Olpe. Schminken? Tattoos? Feiern? Schwester Jakoba (24) ist Novizin bei den Olper Franziskanerinnen. Sie verrät, wie das Leben im Kloster funktioniert
Wenn Annika Zöll im Garten auf der Slackline läuft, bleiben die Passanten stehen. Nicht nur, weil sie eine schöne junge Frau bei einem ungewöhnlichen Sport beobachten wollen, sondern weil diese junge Frau einen Habit trägt. Annika Zöll ist seit wenigen Wochen Schwester Jakoba. Die 24-Jährige hat bei den Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung in Olpe ihr Noviziat begonnen. Das ist eine private Lebensentscheidung, die viel öffentliche Aufmerksamkeit erfährt, denn die Orden in Deutschland sind überaltert.
Trägt sie unter dem Habit eine Tätowierung? Schwester Jakoba lacht. „Diese Frage stellen sie alle.“ Ebenso, wie es mit dem Schminken ist (nicht verboten, aber nicht üblich), dem Rauchen (das Geld kann man besser einsetzen) oder dem Karneval (Ja!). Natürlich gibt es eine freundliche Neugierde gegenüber Ordensfrauen. Aber auch viele, oft sexistisch geprägte Vorurteile: Die hat keinen abgekriegt, die will versorgt werden, die hat Angst, auf eigenen Füßen zu stehen. Ordensfrauen sind eingesperrt und unterdrückt und rückständig.
Die Franziskanerinnen in Olpe leisten karitative Arbeit
„Die Leute gucken zu viele Klosterfilme. Früher war das Kloster der einzige Weg für Mädchen, etwas zu lernen, zu studieren, einen Beruf auszuüben. Wo sonst hätten früher Frauen ein Unternehmen führen können? An unserem Orden hängt viel Karitatives. Was die Schwestern alles geleistet haben, das ist unglaublich.“
Die Franziskanerinnen sind ein tätiger Orden. In Olpe haben sie unter anderem das erste Kinder- und Jugendhospiz Deutschlands gegründet. Die Ordensfrauen sind häufig in der Obdachlosenseelsorge engagiert, in der Kranken- und Altenpflege oder in anderen sozialen Bereichen. Schwester Jakoba ist Theologin. Wenn das erste, stille Jahr ihres Noviziats beendet ist, tritt sie an der Universität Bonn eine Promotionsstelle an. Thema ihrer Doktorarbeit werden die Lebensläufe von mittelalterlichen weiblichen Heiligen sein. Sie möchte erforschen, was die Kriterien für Heiligkeit waren.
Ungewöhnliche Frauen
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Mittelalterliche Heilige gelten als ungewöhnliche Frauen. Heute sind viele ungewöhnliche Frauen Franziskanerinnen, die sich mit Nachdruck für Reformen in der katholischen Kirche einsetzen. Motiviert oder erschreckt das? „Vieles finde ich falsch in der Kirche, deshalb kann ich keine Pastoralreferentin sein. Aber ich kann Ordensfrau sein“, antwortet Schwester Jakoba. „Weil Ordensleute freier reden können, kommt ihnen in der Diskussion um Reformen eine besondere Rolle zu.“
Den Schleier nimmt man nicht, weil man an Gott zweifelt. „Uns geht es nicht um Macht, sondern um die Botschaft Jesu. Für mein Leben ist das Evangelium relevant, mein Auftrag ist, Ordensfrau zu werden, zu sagen: Ich kümmere mich um Deine Menschen und um Deine Kirche, Gott.“
Die Klamotten sind weg
In Schwester Jakobas Kleiderschrank hängen jetzt keine Jeans mehr, dafür sechs Habite, darunter zwei geflickte für die körperlich anstrengenden Arbeiten. Das franziskanische Armutsideal findet die 24-Jährige befreiend. Ihr Gehalt von der Uni Bonn wird an den Orden überwiesen werden, der wiederum überweist monatlich einen Betrag an den Konvent San Damiano, wo Schwester Jakoba mit ihren Mitschwestern lebt. „Ich bekomme nun das erste Mal in meinem Leben Taschengeld“, schildert sie vergnügt. Davon kann sie Kaffee trinken gehen oder ins Kino, für einen guten Platz in der Oper müsste sie allerdings sparen.
Selbstgewählte Armut
„Selbstgewählte Armut, das passt schon zu mir. Ich finde das eine schöne Art zu leben. Die Klamotten sind weg, das befreit. Und wir wollen uns ja annähern an die Menschen, um die wir uns kümmern. Das finde ich total schön.“
Auch die Gemeinschaft mit den Schwestern sagt der gebürtigen Hitdorferin (bei Leverkusen) als Lebenskonzept zu. „Ich bin nicht in den Orden eingetreten, weil ich keinen Mann oder keine Frau gefunden habe. Ich habe Beziehungen geführt, das war wunderschön, doch es erfüllt mich nicht. Es bleibt die Sehnsucht nach etwas anderem. Gleichzeitig merke ich, dass ich mich hier wohlfühlen kann, dass das ein Lebensentwurf ist, der für mich passt.“
Sechs, sieben Jahre hat es gedauert, bis Annika Zöll sicher war, dass der Orden die richtige Entscheidung ist. Eine wichtige Erfahrung war die Internationalität der Franziskanerinnen, gerade in den USA gibt es viele junge Schwestern. Zwei Jahre dauert das Noviziat, dann kann sie sich das erste Mal an die Gemeinschaft binden. „Bis man das ewige Gelübde ablegen kann, ist man acht bis zehn Jahre im Orden.“ Selbst danach ist die Entscheidung rückgängig zu machen. „Wir haben als Gemeinschaft einen guten Kontakt zu den Schwestern, die ausgetreten sind.“
Die Leute fragen nach dem Weg
Es gibt Ordensfrauen ohne Habit. Doch die Franziskanerinnen wollen an ihrem Gewand erkennbar sein. „Ich trage ihn gerne, für mich ist das ein Zeichen, das den anderen sagt: Du kannst mich ansprechen. In fremden Städten fragen mich Leute nach dem Weg. Ich stehe in Bonn am Bahnhof und eine Jugendliche spricht mich an: Was haben Sie denn an? Darf ich Sie das fragen? Ach so, Sie sind Christin. Was ist das denn? Das finde ich toll.“
Auf der anderen Seite ist Schwester Jakoba im Habit nirgendwo privat. So macht sie zum Beispiel noch einen Bogen um das Schwimmbad. „Im Habit rein in die Umkleidekabine und dann im Badeanzug wieder raus? Dafür brauche ich noch etwas Selbstbewusstsein“, sagt sie und ergänzt: „Das kauft man mit, dass man überall ganz öffentlich ist. Daran musste ich mich erst gewöhnen.“
Der Habit ist aber auch eine beliebte Männerphantasie, sogar in der gehobenen Belletristik. Mit derartigen Vorstellungen macht Schwester Jakoba kurzen Prozess. „Es geht nicht um das Bedecken, nach dem Motto: Wir sind alle unkeusch. Der Habit ist einfach ein Zeichen.“
Sport auf der Slackline
Die Theologin liest leidenschaftlich gern, spielt Geige, läuft gerne Slackline, und all das kann sie im Konvent genauso fröhlich tun wie in einer eigenen Wohnung. „Grundsätzlich geht alles im Kloster.“ Die wirklichen, die radikalen Veränderungen, die verbinden sich nicht mit leblosen Dingen. Natürlich muss die Novizin verzichten. Sie liebt das Heilige Land, hat dort eine Zeit lang studiert, aber Fernreisen passen nicht zum Armutsideal des Ordens.
Doch keine Frau, die diesen Weg wählt, würde Vielfliegermeilen gegen Spiritualität aufrechnen. Es geht ja um das Evangelium. „Missionieren muss ich nicht dringend. Aber ich glaube schon, dass Glaube ansteckend ist. Mich bitten ständig Leute zu erzählen, warum mich das so packt.“