Hagen. Sie war fast zu gut für Hagen – und so ein Glücksfall für das Theater. Dass Marguerite Donlon geht, lässt Fragen offen. Monika Willer analysiert.
Das Ballett wird zunehmend zur Hauptschlagader des Theaters Hagen, denn es lockt neben dem traditionellen Opernpublikum viele weitere Besucherschichten und vor allem junge Leute. Vor diesem Hintergrund ist es ein Alarmsignal, dass die neue Hagener Ballettdirektorin Marguerite Donlon nur eine Spielzeit gebraucht hat, um zu entscheiden, dass sie nicht bleibt. Die bekannte und hochgelobte Choreographin wechselt im Sommer in gleicher Position nach Osnabrück, obwohl sie die besten Zahlen des Hagener Theaterbetriebes vorweist. In der Oper hat Intendant Francis Hüsers die Auslastung seit seinem Amtsantritt vor Corona ja nahezu halbiert.
Damit sind in noch nicht einmal drei Jahren bereits zwei Ballettdirektoren in Hagen verschlissen worden; Donlons Vorgänger Alfonso Palencia musste gehen. Vorher hatte Ballettdirektor Ricardo Fernando 14 Jahre lang für ausverkaufte Abende an der Volme gesorgt; er wechselte im Sommer 2017 aus Enttäuschung und Frustration über die Hagener Spardebatten ans Staatsballett Augsburg, wo er seither die Auslastung in nie gekannte Höhen treibt.
Ein ebenbürtiger, ja noch viel qualifizierterer Ersatz für die Vorgänger
Marguerite Donlon schien ein ebenbürtiger, ja noch viel qualifizierterer Ersatz. Wer die Biographie der international tätigen Irin verfolgt, weiß, dass sie eigentlich eine Nummer zu gut und zu berühmt für das Stadttheater ist. Doch persönliche Umstände machten ein Engagement in Hagen verlockend. Marguerite Donlon brachte neben viel Elan eine Reihe neuer Ideen mit ans Theater Hagen, darunter ein interaktives Tanzprojekt für Jugendliche aus der ganzen Region und die Verpflichtung einer Gebärdendolmetscherin für die Ballettvorstellungen.
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Gleich ihr Einstand mit „Casa Azul“ über die Biographie von Frida Kahlo wurde zur Theatersensation und lockte Publikum weit über Südwestfalen hinaus nach Hagen. Ihr coronabedingter Prolog zu Schwanensee, das wegen der Pademie erst im kommenden Frühjahr gezeigt werden kann, begeistert durch seine innovativen choreographischen Elemente; der Doppelabend „Zart“, der erst am Samstag Premiere feierte, beweist einmal mehr, wie stark und ungewöhnlich die künstlerische Handschrift von Marguerite Donlon ist.
Der Intendant muss Talente fördern, das ist seine Aufgabe
Sie wolle in Hagen und Umgebung etwas bewirken, etwas verändern, hatte sie beim Amtsantritt gesagt. Darauf ruhte die Hoffnung von vielen Kulturfreunden. Das Theater Osnabrück ist dem Theater Hagen in vielen Punkten vergleichbar, steht allerdings nicht unter dem Spardruck, der in Hagen herrscht. Daher stellt sich die Theatergemeinde die Frage, wieso Hagen diese herausragende Künstlerin nicht halten konnte? Welche Einschränkungen oder Umstände haben sie derart belastet, dass sie sich entschieden hat, so schnell nach ihrem Amtsantritt eine neue Wirkungsstätte zu suchen?
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Marguerite Donlon wie Intendant Francis Hüsers betonten am Montag ihre gegenseitige Wertschätzung, alles andere wäre auch nicht professionell. Gleichwohl fehlt dem Theater Hagen derzeit offenbar die Kontrolle von außen. Der Theaterförderverein ist kaum handlungsfähig, der Aufsichtsrat lässt die Dinge laufen, die Kulturdezernentin mischt sich selten ein. Das ist keine gute Konstellation für die besuchertechnischen und künstlerischen Herausforderungen der kommenden Monate - und auch nicht für die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger von Marguerite Donlon.
Als Choreografin seit 20 Jahren erfolgreich
Marguerite Donlon wurde in Longford, einer mittelgroßen Stadt in der Mitte Irlands, geboren. Mit 14 Jahren nahm sie Ballett-Unterricht (Marguerite Donlon: „Ich war eine Spätzünderin“), mit 16 ging sie nach England, um dort Tanz zu studieren.
1987 trat sie dem English National Ballet in London bei. 1990 wurde Marguerite Donlon Solo-Tänzerin an der Deutschen Oper in Berlin. Zeitgleich entdeckte sie für sich die Choreografie.
Seit 2000 feiert die heute
53-jährige Irin als Choreografin Erfolge. Von 2001 bis 2013 war sie Ballettdirektorin in Saarbrücken. Während dieser Zeit arbeitete sie auch als freie Choreografin für Compagnien und Ballerinen wie Svetlana Zacharovar. Sie ist Gründerin und Direktorin des „Donlon Dance Collective”.
In Hagen übernahm sie die Position der Ballettdirektorin im September 2019; hier leitet sie eine zwölfköpfige Compagnie.
Ein Stadttheater-Intendant muss kein guter Dramaturg sein, diese Kompetenzen kann er einkaufen. Aber er muss künstlerische Qualitäten in den Theatersparten auf Augenhöhe oder sogar darüber hinaus wenigstens ertragen können, wenn er sie schon nicht fördert. Das gehört zu seinem Führungsprofil. Dieses Führungsprofil müssen die Aufsichtsgremien der Theater Hagen gGmbH jetzt einfordern.