Hagen/Schmallenberg. Massenhaft FFP-2-Masken einsetzen? Lungen-Arzt Dellweg ist skeptisch und hält einen weiteren Beschluss aus Berlin für eine Katastrophe.

Ob sie nun tatsächlich in weiteren Bereichen des öffentlichen Lebens zur Pflicht wird oder nicht: Die FFP-2-Maske wird wohl größere Verbreitung finden – allein schon, weil alle Über-60-Jährigen ein gewisses Kontingent kostenfrei bekommen. Aber macht ihr massenhafter Gebrauch auch wirklich Sinn? Ein Lungen-Facharzt aus Schmallenberg ist skeptisch. Ein Virologe aus Köln sieht das Ganze positiver.

Dr. Dominic Dellweg ist Chefarzt für Pneumologie und Intensivmedizin am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft in Schmallenberg. Schon seit Beginn der Pandemie beschäftigen er und seine Kollegen sich mit den unterschiedlichen Masken, die helfen sollen, eine weitere Verbreitung des Virus zu stoppen. Er weiß: Die FFP-2-Maske mit ihren feinen, durch Kunststofffäden erzeugten Poren, mit der elektrostatischen Aufladung an der Oberfläche, kann Viren-haltige Aerosole gut abfiltern.

FFP-2-Maske muss wirklich eng sitzen, sonst wird sie zum Risiko

Aber der Mediziner sieht auch Risiken – insbesondere, weil einen die FFP-2-Maske in falscher Sicherheit wiegen kann. Da ist zunächst einmal die Handhabung: „Die Maske muss wirklich eng sitzen und direkt an der Haut abschließen“, so Dominic Dellweg. „Luft sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands. Da die FFP-2-Maske nicht so durchlässig ist wie eine Stoff- oder OP-Maske, geht die Atemluft zu einem hohen Prozentsatz ungefiltert am Rand der Maske herein und heraus, wenn sie nicht dicht anliegt.“ Das könne zur Folge haben, dass sie weniger nutze als eine klassische Stoffmaske.

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Auch die zum Teil langen Vollbärte, die derzeit gerade auch bei Jüngeren angesagt sind, seien hier ein Risiko: „So bekommen sie die FFP-2-Maske nicht dicht“, sagt der Pneumologe. Der Bart müsse ab oder zumindest sehr kurz geschnitten werden – wie der Mediziner es auch bei seinem Bart selbst getan hat.

Experte: Viele Masken mit gefälschten Zertifikaten auf dem Markt

Ein weiteres Risiko sieht Dellweg, der seine Erkenntnisse zu der FFP-2-Maske auch in einem Positionspapier gemeinsam mit der Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zusammengefasst hat, in den Marktbedingungen. Weil am Anfang der Pandemie die Masken sehr knapp gewesen seien, seien die Prüfstandards heruntergefahren worden. Auch Masken, die nicht den hohen Anforderungen der Europäischen Norm EN149 entsprächen, sondern in anderen Ländern zertifiziert worden seien, hätten eine Sonderzulassung erhalten. Zusätzlich gebe es auf dem Markt viele Produkte mit gefälschten Zertifikaten. Daher erfüllten bei weitem nicht alle auf dem Markt befindlichen Masken die hohen Standards: „Wir haben 15 FFP-2-Masken verschiedener Hersteller, die in Deutschland derzeit erhältlich sind, untersucht: 33 Prozent erfüllen die Standards nicht“, so Dr. Dominic Dellweg.

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Der Lungenfacharzt sieht auch Ratschläge, dass man die FFP-2-Masken doch waschen könne oder nach sieben Tage Ruhezeit noch einmal verwenden könne, weil die Viren dann abgestorben seien, äußerst kritisch: „Durch das Waschen sinkt die Filterfunktion um 20 Prozent. Und nach sieben Tagen Wartezeit mögen die Viren zwar abgestorben sein, aber die Bakterien bleiben vital.“ Dominic Dellweg sieht daher zwar den Nutzen der FFP-2-Maske, aber nur bei der zertifizierten Qualität und einer sachgemäßen Nutzung.

Mit Strumpf-Hersteller Falke in Schmallenberg neue Maske entwickelt

Und unabhängig davon rät der Mediziner zum konsequenten Tragen der Alltagsmasken, er arbeitet aber auch selbst an Alternativen zur einfachen Stoffmaske auf der einen und den FFP-2-Masken auf der anderen Seite. Gemeinsam mit dem Schmallenberger Textilproduzenten Falke hat das Fachkrankenhaus eine waschbare Stoffmaske mit Kunststoffanteil entwickelt. Auch die erhält durch Reibung eine elektrostatische Aufladung an der Oberfläche und soll so die Filterfunktion verstärken.​

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Kritisch sieht Dellweg die Beschlüsse von Bund und Ländern am Dienstag: Dass jetzt auch chirurgische Masken nach der EN 14683 in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften als Alternative zu FFP Masken zugelassen worden seien, sei „schlichtweg eine Katastrophe“, so Dellweg: „Diese Masken wurden zu einem anderen Zweck entwickelt, nämlich das Operationsfeld vor abgeatmeten Keimen des Operateurs zu schützen.“ Chirurgische Masken lägen sehr schlecht am Gesicht an und hätten daher eine hohe Undichtigkeit (Leckage). „Zudem werden sie mit viel größeren Partikeln als FFP Masken getestet, so dass nicht sicher gestellt ist, dass kleine, abgeatmete Partikel auch abgefangen werden.“

Virologe aus Köln bewertet Einsatz von FFP-2-Masken deutlich positiver

Deutlich positiver bewertet Dr. Rolf Kaiser, Leiter der molekularen Diagnostik am Institut für Virologie der Uni-Klinik in Köln, den größeren Einsatz von FFP-2-Masken: „Man kann sagen: OP-Masken schützen besser als Stoffmasken und FFP-2-Masken wiederum besser als OP-Masken. Das bedeutet: Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es natürlich auch hier nicht, aber mit einem größeren Einsatz dieser Masken verbessern wir sie weiter.“ Das gelte auch bei Bart-Trägern. „Und die FFP-2-Maske zwingt einen quasi auch dazu, sie besser aufzusetzen. Wenn man sieht, wie viele sonst die Maske eher unter der Nase oder gar am Kinn tragen, dann ist das bei einer FFP-2-Maske nicht so schnell möglich.“

So wie der Virologe ohnehin ein weiteres Mal an die Bürger appelliert, sich an die schon bestehenden Regelungen und Beschränkungen zu halten: „Wir bräuchten keine Verschärfung der Maßnahmen, wenn sich die Menschen an die jetzigen Regeln halten würden. Aber ganz offensichtlich sind die Leute noch nicht mit der Botschaft erreicht worden.“