Hagen/Sauerland. Ein Hausarzt aus Hagen musste sich sogar wild beschimpfen lassen: Welcher Arzt muss testen? Wer zahlt? Die Antworten.

Max sieht so aus, als wäre er lieber woanders. In zwei Tagen will er mit seiner Freundin, die neben ihm wartet, in den Urlaub. Ungeduldig stehen sie weit hinten in der 100 Meter langen Schlange vor dem frisch wiedereröffneten Corona-Testzentrum in Hagen. „Ich frage mich, ob wir noch drankommen. Und was passiert, wenn nicht“, sagt Max, dessen Gesichtsausdruck finsterer ist als seine schwarze Jacke. Eine Stunde hat das Test-Zentrum geöffnet an Montagen, Dienstagen, Donnerstagen und Freitagen. 30 Minuten noch.

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Von Daniel Berg, Ina Carolin Lisiewicz, Rolf Hansmann und Michael Koch

Das Pärchen will am Mittwoch in den Urlaub fahren. Aber das ist nicht so leicht. Denn die beiden kommen aus Hagen, einem Corona-Risikogebiet. Immer mehr Städte und Kreise überschreiten den Grenzwert an Neu-Infektionen oder nähern sich gefährlich schnell an wie der Kreis Olpe. Für alle Bürger aus Risikogebieten gilt: Nur ein negativer Corona-Test ist die Eintrittskarte für den lang ersehnten Urlaub in den Herbstferien. Hausärzten und Labore ächzen unter dem Ansturm der Urlauber. Und die Lage wirft Fragen auf: Wo kann ich mich testen lassen? Wer zahlt das?

Muss mein Hausarzt einen Coronatest vor dem Urlaub durchführen? Und wie findet der das?

„Am Donnerstag, als Hagen den Risiko-Städten zugerechnet wurde, ist bei uns die Telefonanlage in die Knie gegangen. Meine Mitarbeiter sind von abgewiesenen Patienten, die noch schnell einen Test vor dem Urlaubsstart haben wollten, beschimpft worden“, berichtet ein Hausarzt aus Hagen, der namentlich nicht genannt werden möchte. Abgesehen davon, dass die Abstriche, die er am Donnerstagmorgen gemacht hat, aufgrund völlig überlasteter Labore noch immer nicht ausgewertet sind, ärgert den Mediziner, wie die Behörden mit ihm und seinen Kollegen umgehen. „Wir sind primär zuständig für die Prävention und Behandlung von Erkrankungen und nicht für Urlaubstestungen“, schimpfte der Mediziner am Wochenende. In Hagen wurde deswegen reagiert und das Test-Zentrum errichtet, vor dem die Urlauber am Montag in langen Schlangen standen.

Der Hausarzt ist und bleibt aber der erste Ansprechpartner auch für Urlauber, sagt Vanessa Pudlo, die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). „Er oder sie ist, wie bei allen asymptomischen Testungen, die erste Anlaufstelle. Aber ganz klar ist auch: Die Hausärzte sind nicht verpflichtet, einen solchen Test für Reisewillige durchzuführen.“

Stefan Amerschläger, Hausarzt aus Fröndenberg im Risikogebiet Kreis Unna, bestätigt, dass Ungewissheit gerade bei Patienten herrsche. „Wir hatten am Montag zahlreiche Anrufe von Patienten, die nachfragten, ob wir Corona-Tests durchführen und wie schnell die Ergebnisse vorliegen“, sagt er: „Man merkt, dass reisewillige Patienten durch die teils widersprüchlichen Informationen der vergangenen Tage verunsichert sind und nicht mehr durchblicken.“

Wo finde ich einen Arzt, der den Coronatest vor dem Urlaub durchführt?

Wenn der eigene Hausarzt den Test nicht durchführen kann oder will und es kein Test-Zentrum gibt, dann kann diese Liste auf der Seite der KVWL-Seite helfen. Dort sind alle Praxen aufgelistet, die in Westfalen-Lippe die Tests anbieten. Allerdings basiert die Liste auf einer Abfrage der Kassenärztlichen Vereinigung, als es um Reiserückkehrer sowie Personal aus Schulen und Kitas ging, die sich testen lassen konnten. Ob dies nun auch für die Reisewilligen aus Risikogebieten wie Hagen, Hamm oder dem Kreis Unna gilt, wurde nicht erneut abgefragt. „Und auch hier gilt, dass die Ärzte auf dieser Liste den Test nicht durchführen müssen, wenn sie keine Kapazitäten haben“, sagt KVWL-Sprecherin Vanessa Pudlo.

Was kosten die Tests für Reisewillige?

Die Landesregierung hatte am Freitagabend auf Anfrage der WESTFALENPOST angekündigt, dass die Tests für Bürger aus Risikogebieten kostenfrei für die Bürger sind. Die anfallenden Kosten für Labor und Arzt übernehmen demnach das Land und der Gesundheitsfonds. Die KVWL setzt dies alles zwar um, übt aber auch Kritik an den neuerlichen Regelungen. Allein der Umstand, dass Reiserückkehrer aus Risikogebieten ihre Tests wieder selbst bezahlen müssten, die Bürger aus innerdeutschen Risikogebieten, die verreisen wollten, sie aber bezahlt bekämen, weise Fragezeichen auf, so Sprecherin Vanessa Pudlo.

Gibt es genug Laborkapazitäten?

Im Vorfeld der Entscheidung, alle Reisewilligen aus NRW-Risikogebieten den Corona-Test kostenlos anzubieten, ist offensichtlich nicht mit den Laboren gesprochen worden. Das Labor Wahl zum Beispiel, das Standorte in Lüdenscheid und Hagen hat, hatte sich sehr überrascht gezeigt. „Da ist mir fast die Zahnbürste aus der Hand gefallen. Ich habe mich gefragt: Wie wollen die das machen“, fragte sich Dr. Britta Amodeo, die stellvertretende Laborleiterin, als sie die Nachrichten morgens im Radio hörte. Das Labor Wahl ist schon jetzt stark ausgelastet.

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Ähnliches Bild bei einem Labor in Siegen. Die Anzahl der Proben hat sich im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten mehr als verdoppelt. „Ein Problem, das fast jedes Labor schon hatte, ist, dass unvorhergesehene Ereignisse für eine überdurchschnittliche Anzahl an Proben sorgen“, sagt Standortleiter Dr. Wolfgang Withold. „Die Landesregierung ist mit den Laboren wegen der Testkapazitäten im Gespräch“, heißt es daher auch vorsichtig beim NRW-Gesundheitsministerium. „Wir gehen aber derzeit davon aus, dass ausreichend Testkapazitäten vorhanden sind.“

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