Hagen. Sie kommen aus völlig verschiedenen Bereichen, und sie sind neu in Hagen. Wie denken Henning Keune und Marguerite Donlon über ihre neue Heimat?

Sie arbeiten in zwei völlig unterschiedlichen Bereichen, aber sie haben etwas gemeinsam: Sowohl Marguerite Donlon als auch Henning Keune sind in diesem Jahr von außen neu nach Hagen gekommen und haben wichtige berufliche Positionen übernommen. Marguerite Donlon ist Ballettdirektorin am Theater Hagen geworden, Henning Keune ist in der Spitze der Stadtverwaltung Hagen als Technischer Beigeordneter für Bauen und Planen zuständig. Und beide sind auch privat in die Volmestadt gezogen, ihre Kinder gehen hier zur Schule. Wie blicken­ die beiden auf ihre neue Heimat Hagen? Wie sehen ihre Pläne aus? Die Westfalenpost hat die beiden an einen Tisch geholt, um mit ihnen zu diskutieren und um einen neuen Impuls in unserer Reihe „Was braucht Hagen?“ zu geben.

Dieses Mal kommen zwei Neubürger zu Wort

Was braucht Hagen? Diese Leitfrage beschäftigt die Stadtredaktion bereits seit dem Jahr 2015. in einer großen Serie sind zu verschiedenen Themenbereichen Experten und Bürger zu Wort gekommen. Wir haben Daten und Fakten präsentiert, um Grundlagen für weitere Diskussionen zu liefern. Ausgezeichnet wurde die Serie mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis. Zur Jahreswende greifen wir die Frage immer wieder auf und diskutieren mit ganz unterschiedlichen Menschen über die Frage, was Hagen braucht und wie sie Hagen empfinden, um die Debatte in Schwung zu halten. Diesmal kommen zwei besondere Neubürger zu Wort.

Sie sind beide im Jahr 2019 nach Hagen gekommen. Mussten Sie sich gegenüber Freunden, Bekannten oder Kollegen geradezu rechtfertigen, dass sie nach Hagen gehen?

Marguerite Donlon Ja, das war durchaus so. Ich bin ein positiver Mensch, das Glas ist für mich immer halbvoll, nicht halbleer. Deshalb sehe ich auch zunächst die positiven Aspekte. Und da ist mir in Hagen sofort die Freundlichkeit aufgefallen. Berlin ist ja meine zweite Heimat, aber diese berühmte „Berliner Schnauze“ ist schon schwierig. Das ist anders hier in Hagen, das ist positiv. Aber die Leute, die von außen mit dem Zug nach Hagen kommen, sehen zuerst den Hauptbahnhof. Das Gebäude ist eigentlich schön, aber diese Bahnsteige, das Umfeld. Ich glaube, das ist es, was viele zunächst mit Hagen verbinden. Und daher kommt dann so eine Frage: Warum gehst du nach Hagen? Deshalb sage ich zum Thema Bahnhof: Make it beautiful. Das kann schon sehr helfen.

Henning Keune: Ich habe zuletzt ja in Villingen-Schwenningen im Schwarzwald gearbeitet. Die Menschen dort haben keine wirkliche Vorstellung von Hagen. Insofern musste ich mich auch nicht rechtfertigen, als bekannt wurde, dass ich hierhin gehe. Was mich aber viel mehr beschäftigt: Mich haben in Hagen die Menschen gefragt, warum ich denn hier hingekommen sei und ob ich mir das gut überlegt hätte. Das ist sicherlich ein Problem, wenn die Hagenerinnen und Hagener selbst schlecht über ihre Stadt sprechen. Mein persönlicher Eindruck nach den ersten Monaten ist: Hagen hat wunderbare Ecken. Aber die sind oft nicht sofort zu erkennen. Die muss man sich erschließen und erarbeiten.

Beide sind nach Hagen gezogen

Henning Keune, 56 Jahre, ist seit Mai neuer Technischer Beigeordneter der Stadt Hagen und damit für Bauen, Planen und Verkehr zuständig.

Der verheiratete Vater einer Tochter (15) ist gebürtiger Bochumer, zuletzt war er Amtsleiter in Villingen-Schwenningen. Inzwischen ist er mit seiner Familie nach Emst gezogen.

Marguerite Donlon, 53 Jahre, ist seit dem Sommer Ballettdirektor am Theater Hagen.

Die gebürtige Irin hatte zuvor in gleicher Position unter anderem in Saarbrücken gearbeitet und zuletzt in Berlin gewohnt und gearbeitet.

Sie lebt nun mit ihrer Tochter (12) in Wehringhausen.

Mit ihrem frischen Blick von außen: Was muss passieren, damit Hagen positiver wahrgenommen wird? Und was können Sie in ihren Rollen dafür tun?

Marguerite Donlon: Ich finde, Hagen müsste stolzer sein auf das, was es hat. Mein Ziel in meiner Rolle ist es, die Bedeutung des Balletts viel mehr für Hagen zu nutzen. Es ist exzellent, die Qualität ist toll. Ich will die Compagnie noch mehr nach außen bringen, sie soll den Namen Hagen positiv besetzen und weiter tragen. Das Ballett kommuniziert mit der Körpersprache, es braucht keine Übersetzung, das ist wichtig für eine multikulturelle Gesellschaft. Das ist mein Projekt. Ich verstehe mich als eine Türöffnerin.

Henning Keune Ich bin der festen Überzeugung, dass Hagen moderner werden muss. Man kann eine Stadt nicht konservieren, sie muss sich weiter entwickeln. Und hier will ich auch dran arbeiten. Um damit zu erreichen, dass die Hagener besser über ihre eigene Stadt sprechen. Das müssen wir schaffen.

Neu in Hagen: Ballettdirektorin Marguerite Donlon und Baudezernent Henning Keune.
Neu in Hagen: Ballettdirektorin Marguerite Donlon und Baudezernent Henning Keune. © WP | Michael Koch

Marguerite Donlon Wir haben hier so viele verschiedene Nationalitäten, Hagen hat ein internationales Flair. Und wir sind hier im Ruhrgebiet, es ist nicht wie in anderen Städten diese Größe, dass rundherum nicht viel ist. Wir sind Teil einer großen Metropole. Wir müssen aber Türen öffnen, damit das auch verstanden wird.

Wenn Sie auf Ihren Aufgabenbereich schauen, welche könnten das sein?

Henning Keune Stadtentwicklung kann man nicht von heute auf morgen ändern, das geht nur Schritt für Schritt und gemeinsam Hand in Hand. Ein Grundgedanke muss aber meiner Ansicht nach sein: Neue Projekte dürfen wir nicht mit dem Gedanken angehen, wir sind hier ja nur Hagen, dieses oder jenes können wir ja nicht schaffen. Gerade weil wir etwas aufzuholen haben, müssen wir selbstbewusster und mutiger sein. Wir sollten nicht nur das machen, was wir schon immer getan haben oder was andere machen. Das würde nur das Mittelmaß verfestigen. Und was bei der Internationalität in dieser Stadt wichtig ist: Es ist derzeit sicherlich noch nicht so, dass sich die unterschiedlichen Kulturen ausreichend mit dem nötigen Respekt und gegenseitigem Interesse begegnen. Viele leben - das gilt für alle Seiten – nur in ihren Kreisen. Das müssen wir überwinden, dann kann das multikulturelle Leben die Stadt wirklich bereichern.

Welche Akzente können Sie setzen, Frau Donlon? Oder erreicht das Theater doch nur einen kleinen, vielleicht auch sehr ausgewählten Teil der Stadtgesellschaft?

Marguerite Donlon Nein, ich bin bekannt dafür, die Barrieren einreißen zu wollen. Für mich gehört jeder ins Theater, nicht nur bestimmte Gruppen. Das ist für mich ein bisschen wie beim Fußball, der auch breite Massen erreicht. Es muss die Devise gelten: Wir machen das zusammen. Wir können als Ballett mit unseren Projekten und unseren Tanzgruppen für Jugendliche den Dialog hinbekommen. Wir können mit dem Tanz über Sprachbarrieren hinweg kommunizieren und damit zu einem verbindenden Elemente werden zwischen den Kulturen in dieser Stadt und zwischen den Generationen. Es ist unsere Aufgabe, dass jeder Hagener weiß: Ich kann dahin gehen ins Theater. Dazu müssen wir manchmal unsere Hand noch weiter ausstrecken. Deshalb gehen wir auch raus, machen etwa Flashmobs auf der Straße.

Doch scheitert oft Veränderung nicht auch daran, dass Hagen kein Geld hat?

Marguerite Donlon Hagen hat vielleicht weniger Geld als andere. Aber ich habe das Gefühl, dass sich diese Gedanken rund um das wenige Geld negativ auswirken. Das blockiert die Kreativität. Wir sollten viel mehr sagen: Lass uns die Arbeit machen, schauen wir, wie wir vorankommen. Natürlich ist das Geld auch wichtig. Aber wir sollten schauen, was wir schon haben und was wir brauchen, um dies auszubalancieren.

Herr Keune, erwarten Sie bei der Stadtentwicklung Widerstände auf dem Weg zu einer modernen Stadt, wie Sie sie skizziert haben?

Henning Keune Ich habe in meinem Bereich regelmäßig mit Widerständen zu tun. Viele wollen etwa Strom aus regenerativen Energien, aber keine Windräder in ihrem eigenen Umfeld, neue Wohn- oder Gewerbegebiete, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Wir werden es immer wieder haben, dass große Zusammenhänge für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt auf diese persönlichen Lebenssituationen treffen. Stadtentwicklung heißt auch immer Interessenskonflikte moderieren. Hier würde ich mir grundsätzlich mehr Offenheit und Kompromissfähigkeit wünschen. Es ist schon ein Problem, aber damit müssen wir umgehen.

Wenn Sie fünf oder zehn Jahre in die Zukunft schauen: Was möchten Sie bis dahin erreicht haben in Ihrem Amt?

Henning Keune Die nächsten zehn Jahre sind für mich schon ein wichtiger Meilenstein, da ich dann geplant auch in den Ruhestand gehen würde. Der Hauptbahnhof an sich und die Bahnsteige will die Bahn ja sanieren. Da hat die Stadt wenig Einfluss. Aber ich will erreichen, dass sich das Gebiet rund um den Hauptbahnhof entwickelt, dass sich dort etwas in diesem entscheidenden Gebiet verändert. Die Sanierung und Vermarktung von Brachflächen sollte dann auch weiter vorangekommen sein. Und ich hoffe, dass wir bis dahin einen Prozess eingeleitet haben, dass die so genannte Ebene zwei, die Altenhagener Hochbrücke, nicht mehr benötigt wird und die Verkehrsströme anders fließen können.

Marguerite DonlonMein Vertrag läuft ja zunächst einmal für zwei Jahre. Und in der Zeit will ich erreichen, dass wir eine starke internationale Ballettcompagnie in Hagen haben, die verschiedene Kulturen erreicht und raus auf die Straße geht.

Hier haben sich nun zwei Menschen aus sehr unterschiedlichen beruflichen Bereichen unterhalten. Müsste­ es so etwas öfter in Hagen geben?

Marguerite Donlon Auf jeden Fall. Ich bin ein totaler Fan davon, dass Leute in kleinen Runden zusammenkommen, reden, diskutieren und etwas entwickeln.

Henning Keune Reden hilft immer. Wir müssen uns die angemessene Zeit nehmen, um über Entwicklungen zu reden, auch ohne konkreten Anlass und in gemischten Runden.