoff handelt. Was bedeutet das überhaupt?

Hier wird eine genetische Information, also ein Genabschnitt des Virus, geimpft – die sogenannte messenger RNA (Boten-RNA). Diese mRNA wird vom Körper aufgenommen und veranlasst die Zellen dazu, diese Bestandteile selbst zu produzieren. Das ist ein Schritt, der sonst bei Impfungen nicht vorkommt. Der ist aber notwendig, denn sonst gibt es keine Immunreaktion. Wenn dann so ein Bestandteil produziert ist – in diesem Fall geht es um das sogenannte Oberflächenprotein des Virus – dann sieht das Immunsystem: Aha, da ist ein fremdes Eiweiß, dagegen müssen wir was tun. Und dann werden dagegen Antikörper gebildet.

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Besteht dadurch die Gefahr, dass unsere Zellen das ganze Virus produzieren?

Nein. Um es etwas anschaulicher zu machen: Wenn Sie sich vorstellen, Sie wollen ein ganzes Haus bauen, dann brauchen Sie dafür einen Plan, den Sie den Bauarbeitern an die Hand geben können. Hier bekommen die Zellen – also die Bauarbeiter – auch einen Plan, aber nicht für das ganze Haus. Denn das ganze Virus wollen wir ja nicht. Der Plan ist – sagen wir nur für eine Mauer. Allein dadurch erkennt das Immunsystem aber schon: Hier soll ein fremdes Haus gebaut werden, dagegen müssen wir angehen, diese Mauer müssen wir abreißen. Hier ist kein vermehrungsfähiges Virus im Spiel, das kann auch gar nicht entstehen, sondern nur ein ganz bestimmter Bestandteil des Virus.

Kann der genbasierte Impfstoff in unsere eigenen Gene eindringen?

Nein, aber das liegt an dem Wort Gen, dass die Menschen solche Ängste haben. Das ist ein Missverständnis. Wir bestehen alle aus Genen, das Wort allein sagt aber ganz wenig aus. Ohne Gene können wir nicht leben. Ein Virus ist nicht mal ein Lebewesen, sondern ein Mikroorganismus, der sich mithilfe seiner Gene nur in Lebewesen vermehren kann. Prinzipiell ist es kein Unterschied, ob wir bei einer Impfung einen Eiweißbestandteil eingeimpft bekommen oder einen Genabschnitt eines Virus. Der kann nicht von unserem Körper aufgenommen werden und ständig in unseren Zellen bleiben, das geht mit dieser Methode nicht.

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Was ist denn der Vorteil an der Methode?

Man hat den Vorteil, dass man sehr schnell und relativ leicht – also im Vergleich zu anderen Impfstoffen – riesige Mengen herstellen kann. Wir brauchen ja Milliarden Dosen an Impfstoffen, also weltweit. Mit konventionellen Impfstoffen wüsste man gar nicht, wie das gehen sollte. Mit dieser Methode ist das aber absolut vorstellbar.

Corona-Impfung: Können durch den Impfstoff Krankheiten ausgelöst werden?

Weil er einfacher zu reproduzieren ist?

Ja, da kommen mehrere Dinge zusammen. Man braucht beispielsweise kein Eiweiß, auf dem man das Virus wachsen lässt. Man braucht generell nicht das Virus selbst, um es im Labor zu vermehren und dann den Impfstoff herzustellen.

Was ist über Nebenwirkungen bekannt?

Diese Methode ist zum ersten Mal bei Menschen angewendet worden – man kann nur heranziehen, was man in der Studie beobachtet hat. Wir kennen bislang nur die Pressemitteilung. Und die sagt, dass bisher keine schweren, keine relevanten Nebenwirkungen aufgetreten sind. Das ist, was wir wissen. Aber 40.000 Testungen, das ist eine riesige Zahl. Es gibt viele Impfungen, die auch mit deutlich weniger Probanden zugelassen worden sind. Dabei geht es darum, dass man auch mögliche seltene Nebenwirkungen erkennen kann. Klar, wenn eine Nebenwirkung bei 1 zu 1 Million auftritt, dann hat man keine Sicherheit, die vorher erkannt zu haben. Aber irgendwo muss man eine Grenze ziehen.

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Wie werden mögliche Langzeitfolgen ausgeschlossen?

Das gilt für jedes Medikament, für jeden Impfstoff: Langzeitfolgen sind eben erst langzeitig zu erfassen. Wissen kann man es erst, wenn und über längere Zeit beobachtet hat. Und dann muss man es auch immer wieder in den Vergleich setzen: Was sind die Erfolge einer solchen Impfung und was sind die möglichen Nebenwirkungen? Man braucht die positive Grundbilanz. Aber das sind alles Spekulationen, es gibt ja überhaupt keine Hinweise, dass so etwas passiert.

Können durch den Impfstoff Krankheiten ausgelöst werden?

Die Impfstoffe, die wir heute haben, sind so gut, dass sie in nahezu allen Fällen genau das erzeugen, was man will: Nämlich, dass sich das Immunsystem nur gegen diesen bestimmten Eindringling wehrt, und nicht gegen etwas anderes im Körper. Was in sehr, sehr seltenen Fällen erfolgen kann: Dass das Immunsystem eigene Zellen des Körpers als fremd erkennt. Wenn das passiert, können Krankheiten ausgelöst werden und das kann gefährlich sein. Aber das ist extrem selten, vor allem mit den neuen, sehr spezifischen Impfstoffen. Und das ist auch bei diesem Impfstoff nicht zu erwarten.

Was ist, wenn man Medikamente nimmt oder vorerkrankt ist?

Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, spielen mit Sicherheit eine Rolle. Wenn sie das Immunsystem dämpfen – durch Cortison-Medikamente zum Beispiel, dann ist die Immunreaktion unter Umständen zu schwach, um wirksam zu sein. Darüber hinaus gibt es Krankheiten, die einen ähnlichen Effekt haben, weil sie das Immunsystem schwächen. Auch das Alter ist ein wichtiger Punkt, weil auch das Immunsystem mitaltert. Aber beim Corona Impfstoff wissen wir über all das nichts, es ist noch viel zu früh, um etwas zu sagen. Das wird man natürlich noch sehr genau untersuchen.

Der Impfstoff soll eine Wirksamkeit von 90 Prozent haben. Ist das genug? Und was ist mit den zehn Prozent der Menschen, bei denen er nicht wirkt?

Es geht immer besser und schlechter. Aber es ist in diesem Fall schon mehr, als man erwartet und erhofft hatte. 90 Prozent ist enorm hoch. Beim Masernimpfstoff hat man über 95 Prozent Wirksamkeit, beim Grippe-Impfstoff hat man 50 bis 60 Prozent. Bei 90 Prozent wird es natürlich immer welche geben, die nicht darauf ansprechen, aber das ist am Ende auch nicht so schlimm – denn dann wird man einen großen Teil der Bevölkerung immunisieren können. Und dadurch wird auch die Gefahr für die 10 Prozent immer kleiner.

Aber was passiert, wenn das Virus mutiert? Ist der Impfstoff dann hinfällig?

Das ist etwas, das passieren kann. Bislang haben wir aber keinen Hinweis, dass das Virus so stark mutiert, dass es eine Rolle spielt. Aber klar, das muss man weiter beobachten. Inwieweit Mutationen einen Impfstoff beeinflussen, können wir nicht voraussagen.

>>Hintergrund<<

Bisher gibt es den sogenannten Totimpfstoff und den Lebendimpfstoff, erklärt Prof. Dr. Fätkenheuer. Beim Totimpfstoff impfe man einen bestimmten Bestandteil eines Bakteriums oder Virus, sodass darauf eine Immunreaktion ausgelöst wird. Das Ziel: Den Eintritt des Virus verhindern . Ein typisches Beispiel dafür sei der Grippe-Impfstoff.

Lebendimpfstoffe seien abgeschwächte Viren . Genutzt werde das ganze Virus – allerdings sei es nicht mehr vollständig vermehrungsfähig , es wurde vorher im Labor abgeschwächt. Ein Beispiel: Die Windpockenimpfung. Die Immunabwehr sei gut, allerdings können sich die Viren in selten Fällen im Körper vermehren und eine Infektion auslösen .